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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch das gereizte Gefühl, das sie gegen den Zweig des
Hauses Thadden unterhielt, der sich, nach seinem pommer¬
schen Gute Triglaff, Thadden-Triglaff nannte, -- eine
Zubenennung, die ihr, der einzig wirklichen Triglaff,
einfach als ein Übergriff oder doch mindestens als eine
Beeinträchtigung erschien. Woldemar, der dies alles
kannte, war dagegen gefeit und wußte seinerseits seit
lange, wie zu verfahren sei, wenn ihm die Triglaff als
Tischnachbarin zufiel. Er hatte sich für diesen Fall, der
übrigens öfter eintrat als ihm lieb war, die Namen
aller Konventualinnen auswendig gelernt, die während
seiner Kinderzeit im Kloster Wutz gelebt hatten und von
denen er recht gut wußte, daß sie seit lange tot waren.
Er begann aber trotzdem regelmäßig seine Fragen so zu
stellen, als ob das Dasein dieser längst Abgeschiedenen
immer noch einer Möglichkeit unterläge.

"Da war ja hier früher, mein gnädigstes Fräu¬
lein, eine Drachenhausen, Aurelie von Drachenhausen,
und übersiedelte dann, wenn ich nicht irre, nach Kloster
Zehdenick. Es würde mich lebhaft interessieren, in Er¬
fahrung zu bringen, ob sie noch lebt oder ob sie viel¬
leicht schon tot ist."

Die Triglaff nickte.

Czako, dieses Nicken beobachtend, sprach sich später
gegen Rex dahin aus, daß das alles mit der Abstammung
der Triglaff ganz natürlich zusammenhänge. "Götzen
nicken bloß."

Um vieles lebendiger waren Rede und Gegenrede
zwischen Tante Adelheid und dem Ministerialassessor,
und das Gespräch beider, das nur sittliche Hebungs¬
fragen berührte, hätte durchaus den Charakter einer ge¬
mütlichen, aber doch durch Ernst geweihten Synodal¬
plauderei gehabt, wenn sich nicht die Gestalt des Rent¬
meisters Fix beständig eingedrängt hätte, dieses Domina¬
proteges, von dem Rex, unter Zurückhaltung seiner

Fontane, Der Stechlin. 8

auch das gereizte Gefühl, das ſie gegen den Zweig des
Hauſes Thadden unterhielt, der ſich, nach ſeinem pommer¬
ſchen Gute Triglaff, Thadden-Triglaff nannte, — eine
Zubenennung, die ihr, der einzig wirklichen Triglaff,
einfach als ein Übergriff oder doch mindeſtens als eine
Beeinträchtigung erſchien. Woldemar, der dies alles
kannte, war dagegen gefeit und wußte ſeinerſeits ſeit
lange, wie zu verfahren ſei, wenn ihm die Triglaff als
Tiſchnachbarin zufiel. Er hatte ſich für dieſen Fall, der
übrigens öfter eintrat als ihm lieb war, die Namen
aller Konventualinnen auswendig gelernt, die während
ſeiner Kinderzeit im Kloſter Wutz gelebt hatten und von
denen er recht gut wußte, daß ſie ſeit lange tot waren.
Er begann aber trotzdem regelmäßig ſeine Fragen ſo zu
ſtellen, als ob das Daſein dieſer längſt Abgeſchiedenen
immer noch einer Möglichkeit unterläge.

„Da war ja hier früher, mein gnädigſtes Fräu¬
lein, eine Drachenhauſen, Aurelie von Drachenhauſen,
und überſiedelte dann, wenn ich nicht irre, nach Kloſter
Zehdenick. Es würde mich lebhaft intereſſieren, in Er¬
fahrung zu bringen, ob ſie noch lebt oder ob ſie viel¬
leicht ſchon tot iſt.“

Die Triglaff nickte.

Czako, dieſes Nicken beobachtend, ſprach ſich ſpäter
gegen Rex dahin aus, daß das alles mit der Abſtammung
der Triglaff ganz natürlich zuſammenhänge. „Götzen
nicken bloß.“

Um vieles lebendiger waren Rede und Gegenrede
zwiſchen Tante Adelheid und dem Miniſterialaſſeſſor,
und das Geſpräch beider, das nur ſittliche Hebungs¬
fragen berührte, hätte durchaus den Charakter einer ge¬
mütlichen, aber doch durch Ernſt geweihten Synodal¬
plauderei gehabt, wenn ſich nicht die Geſtalt des Rent¬
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Fontane, Der Stechlin. 8
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[113/0120] auch das gereizte Gefühl, das ſie gegen den Zweig des Hauſes Thadden unterhielt, der ſich, nach ſeinem pommer¬ ſchen Gute Triglaff, Thadden-Triglaff nannte, — eine Zubenennung, die ihr, der einzig wirklichen Triglaff, einfach als ein Übergriff oder doch mindeſtens als eine Beeinträchtigung erſchien. Woldemar, der dies alles kannte, war dagegen gefeit und wußte ſeinerſeits ſeit lange, wie zu verfahren ſei, wenn ihm die Triglaff als Tiſchnachbarin zufiel. Er hatte ſich für dieſen Fall, der übrigens öfter eintrat als ihm lieb war, die Namen aller Konventualinnen auswendig gelernt, die während ſeiner Kinderzeit im Kloſter Wutz gelebt hatten und von denen er recht gut wußte, daß ſie ſeit lange tot waren. Er begann aber trotzdem regelmäßig ſeine Fragen ſo zu ſtellen, als ob das Daſein dieſer längſt Abgeſchiedenen immer noch einer Möglichkeit unterläge. „Da war ja hier früher, mein gnädigſtes Fräu¬ lein, eine Drachenhauſen, Aurelie von Drachenhauſen, und überſiedelte dann, wenn ich nicht irre, nach Kloſter Zehdenick. Es würde mich lebhaft intereſſieren, in Er¬ fahrung zu bringen, ob ſie noch lebt oder ob ſie viel¬ leicht ſchon tot iſt.“ Die Triglaff nickte. Czako, dieſes Nicken beobachtend, ſprach ſich ſpäter gegen Rex dahin aus, daß das alles mit der Abſtammung der Triglaff ganz natürlich zuſammenhänge. „Götzen nicken bloß.“ Um vieles lebendiger waren Rede und Gegenrede zwiſchen Tante Adelheid und dem Miniſterialaſſeſſor, und das Geſpräch beider, das nur ſittliche Hebungs¬ fragen berührte, hätte durchaus den Charakter einer ge¬ mütlichen, aber doch durch Ernſt geweihten Synodal¬ plauderei gehabt, wenn ſich nicht die Geſtalt des Rent¬ meiſters Fix beſtändig eingedrängt hätte, dieſes Domina¬ protegés, von dem Rex, unter Zurückhaltung ſeiner Fontane, Der Stechlin. 8

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/120>, abgerufen am 29.04.2024.