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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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zu den Kadets geschickt und später zu unserm Regiment. So war er bereits
einige 20 Jahre alt geworden. Bei uns hieß er "der Page" und wir
fragten ihn wohl zuweilen: wann seine Frau und Kinder nachkommen
würden? Er hatte Erlaubniß erhalten, den König zu bitten, ihn bald zu
avanciren. Als Friedrich auf die Frage: "Wie heißt er?" seinen Namen
hörte, sprach er zu ihm etwa erst zwei Worte italienisch, dann französisch,
und als Hauteville mit seiner Bitte herausrückte, und immer dringen-
der ward, fragte er ihn etwas unwillig in deutscher Sprache: "Ob er
denn auch deutsch könne?" und als Hauteville deutsch replicirte: "Kann
jetzt Alles commandire, Ihro Majestät, und bitte unterthänigst," so fiel er
ihm in die Rede, mit den Worten: "Nun Herr, beruhige er sich doch, ich
werde ihn ja nicht vergessen", und in 6 Wochen war Hauteville Lieute-
nant beim Grenadier-Bataillon Meusel, später hat er ein Füsilier-
Bataillon in Schlesien gehabt.

Der dritte hieß Brösicke. Als der König seinen Namen hörte, sagte
er bloß: "Er ist aus der Mark", und gleich zum Folgenden:

"Wie heißt er?" -- "Suhm, Ew. Majestät." -- Der König:
"Sein Vater ist der Postmeister?" -- "Ja, Ew. Majestät." -- Der König:
"Wenn sein Vater nicht 4000 Thaler hat, soll er an mich schreiben." --
Der Vater des Suhm war nämlich schwer blessirt, (wenn ich nicht irre,
hatte er beide Beine verloren), hatte die Stelle als Versorgung erhalten,
und war ein Bruder des Suhm, mit dem Friedrich in Correspon-
denz war, die gedruckt ist.

Nun kam die Reihe an mich. "Wie heißt er?" -- "Knesebeck, Ew.
Majestät." -- "Was ist sein Vater gewesen?" -- Lieutenant bei Ew.
Majestät Garde. -- Der König: "Ach, der Knesebeck! und mit ganz
veränderter, theilnehmender Stimme gleich zwei Fragen hinter einander an
mich richtend, fuhr er fort: "Wie geht es denn seinem Vater? schmerzen
ihn seine Blessuren noch?" Mein Vater war nämlich bei Kollin schwer
blessirt und quer durch den Leib und Arm geschossen. "Grüß Er doch
seinen Vater von mir!" Und als er sich schon wenden wollte, noch einmal
sich umsehend und den Zeigefinger der rechten Hand, an welcher der Stock
baumelte, emporhebend und mich noch einmal ansehend, sagte er mit gnä-
diger Stimme: "Vergesse Er es mir auch nicht!" --

Ach, seitdem sind 65 Jahre verflossen (so schließt Knesebeck), und ich
habe diesen Gruß, der gleich bestellt wurde, da ich Urlaub dazu erhielt,
und noch weniger den Ton der Stimme vergessen, mit welchem er ge-
sprochen wurde.

2. Der alte Feldmarschall v. d. Knesebeck hat eine ziemliche Anzahl
von Gedichten hinterlassen. Eins der (seinerzeit) populärsten ist das fol-
gende. Es stammt aus den Lieutenantstagen in Halberstadt (1792).


zu den Kadets geſchickt und ſpäter zu unſerm Regiment. So war er bereits
einige 20 Jahre alt geworden. Bei uns hieß er „der Page“ und wir
fragten ihn wohl zuweilen: wann ſeine Frau und Kinder nachkommen
würden? Er hatte Erlaubniß erhalten, den König zu bitten, ihn bald zu
avanciren. Als Friedrich auf die Frage: „Wie heißt er?“ ſeinen Namen
hörte, ſprach er zu ihm etwa erſt zwei Worte italieniſch, dann franzöſiſch,
und als Hauteville mit ſeiner Bitte herausrückte, und immer dringen-
der ward, fragte er ihn etwas unwillig in deutſcher Sprache: „Ob er
denn auch deutſch könne?“ und als Hauteville deutſch replicirte: „Kann
jetzt Alles commandire, Ihro Majeſtät, und bitte unterthänigſt,“ ſo fiel er
ihm in die Rede, mit den Worten: „Nun Herr, beruhige er ſich doch, ich
werde ihn ja nicht vergeſſen“, und in 6 Wochen war Hauteville Lieute-
nant beim Grenadier-Bataillon Meuſel, ſpäter hat er ein Füſilier-
Bataillon in Schleſien gehabt.

Der dritte hieß Bröſicke. Als der König ſeinen Namen hörte, ſagte
er bloß: „Er iſt aus der Mark“, und gleich zum Folgenden:

„Wie heißt er?“ — „Suhm, Ew. Majeſtät.“ — Der König:
„Sein Vater iſt der Poſtmeiſter?“ — „Ja, Ew. Majeſtät.“ — Der König:
„Wenn ſein Vater nicht 4000 Thaler hat, ſoll er an mich ſchreiben.“ —
Der Vater des Suhm war nämlich ſchwer bleſſirt, (wenn ich nicht irre,
hatte er beide Beine verloren), hatte die Stelle als Verſorgung erhalten,
und war ein Bruder des Suhm, mit dem Friedrich in Correspon-
denz war, die gedruckt iſt.

