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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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auch die Staffelei, auf der diese Bilder gemalt wurden. Daneben
steht ein schwerer Eichentisch und um den Tisch herum eine An-
zahl schwerer Holzstühle, nach Art unserer jetzigen Gartenstühle.
Alles höchst solid gearbeitet, besonders der Tisch, der wie auf
Pfeilern ruht.

Wir durchschritten auch den Rest der Zimmer; sie waren im
Erdgeschoß, wie oben im ersten Stock, groß, öde, weiß; dazu hohe
Fenster und hohe Kamine. Sie hatten nur ein charakteristisches
Zeichen, und dieses Zeichen mehrte unser Grauen. In jedem Zim-
mer lag ein todter Vogel, in manchen auch zwei. In Sturm-
nächten hatten sie Schutz gesucht in den Rauchfängen, und tiefer
nach unten steigend, waren sie in das Zimmer wie in eine Vogel-
falle hinein gerathen. Vergebens einen Ausweg suchend, hin und
her flatternd in dem weiten Gefängniß, waren sie verhungert.



Spät am Abend, die Sterne waren längst am Himmel,
mahlte unser Fuhrwerk wieder durch den Sand den öden Weg
nach der Stadt zurück. Es war kühl geworden und der Sternen-
himmel gab auch dieser Oede einen poetischen Schimmer. Ich sah
hinauf und freute mich der Klarheit, des Glanzes; doch in die
heitern Bilder, die ich wachzurufen trachtete, drängte sich immer
wieder das Bild von Schloß Cossenblatt hinein. Die weißen
Wände starrten mich an, ich hörte das gespenstische Thürenklappen
und in dem letzten Zimmer des linken Flügels flog ein Vögelchen
hin und her und stieß mit dem Kopf gegen die Scheiben; sein
Zirpen klang wie Hülferuf. Aber im selben Augenblick war alles
hin, der Schloßhof stand in Flammen und unsichtbare Hände
trugen das Schloß ab und warfen es in das Feuer.



auch die Staffelei, auf der dieſe Bilder gemalt wurden. Daneben
ſteht ein ſchwerer Eichentiſch und um den Tiſch herum eine An-
zahl ſchwerer Holzſtühle, nach Art unſerer jetzigen Gartenſtühle.
Alles höchſt ſolid gearbeitet, beſonders der Tiſch, der wie auf
Pfeilern ruht.

Wir durchſchritten auch den Reſt der Zimmer; ſie waren im
Erdgeſchoß, wie oben im erſten Stock, groß, öde, weiß; dazu hohe
Fenſter und hohe Kamine. Sie hatten nur ein charakteriſtiſches
Zeichen, und dieſes Zeichen mehrte unſer Grauen. In jedem Zim-
mer lag ein todter Vogel, in manchen auch zwei. In Sturm-
nächten hatten ſie Schutz geſucht in den Rauchfängen, und tiefer
nach unten ſteigend, waren ſie in das Zimmer wie in eine Vogel-
falle hinein gerathen. Vergebens einen Ausweg ſuchend, hin und
her flatternd in dem weiten Gefängniß, waren ſie verhungert.



Spät am Abend, die Sterne waren längſt am Himmel,
mahlte unſer Fuhrwerk wieder durch den Sand den öden Weg
nach der Stadt zurück. Es war kühl geworden und der Sternen-
himmel gab auch dieſer Oede einen poetiſchen Schimmer. Ich ſah
hinauf und freute mich der Klarheit, des Glanzes; doch in die
heitern Bilder, die ich wachzurufen trachtete, drängte ſich immer
wieder das Bild von Schloß Coſſenblatt hinein. Die weißen
Wände ſtarrten mich an, ich hörte das geſpenſtiſche Thürenklappen
und in dem letzten Zimmer des linken Flügels flog ein Vögelchen
hin und her und ſtieß mit dem Kopf gegen die Scheiben; ſein
Zirpen klang wie Hülferuf. Aber im ſelben Augenblick war alles
hin, der Schloßhof ſtand in Flammen und unſichtbare Hände
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[117/0129] auch die Staffelei, auf der dieſe Bilder gemalt wurden. Daneben ſteht ein ſchwerer Eichentiſch und um den Tiſch herum eine An- zahl ſchwerer Holzſtühle, nach Art unſerer jetzigen Gartenſtühle. Alles höchſt ſolid gearbeitet, beſonders der Tiſch, der wie auf Pfeilern ruht. Wir durchſchritten auch den Reſt der Zimmer; ſie waren im Erdgeſchoß, wie oben im erſten Stock, groß, öde, weiß; dazu hohe Fenſter und hohe Kamine. Sie hatten nur ein charakteriſtiſches Zeichen, und dieſes Zeichen mehrte unſer Grauen. In jedem Zim- mer lag ein todter Vogel, in manchen auch zwei. In Sturm- nächten hatten ſie Schutz geſucht in den Rauchfängen, und tiefer nach unten ſteigend, waren ſie in das Zimmer wie in eine Vogel- falle hinein gerathen. Vergebens einen Ausweg ſuchend, hin und her flatternd in dem weiten Gefängniß, waren ſie verhungert. Spät am Abend, die Sterne waren längſt am Himmel, mahlte unſer Fuhrwerk wieder durch den Sand den öden Weg nach der Stadt zurück. Es war kühl geworden und der Sternen- himmel gab auch dieſer Oede einen poetiſchen Schimmer. Ich ſah hinauf und freute mich der Klarheit, des Glanzes; doch in die heitern Bilder, die ich wachzurufen trachtete, drängte ſich immer wieder das Bild von Schloß Coſſenblatt hinein. Die weißen Wände ſtarrten mich an, ich hörte das geſpenſtiſche Thürenklappen und in dem letzten Zimmer des linken Flügels flog ein Vögelchen hin und her und ſtieß mit dem Kopf gegen die Scheiben; ſein Zirpen klang wie Hülferuf. Aber im ſelben Augenblick war alles hin, der Schloßhof ſtand in Flammen und unſichtbare Hände trugen das Schloß ab und warfen es in das Feuer.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/129>, abgerufen am 29.04.2024.