Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

zeigt noch die Stelle wo 160 Convenanter den Martyrtod starben), ziehen sich die Zimmer hin, die von den Stuarts des 16. Jahrhunderts wenigstens zeitweilig bewohnt wurden. Das Zimmer in dem Königin Maria das Licht der Welt erblickte, befindet sich ziemlich genau in der Mitte des ersten Stockwerks, und würde von den Räumen die dasselbe nach rechts und links hin einschließen, in keiner Weise zu unterscheiden sein, wenn nicht Jakob VI. der bei Lebzeiten seiner Mutter so wenig zu ihrer Befreiung that, nach dem Tode derselben die bequeme Laune gehabt hätte, das Zimmer drin sie geboren wurde, durch Stiftung eines Prachtfensters kenntlich zu machen. Dies Prachtfenster hat natürlich längst aufgehört ein solches zu sein, unterscheidet sich aber noch immer durch Sims und Einfassung von der langen Reihe aller übrigen. Innerhalb der vier Wände die den Raum selbst umschließen, sieht man sich vergebens nach einem Zeichen um, das direkt oder wenigstens symbolisch an die Persönlichkeit erinnerte, die diesem Ort seine Weihe und Bedeutung gegeben hat. Die Wände sind kahl und kalt, herabgefallener Schutt, angefeuchtet vom Regen und festgestampft von Tausenden von Besuchern, hat den Fußboden zu einer bloßen elastischen Tenne gemacht; häßliches, gelbes Unkraut wächst in den Winkeln und Mauerritzen und selbst die Inschriften fehlen, womit ein Mischgefühl von Pietät und Eitelkeit das Mauerwerk berühmter Plätze so gern zu zieren und zu verunzieren liebt. Angesichts dieser Oede und Leere mußt' ich jener Kloster-

zeigt noch die Stelle wo 160 Convenanter den Martyrtod starben), ziehen sich die Zimmer hin, die von den Stuarts des 16. Jahrhunderts wenigstens zeitweilig bewohnt wurden. Das Zimmer in dem Königin Maria das Licht der Welt erblickte, befindet sich ziemlich genau in der Mitte des ersten Stockwerks, und würde von den Räumen die dasselbe nach rechts und links hin einschließen, in keiner Weise zu unterscheiden sein, wenn nicht Jakob VI. der bei Lebzeiten seiner Mutter so wenig zu ihrer Befreiung that, nach dem Tode derselben die bequeme Laune gehabt hätte, das Zimmer drin sie geboren wurde, durch Stiftung eines Prachtfensters kenntlich zu machen. Dies Prachtfenster hat natürlich längst aufgehört ein solches zu sein, unterscheidet sich aber noch immer durch Sims und Einfassung von der langen Reihe aller übrigen. Innerhalb der vier Wände die den Raum selbst umschließen, sieht man sich vergebens nach einem Zeichen um, das direkt oder wenigstens symbolisch an die Persönlichkeit erinnerte, die diesem Ort seine Weihe und Bedeutung gegeben hat. Die Wände sind kahl und kalt, herabgefallener Schutt, angefeuchtet vom Regen und festgestampft von Tausenden von Besuchern, hat den Fußboden zu einer bloßen elastischen Tenne gemacht; häßliches, gelbes Unkraut wächst in den Winkeln und Mauerritzen und selbst die Inschriften fehlen, womit ein Mischgefühl von Pietät und Eitelkeit das Mauerwerk berühmter Plätze so gern zu zieren und zu verunzieren liebt. Angesichts dieser Oede und Leere mußt’ ich jener Kloster-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0140" n="126"/>
zeigt noch die Stelle wo 160 Convenanter den Martyrtod            starben), ziehen sich die Zimmer hin, die von den Stuarts des 16. Jahrhunderts wenigstens            zeitweilig bewohnt wurden. Das Zimmer in dem Königin Maria das Licht der Welt erblickte,            befindet sich ziemlich genau in der Mitte des ersten Stockwerks, und würde von den Räumen            die dasselbe nach rechts und links hin einschließen, in keiner Weise zu unterscheiden            sein, wenn nicht Jakob <hi rendition="#aq">VI</hi>. der bei Lebzeiten seiner Mutter so            wenig zu ihrer Befreiung that, nach dem Tode derselben die bequeme Laune gehabt hätte, das            Zimmer drin sie geboren wurde, durch Stiftung eines Prachtfensters kenntlich zu machen.            Dies Prachtfenster hat natürlich längst aufgehört ein solches zu sein, unterscheidet sich            aber noch immer durch Sims und Einfassung von der langen Reihe aller übrigen. Innerhalb            der vier Wände die den Raum selbst umschließen, sieht man sich vergebens nach einem            Zeichen um, das direkt oder wenigstens symbolisch an die Persönlichkeit erinnerte, die            diesem Ort seine Weihe und Bedeutung gegeben hat. Die Wände sind kahl und kalt,            herabgefallener Schutt, angefeuchtet vom Regen und festgestampft von Tausenden von            Besuchern, hat den Fußboden zu einer bloßen elastischen Tenne gemacht; häßliches, gelbes            Unkraut wächst in den Winkeln und Mauerritzen und selbst die Inschriften fehlen, womit ein            Mischgefühl von Pietät und Eitelkeit das Mauerwerk berühmter Plätze so gern zu zieren und            zu verunzieren liebt. Angesichts dieser Oede und Leere mußt&#x2019; ich jener Kloster-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0140] zeigt noch die Stelle wo 160 Convenanter den Martyrtod starben), ziehen sich die Zimmer hin, die von den Stuarts des 16. Jahrhunderts wenigstens zeitweilig bewohnt wurden. Das Zimmer in dem Königin Maria das Licht der Welt erblickte, befindet sich ziemlich genau in der Mitte des ersten Stockwerks, und würde von den Räumen die dasselbe nach rechts und links hin einschließen, in keiner Weise zu unterscheiden sein, wenn nicht Jakob VI. der bei Lebzeiten seiner Mutter so wenig zu ihrer Befreiung that, nach dem Tode derselben die bequeme Laune gehabt hätte, das Zimmer drin sie geboren wurde, durch Stiftung eines Prachtfensters kenntlich zu machen. Dies Prachtfenster hat natürlich längst aufgehört ein solches zu sein, unterscheidet sich aber noch immer durch Sims und Einfassung von der langen Reihe aller übrigen. Innerhalb der vier Wände die den Raum selbst umschließen, sieht man sich vergebens nach einem Zeichen um, das direkt oder wenigstens symbolisch an die Persönlichkeit erinnerte, die diesem Ort seine Weihe und Bedeutung gegeben hat. Die Wände sind kahl und kalt, herabgefallener Schutt, angefeuchtet vom Regen und festgestampft von Tausenden von Besuchern, hat den Fußboden zu einer bloßen elastischen Tenne gemacht; häßliches, gelbes Unkraut wächst in den Winkeln und Mauerritzen und selbst die Inschriften fehlen, womit ein Mischgefühl von Pietät und Eitelkeit das Mauerwerk berühmter Plätze so gern zu zieren und zu verunzieren liebt. Angesichts dieser Oede und Leere mußt’ ich jener Kloster-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/140
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/140>, abgerufen am 08.05.2024.