Jesu geh voran Auf der Lebensbahn, Und wir wollen nicht verweilen Dir getreulich nachzueilen. Führ' uns an der Hand Bis in's Vaterland.
Eine Pause trat ein, und erst als Käthner Post uns gemustert und sich über unsere Theilnahme vergewissert hatte, gab er aufs Neue das Zeichen und sang nun selber mit:
Solls uns hart ergehn Laß uns feste stehn, Und auch in den schwersten Tagen Niemals über Lasten klagen, Denn durch Trübsal hier Geht der Weg zu Dir.
Rühret eigner Schmerz Irgend unser Herz, Kümmert uns ein fremdes Leiden, O so gieb Geduld zu beiden, Richte unsren Sinn Auf das Ende hin.
Ordne unsren Gang, Jesu, lebenslang; Führst Du uns durch rauhe Wege, Gieb uns auch die nöthge Pflege, Thu uns nach dem Lauf Deine Thüre auf.
Das Lied hätte die doppelte Zahl von Strophen haben können, wir wären willig gefolgt. Es hatte jeden von uns ergriffen, am meisten den Nestor unseres Kreises, der fast verlegen vor sich niedersah und auf unsere wiederholte Frage nach dem "warum" endlich antwortete: "Sie sind alle bewegt durch das Lied. Ich bin es doppelt und muß es sein. Daß Ihnen dieses Lied hier begegnet, ist zu bescheidenem Theile mein Verdienst. Es sind jetzt gerade fünf Jahre, daß ich auf einer ähnlichen Reise, wie diese, in eine Dorfschule trat und das schöne Zinzendorf'sche Lied in jener rythmischen Form singen hörte, darin Sie's eben vernommen haben. In dieser Form wirkte das längst Bekannte wie neu auf mich und riß mich nicht nur fort durch seine Kraft und Innig-
Jeſu geh voran Auf der Lebensbahn, Und wir wollen nicht verweilen Dir getreulich nachzueilen. Führ’ uns an der Hand Bis in’s Vaterland.
Eine Pauſe trat ein, und erſt als Käthner Poſt uns gemuſtert und ſich über unſere Theilnahme vergewiſſert hatte, gab er aufs Neue das Zeichen und ſang nun ſelber mit:
Solls uns hart ergehn Laß uns feſte ſtehn, Und auch in den ſchwerſten Tagen Niemals über Laſten klagen, Denn durch Trübſal hier Geht der Weg zu Dir.
Rühret eigner Schmerz Irgend unſer Herz, Kümmert uns ein fremdes Leiden, O ſo gieb Geduld zu beiden, Richte unſren Sinn Auf das Ende hin.
Ordne unſren Gang, Jeſu, lebenslang; Führſt Du uns durch rauhe Wege, Gieb uns auch die nöthge Pflege, Thu uns nach dem Lauf Deine Thüre auf.
Das Lied hätte die doppelte Zahl von Strophen haben können, wir wären willig gefolgt. Es hatte jeden von uns ergriffen, am meiſten den Neſtor unſeres Kreiſes, der faſt verlegen vor ſich niederſah und auf unſere wiederholte Frage nach dem „warum“ endlich antwortete: „Sie ſind alle bewegt durch das Lied. Ich bin es doppelt und muß es ſein. Daß Ihnen dieſes Lied hier begegnet, iſt zu beſcheidenem Theile mein Verdienſt. Es ſind jetzt gerade fünf Jahre, daß ich auf einer ähnlichen Reiſe, wie dieſe, in eine Dorfſchule trat und das ſchöne Zinzendorf’ſche Lied in jener rythmiſchen Form ſingen hörte, darin Sie’s eben vernommen haben. In dieſer Form wirkte das längſt Bekannte wie neu auf mich und riß mich nicht nur fort durch ſeine Kraft und Innig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0029"n="13"/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Jeſu geh voran</l><lb/><l>Auf der Lebensbahn,</l><lb/><l>Und wir wollen nicht verweilen</l><lb/><l>Dir getreulich nachzueilen.</l><lb/><l>Führ’ uns an der Hand</l><lb/><l>Bis in’s Vaterland.</l></lg></lg><lb/><p>Eine Pauſe trat ein, und erſt als Käthner Poſt uns gemuſtert<lb/>
