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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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Er verfuhr dabei jahrelang mit so großem Geschick, daß die Stadtautoritäten ihn endlich wie ein unvermeidliches Schicksal hinnahmen, mit dem es gut sei, sich zu stellen, statt machtlos gegen dasselbe anzukämpfen. Wurden Maaßregeln vorbereitet, so zog man zuvor das Gutachten von General Joseph Smith ein und ließ die Sache fallen, wenn er die Achseln zuckte und zu verstehen gab, daß er wahrscheinlich gezwungen sein würde, seine Trommel zu rühren. War er umgekehrt persönlich mit Maaßregeln einverstanden, von denen er wußte, daß sie Anstoß erregen und Widerstand beim Volke finden würden, so begann nunmehr seine wichtige Thätigkeit als Unterhändler und Friedensstifter. Sein Verfahren dabei war immer dasselbe; er erschien auf einer Rampe, neben sich ein Oxhoft Edinburger Bier (Ale), das der Magistrat liefern und zur Stelle schaffen mußte. Dann hielt er seine Rede, lud jeden ein zu trinken und schloß seine Ansprache mit den Worten: "Nun macht, daß ihr nach Hause kommt". Am gefürchtetsten war er, wenn es Bürger gegen Bürger galt. Bäcker und Schlächter hielt er in heilsamer Furcht. Aussaugungen, Bereicherungen (zumal in Zeiten der Noth) auf Kosten des armen Volkes duldete er nicht und einem Bäcker, der durch hohes Gewicht Kunden angelockt hatte, bis sich herausstellte, daß er mit falschen Stücken gewogen hatte, wurde ohne Weiteres das Haus gestürmt. Nicht besser erging es einem Hauswirth der seinen Miether mitleidslos auf die Straße geworfen und dadurch den Selbstmord des armen Man-

Er verfuhr dabei jahrelang mit so großem Geschick, daß die Stadtautoritäten ihn endlich wie ein unvermeidliches Schicksal hinnahmen, mit dem es gut sei, sich zu stellen, statt machtlos gegen dasselbe anzukämpfen. Wurden Maaßregeln vorbereitet, so zog man zuvor das Gutachten von General Joseph Smith ein und ließ die Sache fallen, wenn er die Achseln zuckte und zu verstehen gab, daß er wahrscheinlich gezwungen sein würde, seine Trommel zu rühren. War er umgekehrt persönlich mit Maaßregeln einverstanden, von denen er wußte, daß sie Anstoß erregen und Widerstand beim Volke finden würden, so begann nunmehr seine wichtige Thätigkeit als Unterhändler und Friedensstifter. Sein Verfahren dabei war immer dasselbe; er erschien auf einer Rampe, neben sich ein Oxhoft Edinburger Bier (Ale), das der Magistrat liefern und zur Stelle schaffen mußte. Dann hielt er seine Rede, lud jeden ein zu trinken und schloß seine Ansprache mit den Worten: „Nun macht, daß ihr nach Hause kommt“. Am gefürchtetsten war er, wenn es Bürger gegen Bürger galt. Bäcker und Schlächter hielt er in heilsamer Furcht. Aussaugungen, Bereicherungen (zumal in Zeiten der Noth) auf Kosten des armen Volkes duldete er nicht und einem Bäcker, der durch hohes Gewicht Kunden angelockt hatte, bis sich herausstellte, daß er mit falschen Stücken gewogen hatte, wurde ohne Weiteres das Haus gestürmt. Nicht besser erging es einem Hauswirth der seinen Miether mitleidslos auf die Straße geworfen und dadurch den Selbstmord des armen Man-

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Er verfuhr dabei jahrelang mit so großem Geschick, daß die Stadtautoritäten ihn endlich wie ein unvermeidliches Schicksal hinnahmen, mit dem es gut sei, sich zu stellen, statt machtlos gegen dasselbe anzukämpfen. Wurden Maaßregeln vorbereitet, so zog man zuvor das Gutachten von General Joseph Smith ein und ließ die Sache fallen, wenn er die Achseln zuckte und zu verstehen gab, daß er wahrscheinlich gezwungen sein würde, seine Trommel zu rühren. War er umgekehrt <hi rendition="#g">persönlich</hi> mit Maaßregeln einverstanden, von denen er wußte, daß sie Anstoß erregen und Widerstand beim <hi rendition="#g">Volke</hi> finden würden, so begann nunmehr seine wichtige Thätigkeit als Unterhändler und Friedensstifter. Sein Verfahren dabei war immer dasselbe; er erschien auf einer Rampe, neben sich ein Oxhoft Edinburger Bier (Ale), das der Magistrat liefern und zur Stelle schaffen mußte. Dann hielt er seine Rede, lud jeden ein zu trinken und schloß seine Ansprache mit den Worten: &#x201E;Nun macht, daß ihr nach Hause kommt&#x201C;. Am gefürchtetsten war er, wenn es Bürger gegen Bürger galt. Bäcker und Schlächter hielt er in heilsamer Furcht. Aussaugungen, Bereicherungen (zumal in Zeiten der Noth) auf Kosten des armen Volkes duldete er nicht und einem Bäcker, der durch hohes Gewicht Kunden angelockt hatte, bis sich herausstellte, daß er mit falschen Stücken gewogen hatte, wurde ohne Weiteres das Haus gestürmt. Nicht besser erging es einem Hauswirth der seinen Miether mitleidslos auf die Straße geworfen und dadurch den Selbstmord des armen Man-<lb/></p>
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[93/0107] Er verfuhr dabei jahrelang mit so großem Geschick, daß die Stadtautoritäten ihn endlich wie ein unvermeidliches Schicksal hinnahmen, mit dem es gut sei, sich zu stellen, statt machtlos gegen dasselbe anzukämpfen. Wurden Maaßregeln vorbereitet, so zog man zuvor das Gutachten von General Joseph Smith ein und ließ die Sache fallen, wenn er die Achseln zuckte und zu verstehen gab, daß er wahrscheinlich gezwungen sein würde, seine Trommel zu rühren. War er umgekehrt persönlich mit Maaßregeln einverstanden, von denen er wußte, daß sie Anstoß erregen und Widerstand beim Volke finden würden, so begann nunmehr seine wichtige Thätigkeit als Unterhändler und Friedensstifter. Sein Verfahren dabei war immer dasselbe; er erschien auf einer Rampe, neben sich ein Oxhoft Edinburger Bier (Ale), das der Magistrat liefern und zur Stelle schaffen mußte. Dann hielt er seine Rede, lud jeden ein zu trinken und schloß seine Ansprache mit den Worten: „Nun macht, daß ihr nach Hause kommt“. Am gefürchtetsten war er, wenn es Bürger gegen Bürger galt. Bäcker und Schlächter hielt er in heilsamer Furcht. Aussaugungen, Bereicherungen (zumal in Zeiten der Noth) auf Kosten des armen Volkes duldete er nicht und einem Bäcker, der durch hohes Gewicht Kunden angelockt hatte, bis sich herausstellte, daß er mit falschen Stücken gewogen hatte, wurde ohne Weiteres das Haus gestürmt. Nicht besser erging es einem Hauswirth der seinen Miether mitleidslos auf die Straße geworfen und dadurch den Selbstmord des armen Man-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
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  • Seitenumbrüche markiert: ja;
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  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/107>, abgerufen am 07.05.2024.