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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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witz, der Sohn des General-Lieutenants von Lestwitz*) war,
den wegen der unglücklichen Capitulation von Breslau (1757)
die Ungnade des Königs und die ganze Schwere der Militair-
gesetze betroffen hatte.

Es glückte Lestwitzen in der That, aus den Zersprengten
drei Bataillone zu bilden, zu denen sich nun die vier noch intakt
gebliebenen Bataillone des Regiments Schenkendorf gesellten. Diese
sieben Bataillone waren es, die, als spät am Abend Zieten die
Süptitzer Höhen in der Front attackirte, diesen Frontangriff durch
einen Flanken-Angriff unterstützten und dadurch den Tag ent-
schieden.

Der König schrieb (vielleicht nicht ohne eine gewisse Ungerech-
tigkeit gegen Zieten, den er übrigens andern Tags unter Thrä-
nen umarmte) den Erfolg dieses Gefechtes, nächst dem Major von
Lestwitz,
dem Regimente Schenkendorf zu. Er vergaß auch Lest-
witzen nicht
. Unmittelbar nach dem Kriege, wie wir bereits ge-
sehen haben, erhielt dieser Amt Friedland, also die Hälfte des ehe-
mals Markgraf Karl'schen Besitzes, und der König, wie um zu
zeigen, daß Prittwitz und Lestwitz seinem Herzen gleich nahe
ständen, verfuhr bei der Theilung mit solcher Gewissenhaftigkeit,

*) Der Vater (von dem es heißt, daß er an militairischen Gaben den
Sohn überragte) war durch die Capitulation von Breslau (1757) in Un-
gnade gefallen und wurde durch den erzürnten König auf die Festung ge-
schickt. Er verblieb indessen, vielleicht mit Rücksicht auf sein hohes Alter
(er war bereits 70), nur kurze Zeit in eigentlicher Haft und erhielt von
da ab bloßen Stadtarrest. Er durfte nunmehr in Berlin leben, war
aber durch Ehrenwort verpflichtet, nie das Stadtviertel zu verlassen, das
durch die Koch- und Zimmerstraße gebildet wird. Hier starb er auch (1767)
Nur einmal erhielt er Urlaub. Als sein Sohn, der spätre General-
major, zum ersten Male nach Amt-Friedland reiste, um von dem schönen
Gute Besitz zu nehmen, durfte ihm der alte Lestwitz dahin folgen, um
Zeuge von dem Glück seines Sohnes zu sein. Der König, der ein Inter-
esse an diesem Ereigniß nahm, hatte ihm eigens zwei Adjutanten mitge-
geben, damit der Alte, an diesem Ehrentage seines Sohnes, auch seiner-
seits in allen Ehren eines General-Lieutenants erscheinen könne. Anderen
Tages kehrte der 76jährige Herr nach Berlin zurück und trat wieder seinen
"Stadtarrest zwischen Koch- und Zimmerstraße" an.

witz, der Sohn des General-Lieutenants von Leſtwitz*) war,
den wegen der unglücklichen Capitulation von Breslau (1757)
die Ungnade des Königs und die ganze Schwere der Militair-
geſetze betroffen hatte.

Es glückte Leſtwitzen in der That, aus den Zerſprengten
drei Bataillone zu bilden, zu denen ſich nun die vier noch intakt
gebliebenen Bataillone des Regiments Schenkendorf geſellten. Dieſe
ſieben Bataillone waren es, die, als ſpät am Abend Zieten die
Süptitzer Höhen in der Front attackirte, dieſen Frontangriff durch
einen Flanken-Angriff unterſtützten und dadurch den Tag ent-
ſchieden.

Der König ſchrieb (vielleicht nicht ohne eine gewiſſe Ungerech-
tigkeit gegen Zieten, den er übrigens andern Tags unter Thrä-
nen umarmte) den Erfolg dieſes Gefechtes, nächſt dem Major von
Leſtwitz,
dem Regimente Schenkendorf zu. Er vergaß auch Leſt-
witzen nicht
. Unmittelbar nach dem Kriege, wie wir bereits ge-
ſehen haben, erhielt dieſer Amt Friedland, alſo die Hälfte des ehe-
mals Markgraf Karl’ſchen Beſitzes, und der König, wie um zu
zeigen, daß Prittwitz und Leſtwitz ſeinem Herzen gleich nahe
ſtänden, verfuhr bei der Theilung mit ſolcher Gewiſſenhaftigkeit,

