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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Diesen bewerkstelligte sie geschickt und ging in guter Haltung,
wenn auch unter erheblichen Verlusten, auf die Genshagensche
Haide zurück.

Hiermit war die Wiedereroberung Groß-Beerens ausgeführt.
Allerdings, da von den neun Divisionen der Oudinot'schen Armee
nur drei wirklich engagirt gewesen waren, lag es in der Möglich-
keit unsern Erfolg wieder bestritten zu sehen, und in der That
wurde der Versuch dazu gemacht, als bei Dunkelwerden die Spitze
des noch vollkommen intakten 12. Corps in verhältnißmäßiger
Nähe des Schlachtfeldes erschien. Aber auch dieser Versuch, an
dem sich namentlich Kavallerie betheiligte, schlug fehl, und um
9 Uhr schwieg das Gefecht.*) Unbehelligt gingen alle drei Divi-
sionen vom Corps Reynier auf Löwenbruch und Wietstock, die
Corps Bertrand und Oudinot aber auf Saalow und Trebbin
zurück.

Der erste Versuch Napoleon's, sich Berlins zu bemächtigen,
-- der zweite führte zur Schlacht bei Dennewitz, -- war gescheitert
und hatte dem Corps Reynier, insonderheit den beiden sächsischen
Divisionen, einen starken Verlust bereitet. Allein diese letztge-
nannten verloren 28 Offiziere und 2096 Mann an Todten, Ver-
wundeten und Gefangenen. 14 Kanonen und 52 Munitions-

*) Ueber dies abendliche Kavalleriegefecht find' ich das Folgende: "Der
Marschall Oudinot, als er mit dem 12. Corps von Trebbin her in Ahrens-
dorf eingetroffen war, schickte die leichte Kavallerie-Division Fournier vor, um
Reynier, von dessen Rückzug er noch keine Kenntniß hatte, zu souteniren.
Diese Division Fournier stieß in der Dunkelheit auf das bei Neu-Beeren
stehende Leibhusaren-Regiment, das sich nunmehr seinerseits ohne Weiteres auf
die Vorhut ebengenannter Division stürzte. Diese, völlig überrascht und
unkundig des Weges, wurde von den Husaren immer am Waldrande hin, auf
Groß-Beeren zu getrieben. Aber den Husaren folgte wieder das Gros der
französischen Kavallerie-Division, und so ging es in wilder Jagd in den bunten
Haufen der am Windmühlenberge stehenden Bataillone hinein. An dieser
Stelle schloß sich ein diesseitiges Ulanen-Regiment und den Ulanen wiederum
eine Husaren-Abtheilung an, die sammt und sonders die Hetze mitmachten,
ohne zu wissen, wem es galt und wohin es ging. Oberstlieutenant v. Zastrow
und Major v. Reckow wurden umgeritten, und als letzterer am Boden lag,
schrie nachstürmende Landwehr-Kavallerie: "schlagt ihn todt". Er war für
einen Fronzosen gehalten worden, und nur die Dazwischenkunft des Majors
Friccius entriß ihn der Gefahr und rettete sein Leben."

Dieſen bewerkſtelligte ſie geſchickt und ging in guter Haltung,
wenn auch unter erheblichen Verluſten, auf die Genshagenſche
Haide zurück.

Hiermit war die Wiedereroberung Groß-Beerens ausgeführt.
Allerdings, da von den neun Diviſionen der Oudinot’ſchen Armee
nur drei wirklich engagirt geweſen waren, lag es in der Möglich-
keit unſern Erfolg wieder beſtritten zu ſehen, und in der That
wurde der Verſuch dazu gemacht, als bei Dunkelwerden die Spitze
des noch vollkommen intakten 12. Corps in verhältnißmäßiger
Nähe des Schlachtfeldes erſchien. Aber auch dieſer Verſuch, an
dem ſich namentlich Kavallerie betheiligte, ſchlug fehl, und um
9 Uhr ſchwieg das Gefecht.*) Unbehelligt gingen alle drei Divi-
ſionen vom Corps Reynier auf Löwenbruch und Wietſtock, die
Corps Bertrand und Oudinot aber auf Saalow und Trebbin
zurück.

