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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Tisch, ob Schloß Hubertsburg ausgeplündert sei? "Nein", erwie-
derte der Oberst. Eine andere halbe Woche verging und der König
wiederholte seine Frage, worauf dieselbe lakonische Antwort erfolgte.
"Warum nicht?" fuhr der König auf. -- "Weil sich dieß allen-
falls für Offiziere eines Freibataillons schicken würde, nicht aber
für den Commandeur von Seiner Majestät Gendarmes." Der
entrüstete König stand von der Tafel auf und schenkte das Mobi-
liar des Schlosses dem Obersten Quintus Jcilius,*) der bald
darauf alles rein ausplünderte.

Bei allen Revuen nach dem Frieden war nun der König immer
höchst unzufrieden, andere Offiziere wurden dem tapfern Gendarmen-
Obersten vorgezogen und Marwitz forderte seinen Abschied. Der
König verweigerte ihn. Neue Kränkungen blieben indeß nicht aus
und Marwitz kam abermals um seine Entlassung ein. Keine Ant-
wort. Da that Johann Friedrich Adolf keinen Dienst mehr und
blieb ein ganzes Jahr lang zu Hause. Nun lenkte der König ein
und versprach ihm das nächste vacante Regiment; aber vergeblich.
Er ließ antworten: er habe so gedient, daß er sich kein passe
droit
brauche gefallen zu lassen; was geschehen sei, sei geschehen,
und könne kein König mehr ungeschehen machen. Zugleich forderte
er zum drittenmal seinen Abschied und erhielt ihn nun (1769).

Er war damals erst 46 Jahre alt. Das Ende seines Lebens
entsprach nicht dem ruhmreichen Anfang. Aller regelnden Thätig-
keit überhoben und jener wohlthätigen Disciplin, die der "Dienst"
auf die Kräfte und Leidenschaften starker Naturen ausübt, verfiel
er einem glänzenden Müssiggange, den er nunmehr mit derselben
Consequenz und Energie wie früher seine soldatischen Tugenden
durchführte. Den größten Theil des Tages verbrachte er beim

*) Nach dem Kriege wurde Quintus Jcilius (eigentlich Guichard
aus einer Refugiesfamilie) oft zur königlichen Tafel gezogen. Der König
fragte ihn einst über Tisch: "Was hat Er denn eigentlich mitgenommen,
als Er das Schloß des Grafen Brühl plünderte?" worauf Quintus
Jcilius replicirte: "Das müssen Ew. Majestät am besten wissen, wir
haben ja getheilt
."

Tiſch, ob Schloß Hubertsburg ausgeplündert ſei? „Nein“, erwie-
derte der Oberſt. Eine andere halbe Woche verging und der König
wiederholte ſeine Frage, worauf dieſelbe lakoniſche Antwort erfolgte.
„Warum nicht?“ fuhr der König auf. — „Weil ſich dieß allen-
falls für Offiziere eines Freibataillons ſchicken würde, nicht aber
für den Commandeur von Seiner Majeſtät Gendarmes.“ Der
entrüſtete König ſtand von der Tafel auf und ſchenkte das Mobi-
liar des Schloſſes dem Oberſten Quintus Jcilius,*) der bald
darauf alles rein ausplünderte.

Bei allen Revuen nach dem Frieden war nun der König immer
höchſt unzufrieden, andere Offiziere wurden dem tapfern Gendarmen-
Oberſten vorgezogen und Marwitz forderte ſeinen Abſchied. Der
König verweigerte ihn. Neue Kränkungen blieben indeß nicht aus
und Marwitz kam abermals um ſeine Entlaſſung ein. Keine Ant-
wort. Da that Johann Friedrich Adolf keinen Dienſt mehr und
blieb ein ganzes Jahr lang zu Hauſe. Nun lenkte der König ein
und verſprach ihm das nächſte vacante Regiment; aber vergeblich.
Er ließ antworten: er habe ſo gedient, daß er ſich kein passe
droit
brauche gefallen zu laſſen; was geſchehen ſei, ſei geſchehen,
und könne kein König mehr ungeſchehen machen. Zugleich forderte
er zum drittenmal ſeinen Abſchied und erhielt ihn nun (1769).

