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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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was bei der Nachricht davon in seinem Elternhause
gesprochen worden war, das stand jetzt wieder leb¬
haft vor seiner Seele. Vor allem eine Geschichte
kam ihm wieder in Erinnerung. Einer der bürger¬
lichen, seinem Chef besonders vertrauten Räthe übri¬
gens, hatte gewarnt und abgemahnt und das Duell
überhaupt, und nun gar ein solches und unter
solchen Umständen, als einen Unsinn und ein
Verbrechen bezeichnet. Aber der sich bei dieser
Gelegenheit plötzlich auf den Edelmann hin aus¬
spielende Vorgesetzte, hatte brüsk und hochmüthig
geantwortet: "Nörner, davon verstehen Sie nichts."
Und eine Stunde später war er in den Tod ge¬
gangen. Und warum? Einer Adelsvorstellung,
einer Standesmarotte zu Liebe, die mächtiger war,
als alle Vernunft, auch mächtiger als das Gesetz,
dessen Hüter und Schützer zu sein, er recht eigentlich
die Pflicht hatte. "Lehrreich." Und was habe ich
speziell daraus zu lernen? Was predigt dies Denk¬
mal mir? Jedenfalls das Eine, daß das Herkommen
unser Thun bestimmt. Wer ihm gehorcht, kann zu
Grunde gehn, aber er geht besser zu Grunde als der,
der ihm widerspricht."

Während er noch so sann, warf er sein Pferd
herum und ritt querfeldein auf ein großes Etab¬
lissement, ein Walzwerk oder eine Maschinenwerkstatt,
zu, draus, aus zahlreichen Essen, Qualm und Feuer¬

was bei der Nachricht davon in ſeinem Elternhauſe
geſprochen worden war, das ſtand jetzt wieder leb¬
haft vor ſeiner Seele. Vor allem eine Geſchichte
kam ihm wieder in Erinnerung. Einer der bürger¬
lichen, ſeinem Chef beſonders vertrauten Räthe übri¬
gens, hatte gewarnt und abgemahnt und das Duell
überhaupt, und nun gar ein ſolches und unter
ſolchen Umſtänden, als einen Unſinn und ein
Verbrechen bezeichnet. Aber der ſich bei dieſer
Gelegenheit plötzlich auf den Edelmann hin aus¬
ſpielende Vorgeſetzte, hatte brüsk und hochmüthig
geantwortet: „Nörner, davon verſtehen Sie nichts.“
Und eine Stunde ſpäter war er in den Tod ge¬
gangen. Und warum? Einer Adelsvorſtellung,
einer Standesmarotte zu Liebe, die mächtiger war,
als alle Vernunft, auch mächtiger als das Geſetz,
deſſen Hüter und Schützer zu ſein, er recht eigentlich
die Pflicht hatte. „Lehrreich.“ Und was habe ich
ſpeziell daraus zu lernen? Was predigt dies Denk¬
mal mir? Jedenfalls das Eine, daß das Herkommen
unſer Thun beſtimmt. Wer ihm gehorcht, kann zu
Grunde gehn, aber er geht beſſer zu Grunde als der,
der ihm widerſpricht.“

Während er noch ſo ſann, warf er ſein Pferd
herum und ritt querfeldein auf ein großes Etab¬
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[156/0166] was bei der Nachricht davon in ſeinem Elternhauſe geſprochen worden war, das ſtand jetzt wieder leb¬ haft vor ſeiner Seele. Vor allem eine Geſchichte kam ihm wieder in Erinnerung. Einer der bürger¬ lichen, ſeinem Chef beſonders vertrauten Räthe übri¬ gens, hatte gewarnt und abgemahnt und das Duell überhaupt, und nun gar ein ſolches und unter ſolchen Umſtänden, als einen Unſinn und ein Verbrechen bezeichnet. Aber der ſich bei dieſer Gelegenheit plötzlich auf den Edelmann hin aus¬ ſpielende Vorgeſetzte, hatte brüsk und hochmüthig geantwortet: „Nörner, davon verſtehen Sie nichts.“ Und eine Stunde ſpäter war er in den Tod ge¬ gangen. Und warum? Einer Adelsvorſtellung, einer Standesmarotte zu Liebe, die mächtiger war, als alle Vernunft, auch mächtiger als das Geſetz, deſſen Hüter und Schützer zu ſein, er recht eigentlich die Pflicht hatte. „Lehrreich.“ Und was habe ich ſpeziell daraus zu lernen? Was predigt dies Denk¬ mal mir? Jedenfalls das Eine, daß das Herkommen unſer Thun beſtimmt. Wer ihm gehorcht, kann zu Grunde gehn, aber er geht beſſer zu Grunde als der, der ihm widerſpricht.“ Während er noch ſo ſann, warf er ſein Pferd herum und ritt querfeldein auf ein großes Etab¬ liſſement, ein Walzwerk oder eine Maſchinenwerkſtatt, zu, draus, aus zahlreichen Eſſen, Qualm und Feuer¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/166>, abgerufen am 30.04.2024.