Nun kam die Reihe an mich. „Wie heißt er?“ — „Kneſebeck, Ew.
Majeſtät.“ — „Was iſt ſein Vater geweſen?“ — Lieutenant bei Ew.
Majeſtät Garde. — Der König: „Ach, der Kneſebeck! und mit ganz
veränderter, theilnehmender Stimme gleich zwei Fragen hinter einander an
mich richtend, fuhr er fort: „Wie geht es denn ſeinem Vater? ſchmerzen
ihn ſeine Bleſſuren noch?“ Mein Vater war nämlich bei Kollin ſchwer
bleſſirt und quer durch den Leib und Arm geſchoſſen. „Grüß Er doch
ſeinen Vater von mir!“ Und als er ſich ſchon wenden wollte, noch einmal
ſich umſehend und den Zeigefinger der rechten Hand, an welcher der Stock
baumelte, emporhebend und mich noch einmal anſehend, ſagte er mit gnä-
diger Stimme: „Vergeſſe Er es mir auch nicht!“ —

Ach, ſeitdem ſind 65 Jahre verfloſſen (ſo ſchließt Kneſebeck), und ich
habe dieſen Gruß, der gleich beſtellt wurde, da ich Urlaub dazu erhielt,
und noch weniger den Ton der Stimme vergeſſen, mit welchem er ge-
ſprochen wurde.

2. Der alte Feldmarſchall v. d. Kneſebeck hat eine ziemliche Anzahl
von Gedichten hinterlaſſen. Eins der (ſeinerzeit) populärſten iſt das fol-
gende. Es ſtammt aus den Lieutenantstagen in Halberſtadt (1792).


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[444/0462] zu den Kadets geſchickt und ſpäter zu unſerm Regiment. So war er bereits einige 20 Jahre alt geworden. Bei uns hieß er „der Page“ und wir fragten ihn wohl zuweilen: wann ſeine Frau und Kinder nachkommen würden? Er hatte Erlaubniß erhalten, den König zu bitten, ihn bald zu avanciren. Als Friedrich auf die Frage: „Wie heißt er?“ ſeinen Namen hörte, ſprach er zu ihm etwa erſt zwei Worte italieniſch, dann franzöſiſch, und als Hauteville mit ſeiner Bitte herausrückte, und immer dringen- der ward, fragte er ihn etwas unwillig in deutſcher Sprache: „Ob er denn auch deutſch könne?“ und als Hauteville deutſch replicirte: „Kann jetzt Alles commandire, Ihro Majeſtät, und bitte unterthänigſt,“ ſo fiel er ihm in die Rede, mit den Worten: „Nun Herr, beruhige er ſich doch, ich werde ihn ja nicht vergeſſen“, und in 6 Wochen war Hauteville Lieute- nant beim Grenadier-Bataillon Meuſel, ſpäter hat er ein Füſilier- Bataillon in Schleſien gehabt. Der dritte hieß Bröſicke. Als der König ſeinen Namen hörte, ſagte er bloß: „Er iſt aus der Mark“, und gleich zum Folgenden: „Wie heißt er?“ — „Suhm, Ew. Majeſtät.“ — Der König: „Sein Vater iſt der Poſtmeiſter?“ — „Ja, Ew. Majeſtät.“ — Der König: „Wenn ſein Vater nicht 4000 Thaler hat, ſoll er an mich ſchreiben.“ — Der Vater des Suhm war nämlich ſchwer bleſſirt, (wenn ich nicht irre, hatte er beide Beine verloren), hatte die Stelle als Verſorgung erhalten, und war ein Bruder des Suhm, mit dem Friedrich in Correspon- denz war, die gedruckt iſt. Nun kam die Reihe an mich. „Wie heißt er?“ — „Kneſebeck, Ew. Majeſtät.“ — „Was iſt ſein Vater geweſen?“ — Lieutenant bei Ew. Majeſtät Garde. — Der König: „Ach, der Kneſebeck! und mit ganz veränderter, theilnehmender Stimme gleich zwei Fragen hinter einander an mich richtend, fuhr er fort: „Wie geht es denn ſeinem Vater? ſchmerzen ihn ſeine Bleſſuren noch?“ Mein Vater war nämlich bei Kollin ſchwer bleſſirt und quer durch den Leib und Arm geſchoſſen. „Grüß Er doch ſeinen Vater von mir!“ Und als er ſich ſchon wenden wollte, noch einmal ſich umſehend und den Zeigefinger der rechten Hand, an welcher der Stock baumelte, emporhebend und mich noch einmal anſehend, ſagte er mit gnä- diger Stimme: „Vergeſſe Er es mir auch nicht!“ — Ach, ſeitdem ſind 65 Jahre verfloſſen (ſo ſchließt Kneſebeck), und ich habe dieſen Gruß, der gleich beſtellt wurde, da ich Urlaub dazu erhielt, und noch weniger den Ton der Stimme vergeſſen, mit welchem er ge- ſprochen wurde. 2. Der alte Feldmarſchall v. d. Kneſebeck hat eine ziemliche Anzahl von Gedichten hinterlaſſen. Eins der (ſeinerzeit) populärſten iſt das fol- gende. Es ſtammt aus den Lieutenantstagen in Halberſtadt (1792).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/462>, abgerufen am 28.04.2024.