Der erſte Verſuch Napoleon’s, ſich Berlins zu bemächtigen,
— der zweite führte zur Schlacht bei Dennewitz, — war geſcheitert
und hatte dem Corps Reynier, inſonderheit den beiden ſächſiſchen
Diviſionen, einen ſtarken Verluſt bereitet. Allein dieſe letztge-
nannten verloren 28 Offiziere und 2096 Mann an Todten, Ver-
wundeten und Gefangenen. 14 Kanonen und 52 Munitions-

*) Ueber dies abendliche Kavalleriegefecht find’ ich das Folgende: „Der
Marſchall Oudinot, als er mit dem 12. Corps von Trebbin her in Ahrens-
dorf eingetroffen war, ſchickte die leichte Kavallerie-Diviſion Fournier vor, um
Reynier, von deſſen Rückzug er noch keine Kenntniß hatte, zu ſouteniren.
Dieſe Diviſion Fournier ſtieß in der Dunkelheit auf das bei Neu-Beeren
ſtehende Leibhuſaren-Regiment, das ſich nunmehr ſeinerſeits ohne Weiteres auf
die Vorhut ebengenannter Diviſion ſtürzte. Dieſe, völlig überraſcht und
unkundig des Weges, wurde von den Huſaren immer am Waldrande hin, auf
Groß-Beeren zu getrieben. Aber den Huſaren folgte wieder das Gros der
franzöſiſchen Kavallerie-Diviſion, und ſo ging es in wilder Jagd in den bunten
Haufen der am Windmühlenberge ſtehenden Bataillone hinein. An dieſer
Stelle ſchloß ſich ein dieſſeitiges Ulanen-Regiment und den Ulanen wiederum
eine Huſaren-Abtheilung an, die ſammt und ſonders die Hetze mitmachten,
ohne zu wiſſen, wem es galt und wohin es ging. Oberſtlieutenant v. Zaſtrow
und Major v. Reckow wurden umgeritten, und als letzterer am Boden lag,
ſchrie nachſtürmende Landwehr-Kavallerie: „ſchlagt ihn todt“. Er war für
einen Fronzoſen gehalten worden, und nur die Dazwiſchenkunft des Majors
Friccius entriß ihn der Gefahr und rettete ſein Leben.“
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[299/0315] Dieſen bewerkſtelligte ſie geſchickt und ging in guter Haltung, wenn auch unter erheblichen Verluſten, auf die Genshagenſche Haide zurück. Hiermit war die Wiedereroberung Groß-Beerens ausgeführt. Allerdings, da von den neun Diviſionen der Oudinot’ſchen Armee nur drei wirklich engagirt geweſen waren, lag es in der Möglich- keit unſern Erfolg wieder beſtritten zu ſehen, und in der That wurde der Verſuch dazu gemacht, als bei Dunkelwerden die Spitze des noch vollkommen intakten 12. Corps in verhältnißmäßiger Nähe des Schlachtfeldes erſchien. Aber auch dieſer Verſuch, an dem ſich namentlich Kavallerie betheiligte, ſchlug fehl, und um 9 Uhr ſchwieg das Gefecht. *) Unbehelligt gingen alle drei Divi- ſionen vom Corps Reynier auf Löwenbruch und Wietſtock, die Corps Bertrand und Oudinot aber auf Saalow und Trebbin zurück. Der erſte Verſuch Napoleon’s, ſich Berlins zu bemächtigen, — der zweite führte zur Schlacht bei Dennewitz, — war geſcheitert und hatte dem Corps Reynier, inſonderheit den beiden ſächſiſchen Diviſionen, einen ſtarken Verluſt bereitet. Allein dieſe letztge- nannten verloren 28 Offiziere und 2096 Mann an Todten, Ver- wundeten und Gefangenen. 14 Kanonen und 52 Munitions- *) Ueber dies abendliche Kavalleriegefecht find’ ich das Folgende: „Der Marſchall Oudinot, als er mit dem 12. Corps von Trebbin her in Ahrens- dorf eingetroffen war, ſchickte die leichte Kavallerie-Diviſion Fournier vor, um Reynier, von deſſen Rückzug er noch keine Kenntniß hatte, zu ſouteniren. Dieſe Diviſion Fournier ſtieß in der Dunkelheit auf das bei Neu-Beeren ſtehende Leibhuſaren-Regiment, das ſich nunmehr ſeinerſeits ohne Weiteres auf die Vorhut ebengenannter Diviſion ſtürzte. Dieſe, völlig überraſcht und unkundig des Weges, wurde von den Huſaren immer am Waldrande hin, auf Groß-Beeren zu getrieben. Aber den Huſaren folgte wieder das Gros der franzöſiſchen Kavallerie-Diviſion, und ſo ging es in wilder Jagd in den bunten Haufen der am Windmühlenberge ſtehenden Bataillone hinein. An dieſer Stelle ſchloß ſich ein dieſſeitiges Ulanen-Regiment und den Ulanen wiederum eine Huſaren-Abtheilung an, die ſammt und ſonders die Hetze mitmachten, ohne zu wiſſen, wem es galt und wohin es ging. Oberſtlieutenant v. Zaſtrow und Major v. Reckow wurden umgeritten, und als letzterer am Boden lag, ſchrie nachſtürmende Landwehr-Kavallerie: „ſchlagt ihn todt“. Er war für einen Fronzoſen gehalten worden, und nur die Dazwiſchenkunft des Majors Friccius entriß ihn der Gefahr und rettete ſein Leben.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/315>, abgerufen am 01.11.2024.