*) Der Vater (von dem es heißt, daß er an militairiſchen Gaben den
Sohn überragte) war durch die Capitulation von Breslau (1757) in Un-
gnade gefallen und wurde durch den erzürnten König auf die Feſtung ge-
ſchickt. Er verblieb indeſſen, vielleicht mit Rückſicht auf ſein hohes Alter
(er war bereits 70), nur kurze Zeit in eigentlicher Haft und erhielt von
da ab bloßen Stadtarreſt. Er durfte nunmehr in Berlin leben, war
aber durch Ehrenwort verpflichtet, nie das Stadtviertel zu verlaſſen, das
durch die Koch- und Zimmerſtraße gebildet wird. Hier ſtarb er auch (1767)
Nur einmal erhielt er Urlaub. Als ſein Sohn, der ſpätre General-
major, zum erſten Male nach Amt-Friedland reiſte, um von dem ſchönen
Gute Beſitz zu nehmen, durfte ihm der alte Leſtwitz dahin folgen, um
Zeuge von dem Glück ſeines Sohnes zu ſein. Der König, der ein Inter-
eſſe an dieſem Ereigniß nahm, hatte ihm eigens zwei Adjutanten mitge-
geben, damit der Alte, an dieſem Ehrentage ſeines Sohnes, auch ſeiner-
ſeits in allen Ehren eines General-Lieutenants erſcheinen könne. Anderen
Tages kehrte der 76jährige Herr nach Berlin zurück und trat wieder ſeinen
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[455/0467] witz, der Sohn des General-Lieutenants von Leſtwitz *) war, den wegen der unglücklichen Capitulation von Breslau (1757) die Ungnade des Königs und die ganze Schwere der Militair- geſetze betroffen hatte. Es glückte Leſtwitzen in der That, aus den Zerſprengten drei Bataillone zu bilden, zu denen ſich nun die vier noch intakt gebliebenen Bataillone des Regiments Schenkendorf geſellten. Dieſe ſieben Bataillone waren es, die, als ſpät am Abend Zieten die Süptitzer Höhen in der Front attackirte, dieſen Frontangriff durch einen Flanken-Angriff unterſtützten und dadurch den Tag ent- ſchieden. Der König ſchrieb (vielleicht nicht ohne eine gewiſſe Ungerech- tigkeit gegen Zieten, den er übrigens andern Tags unter Thrä- nen umarmte) den Erfolg dieſes Gefechtes, nächſt dem Major von Leſtwitz, dem Regimente Schenkendorf zu. Er vergaß auch Leſt- witzen nicht. Unmittelbar nach dem Kriege, wie wir bereits ge- ſehen haben, erhielt dieſer Amt Friedland, alſo die Hälfte des ehe- mals Markgraf Karl’ſchen Beſitzes, und der König, wie um zu zeigen, daß Prittwitz und Leſtwitz ſeinem Herzen gleich nahe ſtänden, verfuhr bei der Theilung mit ſolcher Gewiſſenhaftigkeit, *) Der Vater (von dem es heißt, daß er an militairiſchen Gaben den Sohn überragte) war durch die Capitulation von Breslau (1757) in Un- gnade gefallen und wurde durch den erzürnten König auf die Feſtung ge- ſchickt. Er verblieb indeſſen, vielleicht mit Rückſicht auf ſein hohes Alter (er war bereits 70), nur kurze Zeit in eigentlicher Haft und erhielt von da ab bloßen Stadtarreſt. Er durfte nunmehr in Berlin leben, war aber durch Ehrenwort verpflichtet, nie das Stadtviertel zu verlaſſen, das durch die Koch- und Zimmerſtraße gebildet wird. Hier ſtarb er auch (1767) Nur einmal erhielt er Urlaub. Als ſein Sohn, der ſpätre General- major, zum erſten Male nach Amt-Friedland reiſte, um von dem ſchönen Gute Beſitz zu nehmen, durfte ihm der alte Leſtwitz dahin folgen, um Zeuge von dem Glück ſeines Sohnes zu ſein. Der König, der ein Inter- eſſe an dieſem Ereigniß nahm, hatte ihm eigens zwei Adjutanten mitge- geben, damit der Alte, an dieſem Ehrentage ſeines Sohnes, auch ſeiner- ſeits in allen Ehren eines General-Lieutenants erſcheinen könne. Anderen Tages kehrte der 76jährige Herr nach Berlin zurück und trat wieder ſeinen „Stadtarreſt zwiſchen Koch- und Zimmerſtraße“ an.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/467>, abgerufen am 29.04.2024.