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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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wo Lene für einen Tritt gesorgt hatte. Das alles
that der alten Frau Nimptsch ungemein wohl und
half ihr auch gesundheitlich auf, so daß sie, seit dem
Wohnungswechsel, weniger an Reißen litt als draußen
in dem Dörr'schen Gartenhause, das, so poetisch es
lag, nicht viel besser als ein Keller gewesen war.

Im Uebrigen verging keine Woche, wo nicht,
trotz des endlos weiten Weges, Frau Dörr vom
"Zoologischen" her am Luisen-Ufer erschienen wäre,
blos "um zu sehen, wie's stehe." Sie sprach dann,
nach Art aller Berliner Ehefrauen, ausschließlich
von ihrem Manne, dabei regelmäßig einen Ton
anschlagend, als ob die Verheirathung mit ihm eine
der schwersten Mesalliancen und eigentlich etwas
halb Unerklärliches gewesen wäre. In Wahrheit
aber stand es so, daß sie sich nicht nur äußerst be¬
haglich und zufrieden fühlte, sondern sich auch freute,
daß Dörr gerade so war wie er war. Denn sie
hatte nur Vortheile davon, einmal den, beständig
reicher zu werden, und nebenher den zweiten, ihr
ebenso wichtigen, ohne jede Gefahr vor Aenderung
und Vermögens-Einbuße sich unausgesetzt über den
alten Geizkragen erheben und ihm Vorhaltungen
über seine niedrige Gesinnung machen zu können.
Ja, Dörr war das Hauptthema bei diesen Gesprächen
und Lene, wenn sie nicht bei Goldstein's oder sonst
wo in der Stadt war, lachte jedesmal herzlich mit

wo Lene für einen Tritt geſorgt hatte. Das alles
that der alten Frau Nimptſch ungemein wohl und
half ihr auch geſundheitlich auf, ſo daß ſie, ſeit dem
Wohnungswechſel, weniger an Reißen litt als draußen
in dem Dörr'ſchen Gartenhauſe, das, ſo poetiſch es
lag, nicht viel beſſer als ein Keller geweſen war.

Im Uebrigen verging keine Woche, wo nicht,
trotz des endlos weiten Weges, Frau Dörr vom
„Zoologiſchen“ her am Luiſen-Ufer erſchienen wäre,
blos „um zu ſehen, wie's ſtehe.“ Sie ſprach dann,
nach Art aller Berliner Ehefrauen, ausſchließlich
von ihrem Manne, dabei regelmäßig einen Ton
anſchlagend, als ob die Verheirathung mit ihm eine
der ſchwerſten Mesalliancen und eigentlich etwas
halb Unerklärliches geweſen wäre. In Wahrheit
aber ſtand es ſo, daß ſie ſich nicht nur äußerſt be¬
haglich und zufrieden fühlte, ſondern ſich auch freute,
daß Dörr gerade ſo war wie er war. Denn ſie
hatte nur Vortheile davon, einmal den, beſtändig
reicher zu werden, und nebenher den zweiten, ihr
ebenſo wichtigen, ohne jede Gefahr vor Aenderung
und Vermögens-Einbuße ſich unausgeſetzt über den
alten Geizkragen erheben und ihm Vorhaltungen
über ſeine niedrige Geſinnung machen zu können.
Ja, Dörr war das Hauptthema bei dieſen Geſprächen
und Lene, wenn ſie nicht bei Goldſtein's oder ſonſt
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[189/0199] wo Lene für einen Tritt geſorgt hatte. Das alles that der alten Frau Nimptſch ungemein wohl und half ihr auch geſundheitlich auf, ſo daß ſie, ſeit dem Wohnungswechſel, weniger an Reißen litt als draußen in dem Dörr'ſchen Gartenhauſe, das, ſo poetiſch es lag, nicht viel beſſer als ein Keller geweſen war. Im Uebrigen verging keine Woche, wo nicht, trotz des endlos weiten Weges, Frau Dörr vom „Zoologiſchen“ her am Luiſen-Ufer erſchienen wäre, blos „um zu ſehen, wie's ſtehe.“ Sie ſprach dann, nach Art aller Berliner Ehefrauen, ausſchließlich von ihrem Manne, dabei regelmäßig einen Ton anſchlagend, als ob die Verheirathung mit ihm eine der ſchwerſten Mesalliancen und eigentlich etwas halb Unerklärliches geweſen wäre. In Wahrheit aber ſtand es ſo, daß ſie ſich nicht nur äußerſt be¬ haglich und zufrieden fühlte, ſondern ſich auch freute, daß Dörr gerade ſo war wie er war. Denn ſie hatte nur Vortheile davon, einmal den, beſtändig reicher zu werden, und nebenher den zweiten, ihr ebenſo wichtigen, ohne jede Gefahr vor Aenderung und Vermögens-Einbuße ſich unausgeſetzt über den alten Geizkragen erheben und ihm Vorhaltungen über ſeine niedrige Geſinnung machen zu können. Ja, Dörr war das Hauptthema bei dieſen Geſprächen und Lene, wenn ſie nicht bei Goldſtein's oder ſonſt wo in der Stadt war, lachte jedesmal herzlich mit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/199>, abgerufen am 30.04.2024.