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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Schlosses entlang. Er war ganz in weiß und rothen Rosen ge-
borgen und seine Oberfenster geöffnet; Licht und Musik drangen
hell und einladend zu mir herüber. In schräger Richtung dahinter
standen Pappeln und hohe Baumgruppen und zwischen ihrem Laubwerk
wurd' ich des alten Schloßthurms ansichtig, "des Diebswinkels,
von einer Räuberbande erbaut." War es wirklich so arg mit
ihm? Er stand da, mondbeschienen, mit der friedlichsten Miene
von der Welt, eher an Idyll und goldene Zeit als an Fegfeuer
und Hölle gemahnend.

Es war noch nicht spät und der Weg nicht zwei Minuten
weit. So beschloß ich noch einen Abendbesuch zu machen und die
jetzt freilich von holdem Dämmer umwobene Wirklichkeit des
Schlosses mit der Beschreibung seiner ehemaligen Bewohnerin zu
vergleichen. Ich trat in den weiten Vorhof ein. Da lagen die
Flügel rechts und links, vor mir Brück' und Graben, und dahinter,
großentheils versteckt, das Schloß selbst. Die Bären fehlten, der
Springbrunnen auch. Keine Stufen zeigten sich mehr, auf denen
irgend wer seine Abendpfeife hätte rauchen können; nur ein weiße
Pumpe stand inmitten eines Fliederbosquets und nahm sich besser
aus, als Pumpen sonst wohl pflegen.

Ich näherte mich der Brücke, von der aus ich die Funda-
mente des Schlosses in dunklen Umrissen, die Giebel aber, auf die
das Mondlicht fiel, in scharfen Linien erkennen konnte. Was zwischen
Giebel und Grundmauer lag, blieb hinter Bäumen versteckt. Der
"Styx" existirte nicht mehr; halb zugeschüttet war aus dem Graben
ein breiter Streifen Wiesenland geworden. Allerlei blühende Kräuter
würzten die Luft und im Rücken des Schlosses, wo die Notte fließt,
hört' ich deutlich wie das Wasser des Flüßchens über ein Wehr fiel.

Ich kehrte nun in die Straße zurück und setzte mich unter
die Linden des Gasthauses. Das war keine "Hölle," was ich ge-
sehn, oder aber die Beleuchtung hatte Wunder gethan.

Der Wirth setzte sich zu mir, und angesichts des Schlosses
dessen Thurmdach uns argwöhnisch zu belauschen schien, plauderten
wir von Wusterhausen.

In alten wendischen Zeiten stand hier ein Dorf Namens
"Wustrow", eine hierlandes sich häufig findende Lokalbezeichnung.

Schloſſes entlang. Er war ganz in weiß und rothen Roſen ge-
borgen und ſeine Oberfenſter geöffnet; Licht und Muſik drangen
hell und einladend zu mir herüber. In ſchräger Richtung dahinter
ſtanden Pappeln und hohe Baumgruppen und zwiſchen ihrem Laubwerk
wurd’ ich des alten Schloßthurms anſichtig, „des Diebswinkels,
von einer Räuberbande erbaut.“ War es wirklich ſo arg mit
ihm? Er ſtand da, mondbeſchienen, mit der friedlichſten Miene
von der Welt, eher an Idyll und goldene Zeit als an Fegfeuer
und Hölle gemahnend.

Es war noch nicht ſpät und der Weg nicht zwei Minuten
weit. So beſchloß ich noch einen Abendbeſuch zu machen und die
jetzt freilich von holdem Dämmer umwobene Wirklichkeit des
Schloſſes mit der Beſchreibung ſeiner ehemaligen Bewohnerin zu
vergleichen. Ich trat in den weiten Vorhof ein. Da lagen die
Flügel rechts und links, vor mir Brück’ und Graben, und dahinter,
großentheils verſteckt, das Schloß ſelbſt. Die Bären fehlten, der
Springbrunnen auch. Keine Stufen zeigten ſich mehr, auf denen
irgend wer ſeine Abendpfeife hätte rauchen können; nur ein weiße
Pumpe ſtand inmitten eines Fliederbosquets und nahm ſich beſſer
aus, als Pumpen ſonſt wohl pflegen.

