Wir kennen jetzt die Südufer des Ruppiner See's, haben Carwe und Wustrau durchstreift und schicken uns nun an, der alten Hauptstadt dieses Landestheiles unseren Besuch zu machen, der Stadt Ruppin selbst, die dem See, woran sie liegt, wie der ganzen Grafschaft den Namen gegeben hat. In schräger Linie kreu- zen wir, von Carwe aus, den an dieser Stelle ziemlich breiten See, laben uns, die Juli-Sonne zu unseren Häupten, an der feuchten Kühle des Wassers und traben endlich, nachdem wir das Westufer erreicht haben, in offnem Wagen die kahle, staubige Chaussee entlang, unsere Regenschirme als Schutz- und Schatten- dächer über uns. Grau wie die Müllerthiere erreichen wir die Stadt, sehen, mit geblendeten Augen, wenig oder nichts, und athmen erst auf, als wir vor'm Gasthof zum Deutschen Hause halten und freundlich bewillkommt in die Kühle des Flures treten. Moselwein und Selterwasser stellen bald unsre Lebensgeister wieder her und geben uns Muth und Kraft eine erste Promenade zu machen und dem Pflaster der Stadt zu trotzen. In unseren dünn- sohligen Stiefeln werden wir freilich mehr denn einmal an jenen mecklenburgischen Gutsbesitzer erinnert, den seine revoltirenden Hintersassen auf spitzen Steinen hatten tanzen lassen.
Die Stadt Ruppin hat eine schöne Lage -- See, Gärten
Neu-Ruppin.
1. Ein Gang durch die Stadt. Die Kloſterkirche.
Wir kennen jetzt die Südufer des Ruppiner See’s, haben Carwe und Wuſtrau durchſtreift und ſchicken uns nun an, der alten Hauptſtadt dieſes Landestheiles unſeren Beſuch zu machen, der Stadt Ruppin ſelbſt, die dem See, woran ſie liegt, wie der ganzen Grafſchaft den Namen gegeben hat. In ſchräger Linie kreu- zen wir, von Carwe aus, den an dieſer Stelle ziemlich breiten See, laben uns, die Juli-Sonne zu unſeren Häupten, an der feuchten Kühle des Waſſers und traben endlich, nachdem wir das Weſtufer erreicht haben, in offnem Wagen die kahle, ſtaubige Chauſſee entlang, unſere Regenſchirme als Schutz- und Schatten- dächer über uns. Grau wie die Müllerthiere erreichen wir die Stadt, ſehen, mit geblendeten Augen, wenig oder nichts, und athmen erſt auf, als wir vor’m Gaſthof zum Deutſchen Hauſe halten und freundlich bewillkommt in die Kühle des Flures treten. Moſelwein und Selterwaſſer ſtellen bald unſre Lebensgeiſter wieder her und geben uns Muth und Kraft eine erſte Promenade zu machen und dem Pflaſter der Stadt zu trotzen. In unſeren dünn- ſohligen Stiefeln werden wir freilich mehr denn einmal an jenen mecklenburgiſchen Gutsbeſitzer erinnert, den ſeine revoltirenden Hinterſaſſen auf ſpitzen Steinen hatten tanzen laſſen.
Die Stadt Ruppin hat eine ſchöne Lage — See, Gärten
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Neu-Ruppin.
1.
Ein Gang durch die Stadt. Die Kloſterkirche.
Wir kennen jetzt die Südufer des Ruppiner See’s, haben Carwe
und Wuſtrau durchſtreift und ſchicken uns nun an, der alten
Hauptſtadt dieſes Landestheiles unſeren Beſuch zu machen, der
Stadt Ruppin ſelbſt, die dem See, woran ſie liegt, wie der
ganzen Grafſchaft den Namen gegeben hat. In ſchräger Linie kreu-
zen wir, von Carwe aus, den an dieſer Stelle ziemlich breiten
See, laben uns, die Juli-Sonne zu unſeren Häupten, an der
feuchten Kühle des Waſſers und traben endlich, nachdem wir das
Weſtufer erreicht haben, in offnem Wagen die kahle, ſtaubige
Chauſſee entlang, unſere Regenſchirme als Schutz- und Schatten-
dächer über uns. Grau wie die Müllerthiere erreichen wir die
Stadt, ſehen, mit geblendeten Augen, wenig oder nichts, und
athmen erſt auf, als wir vor’m Gaſthof zum Deutſchen Hauſe
halten und freundlich bewillkommt in die Kühle des Flures treten.
Moſelwein und Selterwaſſer ſtellen bald unſre Lebensgeiſter wieder
her und geben uns Muth und Kraft eine erſte Promenade zu
machen und dem Pflaſter der Stadt zu trotzen. In unſeren dünn-
ſohligen Stiefeln werden wir freilich mehr denn einmal an jenen
mecklenburgiſchen Gutsbeſitzer erinnert, den ſeine revoltirenden
Hinterſaſſen auf ſpitzen Steinen hatten tanzen laſſen.
Die Stadt Ruppin hat eine ſchöne Lage — See, Gärten
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Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [27]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/45>, abgerufen am 18.09.2024.
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