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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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und unten großes Hauptloch. Und natürlich ein Schilder¬
haus daneben. Letzteres das Wichtigste. Schade, daß
so was verloren geht. Übrigens rettet hier der grüne
Staketenzaun das Ganze ... Wie heißt doch der Lehrer?"

"Krippenstapel."

"Richtig, Krippenstapel. Katzler nannte ihn ja
während der Sitzung mit einer Art Aplomb. Ich er¬
innere mich noch, wie mir der Name wohlthat, als ich
ihn das erste Mal hörte. So heißt nicht jeder. Wie
kommen Sie mit dem Manne aus?"

"Sehr gut, Herr Superintendent."

"Freut mich aufrichtig. Aber es muß ein Kunst¬
stück sein. Er hat ein Gesicht wie 'ne Eule. Dabei so
was Steifleinenes und zugleich Selbstbewußtes. Der
richtige Lehrer. Meiner in Quaden-Hennersdorf war
ebenso. Aber er läßt nun schon ein bißchen nach."

Unter diesen Worten waren sie bis an die Pfarre
gekommen, in der man, ohne daß ein Bote voraus¬
geschickt worden wäre, doch schon wußte, daß der Herr
Superintendent mit erscheinen würde. Nun war er da.
Nur wenige Minuten waren seit dem Aufbruch vom Krug her
vergangen, die trotz Kürze für Frau Kulicke (eine Lehrers¬
witwe, die Lorenzen die Wirtschaft führte) ausgereicht
hatten, alles in Schick und Ordnung zu bringen. Auf
dem länglichen Hausflur, an dessen äußerstem Ende man
gleich beim Eintreten die blinkblanke Küche sah, brannten
ein paar helle Paraffinkerzen, während rechts daneben,
in der offenstehenden Studierstube, eine große Lampe
mit grünem Bilderschirm ein gedämpftes Licht gab.
Lorenzen schob den Sofatisch, darauf Zeitungen hoch
aufgeschichtet lagen, ein wenig zurück und bat Koseleger,
Platz zu nehmen. Aber dieser, eben jetzt das große
Bild bemerkend, das in beinahe reicher Umrahmung über
dem Sofa hing, nahm den ihm angebotenen Platz nicht
gleich ein, sondern sagte, sich über den Tisch vorbeugend:

und unten großes Hauptloch. Und natürlich ein Schilder¬
haus daneben. Letzteres das Wichtigſte. Schade, daß
ſo was verloren geht. Übrigens rettet hier der grüne
Staketenzaun das Ganze ... Wie heißt doch der Lehrer?“

„Krippenſtapel.“

„Richtig, Krippenſtapel. Katzler nannte ihn ja
während der Sitzung mit einer Art Aplomb. Ich er¬
innere mich noch, wie mir der Name wohlthat, als ich
ihn das erſte Mal hörte. So heißt nicht jeder. Wie
kommen Sie mit dem Manne aus?“

„Sehr gut, Herr Superintendent.“

„Freut mich aufrichtig. Aber es muß ein Kunſt¬
ſtück ſein. Er hat ein Geſicht wie 'ne Eule. Dabei ſo
was Steifleinenes und zugleich Selbſtbewußtes. Der
richtige Lehrer. Meiner in Quaden-Hennersdorf war
ebenſo. Aber er läßt nun ſchon ein bißchen nach.“

Unter dieſen Worten waren ſie bis an die Pfarre
gekommen, in der man, ohne daß ein Bote voraus¬
geſchickt worden wäre, doch ſchon wußte, daß der Herr
Superintendent mit erſcheinen würde. Nun war er da.
Nur wenige Minuten waren ſeit dem Aufbruch vom Krug her
vergangen, die trotz Kürze für Frau Kulicke (eine Lehrers¬
witwe, die Lorenzen die Wirtſchaft führte) ausgereicht
hatten, alles in Schick und Ordnung zu bringen. Auf
dem länglichen Hausflur, an deſſen äußerſtem Ende man
gleich beim Eintreten die blinkblanke Küche ſah, brannten
ein paar helle Paraffinkerzen, während rechts daneben,
in der offenſtehenden Studierſtube, eine große Lampe
mit grünem Bilderſchirm ein gedämpftes Licht gab.
Lorenzen ſchob den Sofatiſch, darauf Zeitungen hoch
aufgeſchichtet lagen, ein wenig zurück und bat Koſeleger,
Platz zu nehmen. Aber dieſer, eben jetzt das große
Bild bemerkend, das in beinahe reicher Umrahmung über
dem Sofa hing, nahm den ihm angebotenen Platz nicht
gleich ein, ſondern ſagte, ſich über den Tiſch vorbeugend:

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[220/0227] und unten großes Hauptloch. Und natürlich ein Schilder¬ haus daneben. Letzteres das Wichtigſte. Schade, daß ſo was verloren geht. Übrigens rettet hier der grüne Staketenzaun das Ganze ... Wie heißt doch der Lehrer?“ „Krippenſtapel.“ „Richtig, Krippenſtapel. Katzler nannte ihn ja während der Sitzung mit einer Art Aplomb. Ich er¬ innere mich noch, wie mir der Name wohlthat, als ich ihn das erſte Mal hörte. So heißt nicht jeder. Wie kommen Sie mit dem Manne aus?“ „Sehr gut, Herr Superintendent.“ „Freut mich aufrichtig. Aber es muß ein Kunſt¬ ſtück ſein. Er hat ein Geſicht wie 'ne Eule. Dabei ſo was Steifleinenes und zugleich Selbſtbewußtes. Der richtige Lehrer. Meiner in Quaden-Hennersdorf war ebenſo. Aber er läßt nun ſchon ein bißchen nach.“ Unter dieſen Worten waren ſie bis an die Pfarre gekommen, in der man, ohne daß ein Bote voraus¬ geſchickt worden wäre, doch ſchon wußte, daß der Herr Superintendent mit erſcheinen würde. Nun war er da. Nur wenige Minuten waren ſeit dem Aufbruch vom Krug her vergangen, die trotz Kürze für Frau Kulicke (eine Lehrers¬ witwe, die Lorenzen die Wirtſchaft führte) ausgereicht hatten, alles in Schick und Ordnung zu bringen. Auf dem länglichen Hausflur, an deſſen äußerſtem Ende man gleich beim Eintreten die blinkblanke Küche ſah, brannten ein paar helle Paraffinkerzen, während rechts daneben, in der offenſtehenden Studierſtube, eine große Lampe mit grünem Bilderſchirm ein gedämpftes Licht gab. Lorenzen ſchob den Sofatiſch, darauf Zeitungen hoch aufgeſchichtet lagen, ein wenig zurück und bat Koſeleger, Platz zu nehmen. Aber dieſer, eben jetzt das große Bild bemerkend, das in beinahe reicher Umrahmung über dem Sofa hing, nahm den ihm angebotenen Platz nicht gleich ein, ſondern ſagte, ſich über den Tiſch vorbeugend:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/227>, abgerufen am 28.04.2024.