Ich näherte mich der Brücke, von der aus ich die Funda-
mente des Schloſſes in dunklen Umriſſen, die Giebel aber, auf die
das Mondlicht fiel, in ſcharfen Linien erkennen konnte. Was zwiſchen
Giebel und Grundmauer lag, blieb hinter Bäumen verſteckt. Der
„Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus dem Graben
ein breiter Streifen Wieſenland geworden. Allerlei blühende Kräuter
würzten die Luft und im Rücken des Schloſſes, wo die Notte fließt,
hört’ ich deutlich wie das Waſſer des Flüßchens über ein Wehr fiel.

Ich kehrte nun in die Straße zurück und ſetzte mich unter
die Linden des Gaſthauſes. Das war keine „Hölle,“ was ich ge-
ſehn, oder aber die Beleuchtung hatte Wunder gethan.

Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes
deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten
wir von Wuſterhauſen.

In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens
„Wuſtrow“, eine hierlandes ſich häufig findende Lokalbezeichnung.

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[254/0270] Schloſſes entlang. Er war ganz in weiß und rothen Roſen ge- borgen und ſeine Oberfenſter geöffnet; Licht und Muſik drangen hell und einladend zu mir herüber. In ſchräger Richtung dahinter ſtanden Pappeln und hohe Baumgruppen und zwiſchen ihrem Laubwerk wurd’ ich des alten Schloßthurms anſichtig, „des Diebswinkels, von einer Räuberbande erbaut.“ War es wirklich ſo arg mit ihm? Er ſtand da, mondbeſchienen, mit der friedlichſten Miene von der Welt, eher an Idyll und goldene Zeit als an Fegfeuer und Hölle gemahnend. Es war noch nicht ſpät und der Weg nicht zwei Minuten weit. So beſchloß ich noch einen Abendbeſuch zu machen und die jetzt freilich von holdem Dämmer umwobene Wirklichkeit des Schloſſes mit der Beſchreibung ſeiner ehemaligen Bewohnerin zu vergleichen. Ich trat in den weiten Vorhof ein. Da lagen die Flügel rechts und links, vor mir Brück’ und Graben, und dahinter, großentheils verſteckt, das Schloß ſelbſt. Die Bären fehlten, der Springbrunnen auch. Keine Stufen zeigten ſich mehr, auf denen irgend wer ſeine Abendpfeife hätte rauchen können; nur ein weiße Pumpe ſtand inmitten eines Fliederbosquets und nahm ſich beſſer aus, als Pumpen ſonſt wohl pflegen. Ich näherte mich der Brücke, von der aus ich die Funda- mente des Schloſſes in dunklen Umriſſen, die Giebel aber, auf die das Mondlicht fiel, in ſcharfen Linien erkennen konnte. Was zwiſchen Giebel und Grundmauer lag, blieb hinter Bäumen verſteckt. Der „Styx“ exiſtirte nicht mehr; halb zugeſchüttet war aus dem Graben ein breiter Streifen Wieſenland geworden. Allerlei blühende Kräuter würzten die Luft und im Rücken des Schloſſes, wo die Notte fließt, hört’ ich deutlich wie das Waſſer des Flüßchens über ein Wehr fiel. Ich kehrte nun in die Straße zurück und ſetzte mich unter die Linden des Gaſthauſes. Das war keine „Hölle,“ was ich ge- ſehn, oder aber die Beleuchtung hatte Wunder gethan. Der Wirth ſetzte ſich zu mir, und angeſichts des Schloſſes deſſen Thurmdach uns argwöhniſch zu belauſchen ſchien, plauderten wir von Wuſterhauſen. In alten wendiſchen Zeiten ſtand hier ein Dorf Namens „Wuſtrow“, eine hierlandes ſich häufig findende Lokalbezeichnung.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/270>, abgerufen am 27.04.2024.