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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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oder weniger langweilig fand, war nicht recht festzustellen;
er kultivierte dafür mit Vorliebe das Finanzielle, viel¬
leicht davon ausgehend, daß, wer die Finanzen hat,
auch selbstverständlich alles andere hat, besonders die
Liebe.

Das war Dr. Pusch. Er schloß sich, als man auf¬
brach, einer Gruppe von Personen an, die den "an¬
gerissenen Abend" noch in einem Lokal verbringen wollten.

"Ja, wo?"

"Natürlich Siechen."

"Ach, Siechen. Siechen ist für Philister."

"Nun denn also, beim ,schweren Wagner'."

"Noch philiströser. Ich bin für Weihenstephan."

"Und ich für Pilsener."

Man einigte sich schließlich auf ein Lokal in der
Friedrichstraße, wo man beides haben könne.

Die Herren, die dahin aufbrachen, waren außer
Pusch noch der junge Baron Planta, dann Cujacius
und Wrschowitz und abschließend Premierleutnant von
Szilagy, der, wie schon angedeutet, früher bei den Garde¬
dragonern gestanden, aber wegen einer großen General¬
begeisterung für die Künste, das Malen und Dichten
obenan, schon vor etlichen Jahren seinen Abschied ge¬
nommen hatte. Mit seinen Genrebildern war er nicht
recht von der Stelle gekommen, weshalb er sich neuer¬
dings der Novellestik zugewandt und einen Sammelband
unter dem bescheidenen Titel "Bellis perennis" ver¬
öffentlicht hatte. Lauter kleine Liebesgeschichten.

Alle fünf Herren, mit alleiniger Ausnahme des jungen
Graubündner Barons, erwiesen sich von Anfang an als
ziemlich aufgeregt und jeder ihnen Zuhörende hätte sofort
das Gefühl haben müssen, daß hier viel Explosionsstoff
aufgehäuft sei. Trotzdem ging es zunächst gut; Wrscho¬
witz hielt sich in Grenzen, und selbst Cujacius, der nicht
gern andern das Wort ließ, freute sich über Puschs

oder weniger langweilig fand, war nicht recht feſtzuſtellen;
er kultivierte dafür mit Vorliebe das Finanzielle, viel¬
leicht davon ausgehend, daß, wer die Finanzen hat,
auch ſelbſtverſtändlich alles andere hat, beſonders die
Liebe.

Das war Dr. Puſch. Er ſchloß ſich, als man auf¬
brach, einer Gruppe von Perſonen an, die den „an¬
geriſſenen Abend“ noch in einem Lokal verbringen wollten.

„Ja, wo?“

„Natürlich Siechen.“

„Ach, Siechen. Siechen iſt für Philiſter.“

„Nun denn alſo, beim ,ſchweren Wagner‘.“

„Noch philiſtröſer. Ich bin für Weihenſtephan.“

„Und ich für Pilſener.“

Man einigte ſich ſchließlich auf ein Lokal in der
Friedrichſtraße, wo man beides haben könne.

Die Herren, die dahin aufbrachen, waren außer
Puſch noch der junge Baron Planta, dann Cujacius
und Wrſchowitz und abſchließend Premierleutnant von
Szilagy, der, wie ſchon angedeutet, früher bei den Garde¬
dragonern geſtanden, aber wegen einer großen General¬
begeiſterung für die Künſte, das Malen und Dichten
obenan, ſchon vor etlichen Jahren ſeinen Abſchied ge¬
nommen hatte. Mit ſeinen Genrebildern war er nicht
recht von der Stelle gekommen, weshalb er ſich neuer¬
dings der Novelleſtik zugewandt und einen Sammelband
unter dem beſcheidenen Titel „Bellis perennis“ ver¬
öffentlicht hatte. Lauter kleine Liebesgeſchichten.

Alle fünf Herren, mit alleiniger Ausnahme des jungen
Graubündner Barons, erwieſen ſich von Anfang an als
ziemlich aufgeregt und jeder ihnen Zuhörende hätte ſofort
das Gefühl haben müſſen, daß hier viel Exploſionsſtoff
aufgehäuft ſei. Trotzdem ging es zunächſt gut; Wrſcho¬
witz hielt ſich in Grenzen, und ſelbſt Cujacius, der nicht
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[394/0401] oder weniger langweilig fand, war nicht recht feſtzuſtellen; er kultivierte dafür mit Vorliebe das Finanzielle, viel¬ leicht davon ausgehend, daß, wer die Finanzen hat, auch ſelbſtverſtändlich alles andere hat, beſonders die Liebe. Das war Dr. Puſch. Er ſchloß ſich, als man auf¬ brach, einer Gruppe von Perſonen an, die den „an¬ geriſſenen Abend“ noch in einem Lokal verbringen wollten. „Ja, wo?“ „Natürlich Siechen.“ „Ach, Siechen. Siechen iſt für Philiſter.“ „Nun denn alſo, beim ,ſchweren Wagner‘.“ „Noch philiſtröſer. Ich bin für Weihenſtephan.“ „Und ich für Pilſener.“ Man einigte ſich ſchließlich auf ein Lokal in der Friedrichſtraße, wo man beides haben könne. Die Herren, die dahin aufbrachen, waren außer Puſch noch der junge Baron Planta, dann Cujacius und Wrſchowitz und abſchließend Premierleutnant von Szilagy, der, wie ſchon angedeutet, früher bei den Garde¬ dragonern geſtanden, aber wegen einer großen General¬ begeiſterung für die Künſte, das Malen und Dichten obenan, ſchon vor etlichen Jahren ſeinen Abſchied ge¬ nommen hatte. Mit ſeinen Genrebildern war er nicht recht von der Stelle gekommen, weshalb er ſich neuer¬ dings der Novelleſtik zugewandt und einen Sammelband unter dem beſcheidenen Titel „Bellis perennis“ ver¬ öffentlicht hatte. Lauter kleine Liebesgeſchichten. Alle fünf Herren, mit alleiniger Ausnahme des jungen Graubündner Barons, erwieſen ſich von Anfang an als ziemlich aufgeregt und jeder ihnen Zuhörende hätte ſofort das Gefühl haben müſſen, daß hier viel Exploſionsſtoff aufgehäuft ſei. Trotzdem ging es zunächſt gut; Wrſcho¬ witz hielt ſich in Grenzen, und ſelbſt Cujacius, der nicht gern andern das Wort ließ, freute ſich über Puſchs

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/401>, abgerufen am 28.04.2024.