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Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie. Weimar, 1794.

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ich gesetzt. Aber, weil das Subjekt des Satzes das absolute
Subjekt, das Subjekt schlechthin ist, so wird in diesem ein-
zigen Falle, mit der Form des Satzes zugleich sein inne-
rer Gehalt gesetzt: Ich bin gesetzt, weil ich mich gesetzt
habe. Ich bin, weil ich bin. -- Die Logik also sagt:
Wenn A ist, ist A; die Wissenschaftslehre: Weil A ist,
ist A. Und hierdurch würde die Frage: Ist denn A ge-
setzt? so beantwortet: Es ist gesetzt, denn es ist gesetzt.

Setzet: A in obigem Satze bedeute nicht das Ich,
sondern irgend etwas anders, so lässt sich aus dem obi-
gen die Bedingung einsehen, unter welcher man sagen
könne: A ist gesetzt; und wie man berechtigt sei zu
schliessen: Wenn A gesetzt ist, so ist es gesetzt. -- Nem-
lich der Satz: A = A gilt ursprünglich nur vom Ich; er
ist von dem Satze der Wissenschaftslehre: Ich bin Ich,
abgezogen; aller Gehalt also, worauf er anwendbar seyn
soll, muss im Ich liegen, und unter ihm enthalten seyn.
Kein A also kann etwas anders seyn, als ein im Ich ge-
setztes
, und nun hiesse der Satz so: Was im Ich gesetzt
ist, ist gesetzt; ist A im Ich gesetzt, so ist es gesetzt,
(in so fern er nemlich gesetzt ist, als möglich, wirklich,
oder nothwendig) und so ist er unwidersprechlich wahr,
wenn das Ich Ich seyn soll. -- Ist ferner das Ich ge-
setzt, weil es gesetzt ist, so ist alles, was im Ich gesetzt
ist, gesetzt, weil es gesetzt ist; und wenn nur A etwas
im Ich gesetztes ist, so ist es gesetzt, wenn es gesetzt
ist, und die zweite Frage ist auch beantwortet.

§. 7. Wie verhält sich die Wissenschaftslehre als
Wissenschaft, zu ihrem Gegenstande
?

Jeder Satz in der Wissenschaftslehre hat Form und
Gehalt: man weiss etwas; und es ist etwas, wovon

man
D

ich geſetzt. Aber, weil das Subjekt des Satzes das abſolute
Subjekt, das Subjekt ſchlechthin iſt, ſo wird in dieſem ein-
zigen Falle, mit der Form des Satzes zugleich ſein inne-
rer Gehalt geſetzt: Ich bin geſetzt, weil ich mich geſetzt
habe. Ich bin, weil ich bin. — Die Logik alſo ſagt:
Wenn A iſt, iſt A; die Wiſſenſchaftslehre: Weil A iſt,
iſt A. Und hierdurch würde die Frage: Iſt denn A ge-
ſetzt? ſo beantwortet: Es iſt geſetzt, denn es iſt geſetzt.

Setzet: A in obigem Satze bedeute nicht das Ich,
ſondern irgend etwas anders, ſo läſst ſich aus dem obi-
gen die Bedingung einſehen, unter welcher man ſagen
könne: A iſt geſetzt; und wie man berechtigt ſei zu
ſchlieſsen: Wenn A geſetzt iſt, ſo iſt es geſetzt. — Nem-
lich der Satz: A = A gilt urſprünglich nur vom Ich; er
iſt von dem Satze der Wiſſenſchaftslehre: Ich bin Ich,
abgezogen; aller Gehalt alſo, worauf er anwendbar ſeyn
ſoll, muſs im Ich liegen, und unter ihm enthalten ſeyn.
Kein A alſo kann etwas anders ſeyn, als ein im Ich ge-
ſetztes
, und nun hieſſe der Satz ſo: Was im Ich geſetzt
iſt, iſt geſetzt; iſt A im Ich geſetzt, ſo iſt es geſetzt,
(in ſo fern er nemlich geſetzt iſt, als möglich, wirklich,
oder nothwendig) und ſo iſt er unwiderſprechlich wahr,
wenn das Ich Ich ſeyn ſoll. — Iſt ferner das Ich ge-
ſetzt, weil es geſetzt iſt, ſo iſt alles, was im Ich geſetzt
iſt, geſetzt, weil es geſetzt iſt; und wenn nur A etwas
im Ich geſetztes iſt, ſo iſt es geſetzt, wenn es geſetzt
iſt, und die zweite Frage iſt auch beantwortet.

§. 7. Wie verhält ſich die Wiſſenſchaftslehre als
Wiſſenſchaft, zu ihrem Gegenſtande
?

Jeder Satz in der Wiſſenſchaftslehre hat Form und
Gehalt: man weiſs etwas; und es iſt etwas, wovon

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[49/0057] ich geſetzt. Aber, weil das Subjekt des Satzes das abſolute Subjekt, das Subjekt ſchlechthin iſt, ſo wird in dieſem ein- zigen Falle, mit der Form des Satzes zugleich ſein inne- rer Gehalt geſetzt: Ich bin geſetzt, weil ich mich geſetzt habe. Ich bin, weil ich bin. — Die Logik alſo ſagt: Wenn A iſt, iſt A; die Wiſſenſchaftslehre: Weil A iſt, iſt A. Und hierdurch würde die Frage: Iſt denn A ge- ſetzt? ſo beantwortet: Es iſt geſetzt, denn es iſt geſetzt. Setzet: A in obigem Satze bedeute nicht das Ich, ſondern irgend etwas anders, ſo läſst ſich aus dem obi- gen die Bedingung einſehen, unter welcher man ſagen könne: A iſt geſetzt; und wie man berechtigt ſei zu ſchlieſsen: Wenn A geſetzt iſt, ſo iſt es geſetzt. — Nem- lich der Satz: A = A gilt urſprünglich nur vom Ich; er iſt von dem Satze der Wiſſenſchaftslehre: Ich bin Ich, abgezogen; aller Gehalt alſo, worauf er anwendbar ſeyn ſoll, muſs im Ich liegen, und unter ihm enthalten ſeyn. Kein A alſo kann etwas anders ſeyn, als ein im Ich ge- ſetztes, und nun hieſſe der Satz ſo: Was im Ich geſetzt iſt, iſt geſetzt; iſt A im Ich geſetzt, ſo iſt es geſetzt, (in ſo fern er nemlich geſetzt iſt, als möglich, wirklich, oder nothwendig) und ſo iſt er unwiderſprechlich wahr, wenn das Ich Ich ſeyn ſoll. — Iſt ferner das Ich ge- ſetzt, weil es geſetzt iſt, ſo iſt alles, was im Ich geſetzt iſt, geſetzt, weil es geſetzt iſt; und wenn nur A etwas im Ich geſetztes iſt, ſo iſt es geſetzt, wenn es geſetzt iſt, und die zweite Frage iſt auch beantwortet. §. 7. Wie verhält ſich die Wiſſenſchaftslehre als Wiſſenſchaft, zu ihrem Gegenſtande? Jeder Satz in der Wiſſenſchaftslehre hat Form und Gehalt: man weiſs etwas; und es iſt etwas, wovon man D

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie. Weimar, 1794, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_wissenschaftslehre_1794/57>, abgerufen am 29.04.2024.