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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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bis dahin Alles und die Gnade Sr. Majestät sehr wenig gethan
habe; so versprach er denn, dem jungen Paar ihr neues Wohn-
haus in Carwe einzurichten und sogar zum Aufbau desselben die
Balken und den Kalk zu liefern. Bald stand das Haus da, und
die innere Einrichtung, die Möblirung erfolgte mit so viel Muni-
ficenz, wie es dem sparsamen und schlicht gewöhnten König nur
immerhin möglich war. Selbst Königliche Familien-Portraits, zum
Theil von der Meisterhand Pesne's, wurden geliefert und in einem
Empfangssaal des ersten Stockes in das Mauerwerk eingefügt.
Wir werden gleich sehen, wie wichtig es für den neuen Besitzer
von Carwe war, diese stattliche Bilderreihe nicht aufgehängt, son-
dern eingemauert zu haben. Es waren nämlich kaum einige
Monate in's Land gegangen, als ein großer Planwagen vor dem
Knesebeck'schen Hause erschien und mit ihm zugleich die Ordre, das
durch Königliche Munificenz erhaltene Ameublement wieder zurück-
zuliefern. Es waren nicht die Zeiten, um solcher Ordre irgend-
welchen erheblichen Widerstand entgegenzusetzen und die Spiegel
und Tische und Kommoden, die der gebornen v. Bredow bereits
lieb und theuer geworden waren, versanken alsbald zwischen den
Heu- und Strohbündeln des draußen harrenden Wagens. Was
zu dieser Ordre geführt hat, ob einfach Laune oder aber die öko-
nomische Erwägung, "daß der von Knesebeck nunmehro reich genug
sei, um sich auch ohne geschenkte Königliche Möbel behelfen zu
können," ist nie bekannt geworden. Der Planwagen kam nie wie-
der; zurückgelassen hatte er nur die eingemauerten Bilder und einen
alten Eichentisch, den seine Unscheinbarkeit rettete, mit deren Hülfe
er dem Knesebeck'schen Hause bis diesen Tag erhalten worden ist.

Wir treten nun an den Hunden des Phidias (den Molossern)
vorbei, in das Haus selber ein. Das erste Zimmer mit der Aus-
sicht auf den Park ist das Bibliothekzimmer. Auf schlichten Regalen
stehen schlichte Einbände, keine Goldschnitts-Literatur zum Ansehen,
sondern Bücher zum Lesen, "Krieger für den Werkeltag." Es sind
Bücher und Broschüren, die der alte Feldmarschall in seinem
80jährigen Leben gesammelt hat und über deren Inhalt und Rich-

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bis dahin Alles und die Gnade Sr. Majeſtät ſehr wenig gethan
habe; ſo verſprach er denn, dem jungen Paar ihr neues Wohn-
haus in Carwe einzurichten und ſogar zum Aufbau deſſelben die
Balken und den Kalk zu liefern. Bald ſtand das Haus da, und
die innere Einrichtung, die Möblirung erfolgte mit ſo viel Muni-
ficenz, wie es dem ſparſamen und ſchlicht gewöhnten König nur
immerhin möglich war. Selbſt Königliche Familien-Portraits, zum
Theil von der Meiſterhand Pesne’s, wurden geliefert und in einem
Empfangsſaal des erſten Stockes in das Mauerwerk eingefügt.
Wir werden gleich ſehen, wie wichtig es für den neuen Beſitzer
von Carwe war, dieſe ſtattliche Bilderreihe nicht aufgehängt, ſon-
dern eingemauert zu haben. Es waren nämlich kaum einige
Monate in’s Land gegangen, als ein großer Planwagen vor dem
Kneſebeck’ſchen Hauſe erſchien und mit ihm zugleich die Ordre, das
durch Königliche Munificenz erhaltene Ameublement wieder zurück-
zuliefern. Es waren nicht die Zeiten, um ſolcher Ordre irgend-
welchen erheblichen Widerſtand entgegenzuſetzen und die Spiegel
und Tiſche und Kommoden, die der gebornen v. Bredow bereits
lieb und theuer geworden waren, verſanken alsbald zwiſchen den
Heu- und Strohbündeln des draußen harrenden Wagens. Was
zu dieſer Ordre geführt hat, ob einfach Laune oder aber die öko-
nomiſche Erwägung, „daß der von Kneſebeck nunmehro reich genug
ſei, um ſich auch ohne geſchenkte Königliche Möbel behelfen zu
können,“ iſt nie bekannt geworden. Der Planwagen kam nie wie-
der; zurückgelaſſen hatte er nur die eingemauerten Bilder und einen
alten Eichentiſch, den ſeine Unſcheinbarkeit rettete, mit deren Hülfe
er dem Kneſebeck’ſchen Hauſe bis dieſen Tag erhalten worden iſt.

