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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Kann ich zustimmen," lachte Melusine. "Fehlen nur
noch ein paar Details. Wie wär' es damit?"

"Mittelklassberliner findet gutt, was er sagt, aber
findet nicht gutt, was sagt ein andrer."

Czako, trotzdem er sich getroffen fühlte, nickte.

"Mittelklassberliner, wenn spricht andrer, fällt in
Krampf. In versteckten Krampf oder auch in nicht ver¬
steckten Krampf. In verstecktem Krampf ist er ein Bild des
Jammers, in nicht verstecktem Krampf ist er ein Affront."

"Brav, Wrschowitz. Aber mehr. Ich bitte."

"Berliner, immer an der Tete. So wenigstens
glaubt er. Berliner immer Held. Berliner weiß alles,
findet alles, entdeckt alles. Erst Borsig, dann Stephenson,
erst Rudolf Hertzog, dann Herzog Rudolf, erst Pfeffer¬
küchler Hildebrand, dann Papst Hildebrand."

"Nicht geschmeichelt, aber ähnlich. Und nun, Wrscho¬
witz, noch eins, dann sind Sie wieder frei ... Wie sind
die Damen?"

"Ach, gnädigste Gräfin ..."

"Nichts, nichts. Die Damen."

"Die Damen. O, die Damen serr gutt. Aber nicht
speziffisch. Speziffisch in Berlin bloß die Madamm."

"Da bin ich aber doch neugierig."

"Speziffisch bloß die Madamm. Ich war, gnädigste
Gräfin, in Pettersburg und ich war in Moscou. Und
war in Budapest. Und war auch in Saloniki. Ah, Saloniki!
Schöne Damen von Helikon und schöne Damen von Libanon,
hoch und schlank wie die Ceder. Aber keine Madamm.
Madamm nirgendwo; Madamm bloß in Berlin."

"Aber Wrschowitz, es müssen doch schließlich Ähnlich¬
keiten da sein. Eine Madamm ist doch immerhin auch
eine Dame, wenigstens eine Art Dame. Schon das Wort
spricht es aus."

"Nein, gnäddigste Gräfin; rien du tout. Dame!
Dame denkt an Galan, Dame denkt an Putz; oder vielleicht

„Kann ich zuſtimmen,“ lachte Meluſine. „Fehlen nur
noch ein paar Details. Wie wär' es damit?“

„Mittelklaſſberliner findet gutt, was er ſagt, aber
findet nicht gutt, was ſagt ein andrer.“

Czako, trotzdem er ſich getroffen fühlte, nickte.

„Mittelklaſſberliner, wenn ſpricht andrer, fällt in
Krampf. In verſteckten Krampf oder auch in nicht ver¬
ſteckten Krampf. In verſtecktem Krampf iſt er ein Bild des
Jammers, in nicht verſtecktem Krampf iſt er ein Affront.“

„Brav, Wrſchowitz. Aber mehr. Ich bitte.“

„Berliner, immer an der Tete. So wenigſtens
glaubt er. Berliner immer Held. Berliner weiß alles,
findet alles, entdeckt alles. Erſt Borſig, dann Stephenſon,
erſt Rudolf Hertzog, dann Herzog Rudolf, erſt Pfeffer¬
küchler Hildebrand, dann Papſt Hildebrand.“

„Nicht geſchmeichelt, aber ähnlich. Und nun, Wrſcho¬
witz, noch eins, dann ſind Sie wieder frei ... Wie ſind
die Damen?“

„Ach, gnädigſte Gräfin ...“

„Nichts, nichts. Die Damen.“

„Die Damen. O, die Damen ſerr gutt. Aber nicht
ſpeziffiſch. Speziffiſch in Berlin bloß die Madamm.“

„Da bin ich aber doch neugierig.“

„Speziffiſch bloß die Madamm. Ich war, gnädigſte
Gräfin, in Pettersburg und ich war in Moscoù. Und
war in Budapeſt. Und war auch in Saloniki. Ah, Saloniki!
Schöne Damen von Helikon und ſchöne Damen von Libanon,
hoch und ſchlank wie die Ceder. Aber keine Madamm.
Madamm nirgendwo; Madamm bloß in Berlin.“

„Aber Wrſchowitz, es müſſen doch ſchließlich Ähnlich¬
keiten da ſein. Eine Madamm iſt doch immerhin auch
eine Dame, wenigſtens eine Art Dame. Schon das Wort
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[304/0311] „Kann ich zuſtimmen,“ lachte Meluſine. „Fehlen nur noch ein paar Details. Wie wär' es damit?“ „Mittelklaſſberliner findet gutt, was er ſagt, aber findet nicht gutt, was ſagt ein andrer.“ Czako, trotzdem er ſich getroffen fühlte, nickte. „Mittelklaſſberliner, wenn ſpricht andrer, fällt in Krampf. In verſteckten Krampf oder auch in nicht ver¬ ſteckten Krampf. In verſtecktem Krampf iſt er ein Bild des Jammers, in nicht verſtecktem Krampf iſt er ein Affront.“ „Brav, Wrſchowitz. Aber mehr. Ich bitte.“ „Berliner, immer an der Tete. So wenigſtens glaubt er. Berliner immer Held. Berliner weiß alles, findet alles, entdeckt alles. Erſt Borſig, dann Stephenſon, erſt Rudolf Hertzog, dann Herzog Rudolf, erſt Pfeffer¬ küchler Hildebrand, dann Papſt Hildebrand.“ „Nicht geſchmeichelt, aber ähnlich. Und nun, Wrſcho¬ witz, noch eins, dann ſind Sie wieder frei ... Wie ſind die Damen?“ „Ach, gnädigſte Gräfin ...“ „Nichts, nichts. Die Damen.“ „Die Damen. O, die Damen ſerr gutt. Aber nicht ſpeziffiſch. Speziffiſch in Berlin bloß die Madamm.“ „Da bin ich aber doch neugierig.“ „Speziffiſch bloß die Madamm. Ich war, gnädigſte Gräfin, in Pettersburg und ich war in Moscoù. Und war in Budapeſt. Und war auch in Saloniki. Ah, Saloniki! Schöne Damen von Helikon und ſchöne Damen von Libanon, hoch und ſchlank wie die Ceder. Aber keine Madamm. Madamm nirgendwo; Madamm bloß in Berlin.“ „Aber Wrſchowitz, es müſſen doch ſchließlich Ähnlich¬ keiten da ſein. Eine Madamm iſt doch immerhin auch eine Dame, wenigſtens eine Art Dame. Schon das Wort ſpricht es aus.“ „Nein, gnäddigſte Gräfin; rien du tout. Dame! Dame denkt an Galan, Dame denkt an Putz; oder vielleicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/311>, abgerufen am 13.05.2024.