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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Schlaf überhaupt, -- die Menge thut es nicht, was
entscheidet, ist die Qualität; ein guter Nicker von
fünf Minuten ist besser als fünf Stunden unruhige
'Rumdreherei, 'mal links, 'mal rechts. Übrigens
schläft man in Rußland wundervoll, trotz des starken
Thees. Es muß die Luft machen oder das späte
Diner oder weil man so verwöhnt wird. Sorgen
giebt es in Rußland nicht; darin -- im Geldpunkt
sind beide gleich -- ist Rußland noch besser als
Amerika."

Nach dieser Erklärung der Trippelli hatte Effi
von allen Mahnungen zum Aufbruch Abstand ge¬
nommen, und so war Mitternacht herangekommen.
Man trennte sich heiter und herzlich und mit einer
gewissen Vertraulichkeit.

Der Weg von der Mohrenapotheke bis zur
landrätlichen Wohnung war ziemlich weit; er kürzte
sich aber dadurch, daß Pastor Lindequist bat, Inn¬
stetten und Frau eine Strecke begleiten zu dürfen;
ein Spaziergang unterm Sternenhimmel sei das
beste, um über Gieshübler's Rheinwein hinweg¬
zukommen. Unterwegs wurde man natürlich nicht
müde, die verschiedensten Trippelliana heranzuziehen;
Effi begann mit dem, was ihr in Erinnerung ge¬
blieben, und gleich nach ihr kam der Pastor an die
Reihe. Dieser, ein Ironikus, hatte die Trippelli,

Effi Brieſt
Schlaf überhaupt, — die Menge thut es nicht, was
entſcheidet, iſt die Qualität; ein guter Nicker von
fünf Minuten iſt beſſer als fünf Stunden unruhige
'Rumdreherei, 'mal links, 'mal rechts. Übrigens
ſchläft man in Rußland wundervoll, trotz des ſtarken
Thees. Es muß die Luft machen oder das ſpäte
Diner oder weil man ſo verwöhnt wird. Sorgen
giebt es in Rußland nicht; darin — im Geldpunkt
ſind beide gleich — iſt Rußland noch beſſer als
Amerika.“

Nach dieſer Erklärung der Trippelli hatte Effi
von allen Mahnungen zum Aufbruch Abſtand ge¬
nommen, und ſo war Mitternacht herangekommen.
Man trennte ſich heiter und herzlich und mit einer
gewiſſen Vertraulichkeit.

Der Weg von der Mohrenapotheke bis zur
landrätlichen Wohnung war ziemlich weit; er kürzte
ſich aber dadurch, daß Paſtor Lindequiſt bat, Inn¬
ſtetten und Frau eine Strecke begleiten zu dürfen;
ein Spaziergang unterm Sternenhimmel ſei das
beſte, um über Gieshübler's Rheinwein hinweg¬
zukommen. Unterwegs wurde man natürlich nicht
müde, die verſchiedenſten Trippelliana heranzuziehen;
Effi begann mit dem, was ihr in Erinnerung ge¬
blieben, und gleich nach ihr kam der Paſtor an die
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[160/0169] Effi Brieſt Schlaf überhaupt, — die Menge thut es nicht, was entſcheidet, iſt die Qualität; ein guter Nicker von fünf Minuten iſt beſſer als fünf Stunden unruhige 'Rumdreherei, 'mal links, 'mal rechts. Übrigens ſchläft man in Rußland wundervoll, trotz des ſtarken Thees. Es muß die Luft machen oder das ſpäte Diner oder weil man ſo verwöhnt wird. Sorgen giebt es in Rußland nicht; darin — im Geldpunkt ſind beide gleich — iſt Rußland noch beſſer als Amerika.“ Nach dieſer Erklärung der Trippelli hatte Effi von allen Mahnungen zum Aufbruch Abſtand ge¬ nommen, und ſo war Mitternacht herangekommen. Man trennte ſich heiter und herzlich und mit einer gewiſſen Vertraulichkeit. Der Weg von der Mohrenapotheke bis zur landrätlichen Wohnung war ziemlich weit; er kürzte ſich aber dadurch, daß Paſtor Lindequiſt bat, Inn¬ ſtetten und Frau eine Strecke begleiten zu dürfen; ein Spaziergang unterm Sternenhimmel ſei das beſte, um über Gieshübler's Rheinwein hinweg¬ zukommen. Unterwegs wurde man natürlich nicht müde, die verſchiedenſten Trippelliana heranzuziehen; Effi begann mit dem, was ihr in Erinnerung ge¬ blieben, und gleich nach ihr kam der Paſtor an die Reihe. Dieſer, ein Ironikus, hatte die Trippelli,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/169>, abgerufen am 26.04.2024.