Wir treten nun an den Hunden des Phidias (den Moloſſern)
vorbei, in das Haus ſelber ein. Das erſte Zimmer mit der Aus-
ſicht auf den Park iſt das Bibliothekzimmer. Auf ſchlichten Regalen
ſtehen ſchlichte Einbände, keine Goldſchnitts-Literatur zum Anſehen,
ſondern Bücher zum Leſen, „Krieger für den Werkeltag.“ Es ſind
Bücher und Broſchüren, die der alte Feldmarſchall in ſeinem
80jährigen Leben geſammelt hat und über deren Inhalt und Rich-

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[19/0037] bis dahin Alles und die Gnade Sr. Majeſtät ſehr wenig gethan habe; ſo verſprach er denn, dem jungen Paar ihr neues Wohn- haus in Carwe einzurichten und ſogar zum Aufbau deſſelben die Balken und den Kalk zu liefern. Bald ſtand das Haus da, und die innere Einrichtung, die Möblirung erfolgte mit ſo viel Muni- ficenz, wie es dem ſparſamen und ſchlicht gewöhnten König nur immerhin möglich war. Selbſt Königliche Familien-Portraits, zum Theil von der Meiſterhand Pesne’s, wurden geliefert und in einem Empfangsſaal des erſten Stockes in das Mauerwerk eingefügt. Wir werden gleich ſehen, wie wichtig es für den neuen Beſitzer von Carwe war, dieſe ſtattliche Bilderreihe nicht aufgehängt, ſon- dern eingemauert zu haben. Es waren nämlich kaum einige Monate in’s Land gegangen, als ein großer Planwagen vor dem Kneſebeck’ſchen Hauſe erſchien und mit ihm zugleich die Ordre, das durch Königliche Munificenz erhaltene Ameublement wieder zurück- zuliefern. Es waren nicht die Zeiten, um ſolcher Ordre irgend- welchen erheblichen Widerſtand entgegenzuſetzen und die Spiegel und Tiſche und Kommoden, die der gebornen v. Bredow bereits lieb und theuer geworden waren, verſanken alsbald zwiſchen den Heu- und Strohbündeln des draußen harrenden Wagens. Was zu dieſer Ordre geführt hat, ob einfach Laune oder aber die öko- nomiſche Erwägung, „daß der von Kneſebeck nunmehro reich genug ſei, um ſich auch ohne geſchenkte Königliche Möbel behelfen zu können,“ iſt nie bekannt geworden. Der Planwagen kam nie wie- der; zurückgelaſſen hatte er nur die eingemauerten Bilder und einen alten Eichentiſch, den ſeine Unſcheinbarkeit rettete, mit deren Hülfe er dem Kneſebeck’ſchen Hauſe bis dieſen Tag erhalten worden iſt. Wir treten nun an den Hunden des Phidias (den Moloſſern) vorbei, in das Haus ſelber ein. Das erſte Zimmer mit der Aus- ſicht auf den Park iſt das Bibliothekzimmer. Auf ſchlichten Regalen ſtehen ſchlichte Einbände, keine Goldſchnitts-Literatur zum Anſehen, ſondern Bücher zum Leſen, „Krieger für den Werkeltag.“ Es ſind Bücher und Broſchüren, die der alte Feldmarſchall in ſeinem 80jährigen Leben geſammelt hat und über deren Inhalt und Rich- 2*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/37>, abgerufen am 28.04.2024.