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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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verwahrlost, er gab ihm einen neuen Geist, und dieser Geist war
es, der sich sieben Jahre später ruhmreich in jenen kleinen Käm-
pfen bewährte, die einem ruhmlosen Großkampf folgten. Bei Al-
tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am
26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb-
übergang des Blücher'schen Corps zu decken hatten. Sie thaten
es mit Ruhm und Geschick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit-
tenwalde zurück; York selbst nur auf wenige Tage (im Januar
1807),*) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo
damals allein noch Preußen war, -- nach Königsberg. Die Mit-
tenwaldner aber waren stolz auf ihren York, und als nach schwe-
ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge-
wehr und Lanze griff und "Landwehr" wurde, da griffen die
Mittenwaldner zur Büchse und wurden -- Jäger. Wenigstens
deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na-
men der Gefallenen, fast ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J.
und G.-J., d. h. also Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde-
Jäger tragen.

Das Haus, das Major von York bewohnte, existirt noch.
Es ist jetzt ein Gasthaus, in der Hauptstraße der Stadt gelegen,
und führt, wie billig, den Namen "Hotel York." Ueber der
Hausthür befindet sich eine Nische und an derselben Stelle, wo
sonst wohl ein "Mohr" oder ein "Engel" zu stehen pflegt, steht
hier eine Büste des alten York. Auch in den Zimmern findet sich
sein Bild. Die Lokalität ist im Großen und Ganzen noch ganz
dieselbe wie sie vor 60 Jahren war: hinter dem Hause ein Hof
und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von
Stall- und Wirthschaftsgebäuden umstellt, an denen sich malerisch
die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent-
lang ziehen. Im Innern des Hauses hat sich natürlich viel ver-

*) Droysen erzählt: "Als York in das Zimmer trat, ward er von
seiner Frau, seinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im
Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und sank dann todt hin".

verwahrloſt, er gab ihm einen neuen Geiſt, und dieſer Geiſt war
es, der ſich ſieben Jahre ſpäter ruhmreich in jenen kleinen Käm-
pfen bewährte, die einem ruhmloſen Großkampf folgten. Bei Al-
tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am
26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb-
übergang des Blücher’ſchen Corps zu decken hatten. Sie thaten
es mit Ruhm und Geſchick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit-
tenwalde zurück; York ſelbſt nur auf wenige Tage (im Januar
1807),*) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo
damals allein noch Preußen war, — nach Königsberg. Die Mit-
tenwaldner aber waren ſtolz auf ihren York, und als nach ſchwe-
ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge-
wehr und Lanze griff und „Landwehr“ wurde, da griffen die
Mittenwaldner zur Büchſe und wurden — Jäger. Wenigſtens
deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na-
men der Gefallenen, faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J.
und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde-
Jäger tragen.

Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch.
Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen,
und führt, wie billig, den Namen „Hotel York.“ Ueber der
Hausthür befindet ſich eine Niſche und an derſelben Stelle, wo
ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht
hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich
ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch ganz
dieſelbe wie ſie vor 60 Jahren war: hinter dem Hauſe ein Hof
und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von
Stall- und Wirthſchaftsgebäuden umſtellt, an denen ſich maleriſch
die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent-
lang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel ver-

*) Droyſen erzählt: „Als York in das Zimmer trat, ward er von
ſeiner Frau, ſeinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im
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[155/0167] verwahrloſt, er gab ihm einen neuen Geiſt, und dieſer Geiſt war es, der ſich ſieben Jahre ſpäter ruhmreich in jenen kleinen Käm- pfen bewährte, die einem ruhmloſen Großkampf folgten. Bei Al- tenzaun, dreiviertel Meile oberhalb der Sandauer Fähre, am 26. October, waren es die Mittenwaldner Jäger, die den Elb- übergang des Blücher’ſchen Corps zu decken hatten. Sie thaten es mit Ruhm und Geſchick. Die Jäger kehrten nicht nach Mit- tenwalde zurück; York ſelbſt nur auf wenige Tage (im Januar 1807), *) dann rief ihn die Noth des Vaterlandes dorthin, wo damals allein noch Preußen war, — nach Königsberg. Die Mit- tenwaldner aber waren ſtolz auf ihren York, und als nach ſchwe- ren Jahren der Erniedrigung alles Volk in Preußenland zu Ge- wehr und Lanze griff und „Landwehr“ wurde, da griffen die Mittenwaldner zur Büchſe und wurden — Jäger. Wenigſtens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Na- men der Gefallenen, faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde- Jäger tragen. Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch. Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen, und führt, wie billig, den Namen „Hotel York.“ Ueber der Hausthür befindet ſich eine Niſche und an derſelben Stelle, wo ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch ganz dieſelbe wie ſie vor 60 Jahren war: hinter dem Hauſe ein Hof und hinter dem Hof ein Garten, beide, Hof und Garten, von Stall- und Wirthſchaftsgebäuden umſtellt, an denen ſich maleriſch die Treppen und Stiegen im Zickzack an den Außenwänden ent- lang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel ver- *) Droyſen erzählt: „Als York in das Zimmer trat, ward er von ſeiner Frau, ſeinen Kindern nicht wieder erkannt. Aber das Vögelchen im Käfig flatterte wie vor Freuden hoch auf und ſank dann todt hin“.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/167>, abgerufen am 27.04.2024.