Er war damals erſt 46 Jahre alt. Das Ende ſeines Lebens
entſprach nicht dem ruhmreichen Anfang. Aller regelnden Thätig-
keit überhoben und jener wohlthätigen Disciplin, die der „Dienſt“
auf die Kräfte und Leidenſchaften ſtarker Naturen ausübt, verfiel
er einem glänzenden Müſſiggange, den er nunmehr mit derſelben
Conſequenz und Energie wie früher ſeine ſoldatiſchen Tugenden
durchführte. Den größten Theil des Tages verbrachte er beim

*) Nach dem Kriege wurde Quintus Jcilius (eigentlich Guichard
aus einer Refugiésfamilie) oft zur königlichen Tafel gezogen. Der König
fragte ihn einſt über Tiſch: „Was hat Er denn eigentlich mitgenommen,
als Er das Schloß des Grafen Brühl plünderte?“ worauf Quintus
Jcilius replicirte: „Das müſſen Ew. Majeſtät am beſten wiſſen, wir
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[354/0366] Tiſch, ob Schloß Hubertsburg ausgeplündert ſei? „Nein“, erwie- derte der Oberſt. Eine andere halbe Woche verging und der König wiederholte ſeine Frage, worauf dieſelbe lakoniſche Antwort erfolgte. „Warum nicht?“ fuhr der König auf. — „Weil ſich dieß allen- falls für Offiziere eines Freibataillons ſchicken würde, nicht aber für den Commandeur von Seiner Majeſtät Gendarmes.“ Der entrüſtete König ſtand von der Tafel auf und ſchenkte das Mobi- liar des Schloſſes dem Oberſten Quintus Jcilius, *) der bald darauf alles rein ausplünderte. Bei allen Revuen nach dem Frieden war nun der König immer höchſt unzufrieden, andere Offiziere wurden dem tapfern Gendarmen- Oberſten vorgezogen und Marwitz forderte ſeinen Abſchied. Der König verweigerte ihn. Neue Kränkungen blieben indeß nicht aus und Marwitz kam abermals um ſeine Entlaſſung ein. Keine Ant- wort. Da that Johann Friedrich Adolf keinen Dienſt mehr und blieb ein ganzes Jahr lang zu Hauſe. Nun lenkte der König ein und verſprach ihm das nächſte vacante Regiment; aber vergeblich. Er ließ antworten: er habe ſo gedient, daß er ſich kein passe droit brauche gefallen zu laſſen; was geſchehen ſei, ſei geſchehen, und könne kein König mehr ungeſchehen machen. Zugleich forderte er zum drittenmal ſeinen Abſchied und erhielt ihn nun (1769). Er war damals erſt 46 Jahre alt. Das Ende ſeines Lebens entſprach nicht dem ruhmreichen Anfang. Aller regelnden Thätig- keit überhoben und jener wohlthätigen Disciplin, die der „Dienſt“ auf die Kräfte und Leidenſchaften ſtarker Naturen ausübt, verfiel er einem glänzenden Müſſiggange, den er nunmehr mit derſelben Conſequenz und Energie wie früher ſeine ſoldatiſchen Tugenden durchführte. Den größten Theil des Tages verbrachte er beim *) Nach dem Kriege wurde Quintus Jcilius (eigentlich Guichard aus einer Refugiésfamilie) oft zur königlichen Tafel gezogen. Der König fragte ihn einſt über Tiſch: „Was hat Er denn eigentlich mitgenommen, als Er das Schloß des Grafen Brühl plünderte?“ worauf Quintus Jcilius replicirte: „Das müſſen Ew. Majeſtät am beſten wiſſen, wir haben ja getheilt.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/366>, abgerufen am 29.04.2024.