und ſich über unſere Theilnahme vergewiſſert hatte, gab er aufs<lb/>
Neue das Zeichen und ſang nun ſelber mit:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Solls uns hart ergehn</l><lb/><l>Laß uns feſte ſtehn,</l><lb/><l>Und auch in den ſchwerſten Tagen</l><lb/><l>Niemals über Laſten klagen,</l><lb/><l>Denn durch Trübſal hier</l><lb/><l>Geht der Weg zu Dir.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Rühret eigner Schmerz</l><lb/><l>Irgend unſer Herz,</l><lb/><l>Kümmert uns ein fremdes Leiden,</l><lb/><l>O ſo gieb Geduld zu beiden,</l><lb/><l>Richte unſren Sinn</l><lb/><l>Auf das Ende hin.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Ordne unſren Gang,</l><lb/><l>Jeſu, lebenslang;</l><lb/><l>Führſt Du uns durch rauhe Wege,</l><lb/><l>Gieb uns auch die nöthge Pflege,</l><lb/><l>Thu uns nach dem Lauf</l><lb/><l>Deine Thüre auf.</l></lg></lg><lb/><p>Das Lied hätte die doppelte Zahl von Strophen haben können,<lb/>
wir wären willig gefolgt. Es hatte jeden von uns ergriffen, am<lb/>
meiſten den Neſtor unſeres Kreiſes, der faſt verlegen vor ſich<lb/>
niederſah und auf unſere wiederholte Frage nach dem „warum“<lb/>
endlich antwortete: „Sie ſind alle bewegt durch das Lied. Ich<lb/>
bin es doppelt und <hirendition="#g">muß</hi> es ſein. Daß Ihnen dieſes Lied hier<lb/>
begegnet, iſt zu beſcheidenem Theile mein Verdienſt. Es ſind jetzt<lb/>
gerade fünf Jahre, daß ich auf einer ähnlichen Reiſe, wie dieſe,<lb/>
in eine Dorfſchule trat und das ſchöne Zinzendorf’ſche Lied in<lb/>
jener rythmiſchen Form ſingen hörte, darin Sie’s eben vernommen<lb/>
haben. In dieſer Form wirkte das längſt Bekannte wie neu auf<lb/>
mich und riß mich nicht nur fort durch ſeine Kraft und Innig-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[13/0029]
Jeſu geh voran
Auf der Lebensbahn,
Und wir wollen nicht verweilen
Dir getreulich nachzueilen.
Führ’ uns an der Hand
Bis in’s Vaterland.
Eine Pauſe trat ein, und erſt als Käthner Poſt uns gemuſtert
und ſich über unſere Theilnahme vergewiſſert hatte, gab er aufs
Neue das Zeichen und ſang nun ſelber mit:
Solls uns hart ergehn
Laß uns feſte ſtehn,
Und auch in den ſchwerſten Tagen
Niemals über Laſten klagen,
Denn durch Trübſal hier
Geht der Weg zu Dir.
Rühret eigner Schmerz
Irgend unſer Herz,
Kümmert uns ein fremdes Leiden,
O ſo gieb Geduld zu beiden,
Richte unſren Sinn
Auf das Ende hin.
Ordne unſren Gang,
Jeſu, lebenslang;
Führſt Du uns durch rauhe Wege,
Gieb uns auch die nöthge Pflege,
Thu uns nach dem Lauf
Deine Thüre auf.
Das Lied hätte die doppelte Zahl von Strophen haben können,
wir wären willig gefolgt. Es hatte jeden von uns ergriffen, am
meiſten den Neſtor unſeres Kreiſes, der faſt verlegen vor ſich
niederſah und auf unſere wiederholte Frage nach dem „warum“
endlich antwortete: „Sie ſind alle bewegt durch das Lied. Ich
bin es doppelt und muß es ſein. Daß Ihnen dieſes Lied hier
begegnet, iſt zu beſcheidenem Theile mein Verdienſt. Es ſind jetzt
gerade fünf Jahre, daß ich auf einer ähnlichen Reiſe, wie dieſe,
in eine Dorfſchule trat und das ſchöne Zinzendorf’ſche Lied in
jener rythmiſchen Form ſingen hörte, darin Sie’s eben vernommen
haben. In dieſer Form wirkte das längſt Bekannte wie neu auf
mich und riß mich nicht nur fort durch ſeine Kraft und Innig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/29>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.