Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

Vetter Briest lachte. "Cousine, ich merke nicht
viel davon; Du bist noch hübscher geworden, das ist
alles. Und mit dem Stürmischen wird es wohl auch
noch nicht vorbei sein."

"Ganz der Vetter," versicherte die Mama; Effi
selbst aber wollte davon nichts hören und sagte:
"Dagobert, Du bist alles, nur kein Menschenkenner.
Es ist sonderbar. Ihr Offiziere seid keine guten
Menschenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt
Euch immer nur selber an oder Eure Rekruten, und
die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde.
Die wissen nun vollends nichts."

"Aber Cousine, wo hast Du denn diese ganze
Weisheit her? Du kennst ja keine Offiziere. Kessin,
so habe ich gelesen, hat ja auf die ihm zugedachten
Husaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in
der Weltgeschichte dasteht. Und willst Du von alten
Zeiten sprechen? Du warst ja noch ein halbes Kind,
als die Rathenower zu Euch herüberkamen."

"Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am besten
beobachten. Aber ich mag nicht, das sind ja alles
bloß Allotria. Ich will wissen, wie's mit Mama's
Augen steht."

Frau von Briest erzählte nun, daß es der
Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬
gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es

Effi Brieſt

Vetter Brieſt lachte. „Couſine, ich merke nicht
viel davon; Du biſt noch hübſcher geworden, das iſt
alles. Und mit dem Stürmiſchen wird es wohl auch
noch nicht vorbei ſein.“

„Ganz der Vetter,“ verſicherte die Mama; Effi
ſelbſt aber wollte davon nichts hören und ſagte:
„Dagobert, Du biſt alles, nur kein Menſchenkenner.
Es iſt ſonderbar. Ihr Offiziere ſeid keine guten
Menſchenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt
Euch immer nur ſelber an oder Eure Rekruten, und
die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde.
Die wiſſen nun vollends nichts.“

„Aber Couſine, wo haſt Du denn dieſe ganze
Weisheit her? Du kennſt ja keine Offiziere. Keſſin,
ſo habe ich geleſen, hat ja auf die ihm zugedachten
Huſaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in
der Weltgeſchichte daſteht. Und willſt Du von alten
Zeiten ſprechen? Du warſt ja noch ein halbes Kind,
als die Rathenower zu Euch herüberkamen.“

„Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am beſten
beobachten. Aber ich mag nicht, das ſind ja alles
bloß Allotria. Ich will wiſſen, wie's mit Mama's
Augen ſteht.“

Frau von Brieſt erzählte nun, daß es der
Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬
gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0345" n="336"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>Vetter Brie&#x017F;t lachte. &#x201E;Cou&#x017F;ine, ich merke nicht<lb/>
viel davon; Du bi&#x017F;t noch hüb&#x017F;cher geworden, das i&#x017F;t<lb/>
alles. Und mit dem Stürmi&#x017F;chen wird es wohl auch<lb/>
noch nicht vorbei &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz der Vetter,&#x201C; ver&#x017F;icherte die Mama; Effi<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aber wollte davon nichts hören und &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;Dagobert, Du bi&#x017F;t alles, nur kein Men&#x017F;chenkenner.<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;onderbar. Ihr Offiziere &#x017F;eid keine guten<lb/>
Men&#x017F;chenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt<lb/>
Euch immer nur &#x017F;elber an oder Eure Rekruten, und<lb/>
die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde.<lb/>
Die wi&#x017F;&#x017F;en nun vollends nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Cou&#x017F;ine, wo ha&#x017F;t Du denn die&#x017F;e ganze<lb/>
Weisheit her? Du kenn&#x017F;t ja keine Offiziere. Ke&#x017F;&#x017F;in,<lb/>
&#x017F;o habe ich gele&#x017F;en, hat ja auf die ihm zugedachten<lb/>
Hu&#x017F;aren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in<lb/>
der Weltge&#x017F;chichte da&#x017F;teht. Und will&#x017F;t Du von alten<lb/>
Zeiten &#x017F;prechen? Du war&#x017F;t ja noch ein halbes Kind,<lb/>
als die Rathenower zu Euch herüberkamen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am be&#x017F;ten<lb/>
beobachten. Aber ich mag nicht, das &#x017F;ind ja alles<lb/>
bloß Allotria. Ich will wi&#x017F;&#x017F;en, wie's mit Mama's<lb/>
Augen &#x017F;teht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Frau von Brie&#x017F;t erzählte nun, daß es der<lb/>
Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬<lb/>
gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0345] Effi Brieſt Vetter Brieſt lachte. „Couſine, ich merke nicht viel davon; Du biſt noch hübſcher geworden, das iſt alles. Und mit dem Stürmiſchen wird es wohl auch noch nicht vorbei ſein.“ „Ganz der Vetter,“ verſicherte die Mama; Effi ſelbſt aber wollte davon nichts hören und ſagte: „Dagobert, Du biſt alles, nur kein Menſchenkenner. Es iſt ſonderbar. Ihr Offiziere ſeid keine guten Menſchenkenner, die jungen gewiß nicht. Ihr guckt Euch immer nur ſelber an oder Eure Rekruten, und die von der Kavallerie haben auch noch ihre Pferde. Die wiſſen nun vollends nichts.“ „Aber Couſine, wo haſt Du denn dieſe ganze Weisheit her? Du kennſt ja keine Offiziere. Keſſin, ſo habe ich geleſen, hat ja auf die ihm zugedachten Huſaren verzichtet, ein Fall, der übrigens einzig in der Weltgeſchichte daſteht. Und willſt Du von alten Zeiten ſprechen? Du warſt ja noch ein halbes Kind, als die Rathenower zu Euch herüberkamen.“ „Ich könnte Dir erwidern, daß Kinder am beſten beobachten. Aber ich mag nicht, das ſind ja alles bloß Allotria. Ich will wiſſen, wie's mit Mama's Augen ſteht.“ Frau von Brieſt erzählte nun, daß es der Augenarzt für Blutandrang nach dem Gehirn aus¬ gegeben habe. Daher käme das Flimmern. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/345
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/345>, abgerufen am 14.05.2024.