Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.

Bild:
<< vorherige Seite

bereits die Köpfe zusammensteckte und tuschelte. Der Onkel sah es auch, nahm's aber nicht übel und dachte nur: "Kenn' ich; berlinische Zimperei."

Bald gegen zehn war die Vorstellung aus und nach kurzer Beratung an einer etwas zugigen Ecke beschloß man, möglichst in der Nähe zu bleiben und in einem in der Charlottenstraße gelegenen Theaterrestaurant zu soupieren. Man fand hier alles so ziemlich besetzt, kam aber doch noch unter und traf nach Ueberfliegung der Speisekarte rasch die Wahl. Alle waren für Seezunge, mit Ausnahme von Therese, die sich für Maccaroni mit Tomaten erklärte. Gleich danach wurden ohne weiteres fünf Seidel wie ebensoviele Selbstverständlichkeiten vor sie hin gepflanzt, und erst als diese Seidel schon halb geleert waren, erschien auch das Bestellte, was dem schon ziemlich nervös gewordenen alten General sein Gleichgewicht wiedergab. Er rückte nun seinen Teller etwas näher an sich heran, tröpfelte Zitronensaft auf die knusprige Panierung und sagte, während er gleich den ersten Bissen kennermäßig würdigte: "Ja, Berlin wird Weltstadt. Aber was mehr sagen will, es wird auch Seestadt. Sie reden ja schon von einem großen Hafen, ich glaube, da bei Tegel herum, - und ich kann wohl sagen, diese Seezunge schmeckt, als ob wir den Hafen schon hätten oder als ob wir hier mindestens

bereits die Köpfe zusammensteckte und tuschelte. Der Onkel sah es auch, nahm’s aber nicht übel und dachte nur: „Kenn’ ich; berlinische Zimperei.“

Bald gegen zehn war die Vorstellung aus und nach kurzer Beratung an einer etwas zugigen Ecke beschloß man, möglichst in der Nähe zu bleiben und in einem in der Charlottenstraße gelegenen Theaterrestaurant zu soupieren. Man fand hier alles so ziemlich besetzt, kam aber doch noch unter und traf nach Ueberfliegung der Speisekarte rasch die Wahl. Alle waren für Seezunge, mit Ausnahme von Therese, die sich für Maccaroni mit Tomaten erklärte. Gleich danach wurden ohne weiteres fünf Seidel wie ebensoviele Selbstverständlichkeiten vor sie hin gepflanzt, und erst als diese Seidel schon halb geleert waren, erschien auch das Bestellte, was dem schon ziemlich nervös gewordenen alten General sein Gleichgewicht wiedergab. Er rückte nun seinen Teller etwas näher an sich heran, tröpfelte Zitronensaft auf die knusprige Panierung und sagte, während er gleich den ersten Bissen kennermäßig würdigte: „Ja, Berlin wird Weltstadt. Aber was mehr sagen will, es wird auch Seestadt. Sie reden ja schon von einem großen Hafen, ich glaube, da bei Tegel herum, – und ich kann wohl sagen, diese Seezunge schmeckt, als ob wir den Hafen schon hätten oder als ob wir hier mindestens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0073" n="66"/>
bereits die Köpfe zusammensteckte und tuschelte. Der                      Onkel sah es auch, nahm&#x2019;s aber nicht übel und dachte nur: &#x201E;Kenn&#x2019; ich;                      berlinische Zimperei.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Bald gegen zehn war die Vorstellung aus und nach kurzer Beratung an einer etwas                      zugigen Ecke beschloß man, möglichst in der Nähe zu bleiben und in einem in der                      Charlottenstraße gelegenen Theaterrestaurant zu soupieren. Man fand hier alles                      so ziemlich besetzt, kam aber doch noch unter und traf nach Ueberfliegung der                      Speisekarte rasch die Wahl. Alle waren für Seezunge, mit Ausnahme von Therese,                      die sich für Maccaroni mit Tomaten erklärte. Gleich danach wurden ohne weiteres                      fünf Seidel wie ebensoviele Selbstverständlichkeiten vor sie hin gepflanzt, und                      erst als diese Seidel schon halb geleert waren, erschien auch das Bestellte, was                      dem schon ziemlich nervös gewordenen alten General sein Gleichgewicht wiedergab.                      Er rückte nun seinen Teller etwas näher an sich heran, tröpfelte Zitronensaft                      auf die knusprige Panierung und sagte, während er gleich den ersten Bissen                      kennermäßig würdigte: &#x201E;Ja, Berlin wird Weltstadt. Aber was mehr sagen will, es                      wird auch Seestadt. Sie reden ja schon von einem großen Hafen, ich glaube, da                      bei Tegel herum, &#x2013; und ich kann wohl sagen, diese Seezunge schmeckt, als ob wir                      den Hafen schon hätten oder als ob wir hier mindestens<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0073] bereits die Köpfe zusammensteckte und tuschelte. Der Onkel sah es auch, nahm’s aber nicht übel und dachte nur: „Kenn’ ich; berlinische Zimperei.“ Bald gegen zehn war die Vorstellung aus und nach kurzer Beratung an einer etwas zugigen Ecke beschloß man, möglichst in der Nähe zu bleiben und in einem in der Charlottenstraße gelegenen Theaterrestaurant zu soupieren. Man fand hier alles so ziemlich besetzt, kam aber doch noch unter und traf nach Ueberfliegung der Speisekarte rasch die Wahl. Alle waren für Seezunge, mit Ausnahme von Therese, die sich für Maccaroni mit Tomaten erklärte. Gleich danach wurden ohne weiteres fünf Seidel wie ebensoviele Selbstverständlichkeiten vor sie hin gepflanzt, und erst als diese Seidel schon halb geleert waren, erschien auch das Bestellte, was dem schon ziemlich nervös gewordenen alten General sein Gleichgewicht wiedergab. Er rückte nun seinen Teller etwas näher an sich heran, tröpfelte Zitronensaft auf die knusprige Panierung und sagte, während er gleich den ersten Bissen kennermäßig würdigte: „Ja, Berlin wird Weltstadt. Aber was mehr sagen will, es wird auch Seestadt. Sie reden ja schon von einem großen Hafen, ich glaube, da bei Tegel herum, – und ich kann wohl sagen, diese Seezunge schmeckt, als ob wir den Hafen schon hätten oder als ob wir hier mindestens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T11:03:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T11:03:16Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/73
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/73>, abgerufen am 26.04.2024.