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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Jahrzehnte vergingen, da zog wieder Leben ein in Schloß
Coepenick, aber welch ein Leben! Die Fenster, die nach dem Wasser
hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein schmaler
Streifen blieb offen, der dem Lichtstrahl von oben her einen Ein-
gang gestattete. Geschlossene Wagen rollten über die Brücke, Alles
war in Dunkel und Geheimniß gehüllt, "es ging ein finstrer Geist
durch dieses Haus." Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wächter
am Portal, standen unheimlicher da denn je zuvor und in den
Gängen des Parks klang das Rufen und Lachen nicht mehr, das
die Knabenspiele früherer Jahre so laut und herzlich begleitet hatte.
Hunderte hatten Platz gefunden hinter den Gitterfenstern, die doch
keine Fenster mehr waren, aber nichts unterbrach die Stille und
Oede des Orts; wie das Licht, so schien auch der Klang von
seinen Mauern ausgeschlossen zu sein. Das war in den 20er Jah-
ren dieses Jahrhunderts; eine trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt,
und Mangel an Muth hatte zu Gericht gesessen; waghalsige Schwär-
merei, mißleitete Begeisterung, büßten hart für den eitlen Irrthum
einer Stunde. *)

Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen schweren Traum
schüttelte Schloß Coepenick seine jüngste Vergangenheit ab. Die
Fenster blitzten wieder, wenn die Morgensonne darauf fiel, das
Gestrüpp verschwand, das den Park zu einer halben Wildniß ge-
macht hatte, und auf dem Platz, der zwischen Schloß und Schloß-
kapelle liegt, entstand ein Garten; -- Blumen blühten wieder
in Schloß Coepenick
. Heitere Jugend hielt ihren Einzug in die
Säle und Corridore, aber sie kam nicht, um für Eitelkeit und
Uebermuth zu büßen (wenn auch zu streng), sie kam, um in
Demuth und Bescheidenheit zu lernen. Und diese Jugend weilt
noch darin. Allabendlich, wenn um die Dämmerstunde die Orgel
zu Gesang und Andacht ruft, und Lehrer und Schüler sich im
alten Wappensaal des Schlosses versammeln, ist es, als würde der

*) In Schloß Coepenick befanden sich damals die "Demagogen" in
Untersuchungshaft; -- jetzt ist es Seminar.

Jahrzehnte vergingen, da zog wieder Leben ein in Schloß
Coepenick, aber welch ein Leben! Die Fenſter, die nach dem Waſſer
hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein ſchmaler
Streifen blieb offen, der dem Lichtſtrahl von oben her einen Ein-
gang geſtattete. Geſchloſſene Wagen rollten über die Brücke, Alles
war in Dunkel und Geheimniß gehüllt, „es ging ein finſtrer Geiſt
durch dieſes Haus.“ Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wächter
am Portal, ſtanden unheimlicher da denn je zuvor und in den
Gängen des Parks klang das Rufen und Lachen nicht mehr, das
die Knabenſpiele früherer Jahre ſo laut und herzlich begleitet hatte.
Hunderte hatten Platz gefunden hinter den Gitterfenſtern, die doch
keine Fenſter mehr waren, aber nichts unterbrach die Stille und
Oede des Orts; wie das Licht, ſo ſchien auch der Klang von
ſeinen Mauern ausgeſchloſſen zu ſein. Das war in den 20er Jah-
ren dieſes Jahrhunderts; eine trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt,
und Mangel an Muth hatte zu Gericht geſeſſen; waghalſige Schwär-
merei, mißleitete Begeiſterung, büßten hart für den eitlen Irrthum
einer Stunde. *)

Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen ſchweren Traum
ſchüttelte Schloß Coepenick ſeine jüngſte Vergangenheit ab. Die
Fenſter blitzten wieder, wenn die Morgenſonne darauf fiel, das
Geſtrüpp verſchwand, das den Park zu einer halben Wildniß ge-
macht hatte, und auf dem Platz, der zwiſchen Schloß und Schloß-
kapelle liegt, entſtand ein Garten; — Blumen blühten wieder
in Schloß Coepenick
. Heitere Jugend hielt ihren Einzug in die
Säle und Corridore, aber ſie kam nicht, um für Eitelkeit und
Uebermuth zu büßen (wenn auch zu ſtreng), ſie kam, um in
Demuth und Beſcheidenheit zu lernen. Und dieſe Jugend weilt
noch darin. Allabendlich, wenn um die Dämmerſtunde die Orgel
zu Geſang und Andacht ruft, und Lehrer und Schüler ſich im
alten Wappenſaal des Schloſſes verſammeln, iſt es, als würde der

*) In Schloß Coepenick befanden ſich damals die „Demagogen“ in
Unterſuchungshaft; — jetzt iſt es Seminar.
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[362/0380] Jahrzehnte vergingen, da zog wieder Leben ein in Schloß Coepenick, aber welch ein Leben! Die Fenſter, die nach dem Waſſer hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein ſchmaler Streifen blieb offen, der dem Lichtſtrahl von oben her einen Ein- gang geſtattete. Geſchloſſene Wagen rollten über die Brücke, Alles war in Dunkel und Geheimniß gehüllt, „es ging ein finſtrer Geiſt durch dieſes Haus.“ Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wächter am Portal, ſtanden unheimlicher da denn je zuvor und in den Gängen des Parks klang das Rufen und Lachen nicht mehr, das die Knabenſpiele früherer Jahre ſo laut und herzlich begleitet hatte. Hunderte hatten Platz gefunden hinter den Gitterfenſtern, die doch keine Fenſter mehr waren, aber nichts unterbrach die Stille und Oede des Orts; wie das Licht, ſo ſchien auch der Klang von ſeinen Mauern ausgeſchloſſen zu ſein. Das war in den 20er Jah- ren dieſes Jahrhunderts; eine trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt, und Mangel an Muth hatte zu Gericht geſeſſen; waghalſige Schwär- merei, mißleitete Begeiſterung, büßten hart für den eitlen Irrthum einer Stunde. *) Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen ſchweren Traum ſchüttelte Schloß Coepenick ſeine jüngſte Vergangenheit ab. Die Fenſter blitzten wieder, wenn die Morgenſonne darauf fiel, das Geſtrüpp verſchwand, das den Park zu einer halben Wildniß ge- macht hatte, und auf dem Platz, der zwiſchen Schloß und Schloß- kapelle liegt, entſtand ein Garten; — Blumen blühten wieder in Schloß Coepenick. Heitere Jugend hielt ihren Einzug in die Säle und Corridore, aber ſie kam nicht, um für Eitelkeit und Uebermuth zu büßen (wenn auch zu ſtreng), ſie kam, um in Demuth und Beſcheidenheit zu lernen. Und dieſe Jugend weilt noch darin. Allabendlich, wenn um die Dämmerſtunde die Orgel zu Geſang und Andacht ruft, und Lehrer und Schüler ſich im alten Wappenſaal des Schloſſes verſammeln, iſt es, als würde der *) In Schloß Coepenick befanden ſich damals die „Demagogen“ in Unterſuchungshaft; — jetzt iſt es Seminar.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/380>, abgerufen am 29.04.2024.