Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Sehenswürdigkeit neben dem nahe gelegenen Schwestereiland. Was ihr Leben und Bedeutung giebt, das sind ihre geschichtlichen Traditionen, die hier in einem Maße auftreten, das überall Bewunderung erregen würde, doppelt aber an einem Orte, der weitab von den letzten Stätten der Cultur, nur ein geeigneter Platz für Seeadler und Mövennester zu sein scheint. Und doch war diese Stätte, ein halbes Jahrtausend lang, unter den heiligen Plätzen des Landes der heiligste.

Iona ist der Punkt, von wo aus, in der Mitte des sechsten Jahrhunderts, die Christianisirung des bis dahin heidnischen Schottlands erfolgte.

Um's Jahr 560 verließ der Mönch Columban (gälisch: Callum oder Malcolm) mit zwölf Gefährten die irische Küste und segelte in einem offenen Boot nach Schottland hinüber. Er und seine Genossen waren Schüler St. Patricks, mit dem sie in Dearmach, d. h. "nahe den Eichen" gelebt hatten. Die Schlichtheit und der heilige Eifer des irischen Apostels war auch auf seine Jünger übergegangen, zumal auf Columban. Sie wählten die Insel Iona als Aufenthaltsort, weil sie nah genug der Küste lag, um von ihr aus ihr Missionswerk beginnen zu können, und zu gleicher Zeit die Möglichkeit jener völligen Zurückgezogenheit bot, die den Grund- und Lehrsätzen ihres Meisters entsprach. Auf der Insel angelangt, zogen sie sich, wie der Geschichtsschreiber Adamnan berichtet, in einen Kreis aufrechtstehender Steine, also muthmaßlich in einen ehemaligen Druidentempel zu-

Sehenswürdigkeit neben dem nahe gelegenen Schwestereiland. Was ihr Leben und Bedeutung giebt, das sind ihre geschichtlichen Traditionen, die hier in einem Maße auftreten, das überall Bewunderung erregen würde, doppelt aber an einem Orte, der weitab von den letzten Stätten der Cultur, nur ein geeigneter Platz für Seeadler und Mövennester zu sein scheint. Und doch war diese Stätte, ein halbes Jahrtausend lang, unter den heiligen Plätzen des Landes der heiligste.

Iona ist der Punkt, von wo aus, in der Mitte des sechsten Jahrhunderts, die Christianisirung des bis dahin heidnischen Schottlands erfolgte.

Um’s Jahr 560 verließ der Mönch Columban (gälisch: Callum oder Malcolm) mit zwölf Gefährten die irische Küste und segelte in einem offenen Boot nach Schottland hinüber. Er und seine Genossen waren Schüler St. Patricks, mit dem sie in Dearmach, d. h. „nahe den Eichen“ gelebt hatten. Die Schlichtheit und der heilige Eifer des irischen Apostels war auch auf seine Jünger übergegangen, zumal auf Columban. Sie wählten die Insel Iona als Aufenthaltsort, weil sie nah genug der Küste lag, um von ihr aus ihr Missionswerk beginnen zu können, und zu gleicher Zeit die Möglichkeit jener völligen Zurückgezogenheit bot, die den Grund- und Lehrsätzen ihres Meisters entsprach. Auf der Insel angelangt, zogen sie sich, wie der Geschichtsschreiber Adamnan berichtet, in einen Kreis aufrechtstehender Steine, also muthmaßlich in einen ehemaligen Druidentempel zu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0301" n="287"/>
Sehenswürdigkeit neben dem nahe gelegenen Schwestereiland. Was ihr Leben und Bedeutung giebt, das sind ihre geschichtlichen Traditionen, die hier in einem Maße auftreten, das überall Bewunderung erregen würde, doppelt aber an einem Orte, der weitab von den letzten Stätten der Cultur, nur ein geeigneter Platz für Seeadler und Mövennester zu sein scheint. Und doch war diese Stätte, ein halbes Jahrtausend lang, unter den heiligen Plätzen des Landes der <hi rendition="#g">heiligste</hi>.</p><lb/>
          <p>Iona ist der Punkt, von wo aus, in der Mitte des sechsten              Jahrhunderts, die Christianisirung des bis dahin heidnischen Schottlands            erfolgte.</p><lb/>
          <p>Um&#x2019;s Jahr 560 verließ der Mönch Columban            (gälisch: Callum oder Malcolm) mit zwölf Gefährten die irische Küste und segelte in einem            offenen Boot nach Schottland hinüber. Er und seine Genossen waren Schüler St. Patricks,            mit dem sie in <hi rendition="#g">Dearmach</hi>, d. h. &#x201E;nahe den Eichen&#x201C; gelebt hatten.            Die Schlichtheit und der heilige Eifer des irischen Apostels war auch auf seine Jünger            übergegangen, zumal auf Columban. Sie wählten die Insel Iona als Aufenthaltsort, weil sie            nah genug der Küste lag, um von ihr aus ihr Missionswerk beginnen zu können, und zu            gleicher Zeit die Möglichkeit jener völligen Zurückgezogenheit bot, die den Grund- und            Lehrsätzen ihres Meisters entsprach. Auf der Insel angelangt, zogen sie sich, wie der            Geschichtsschreiber Adamnan berichtet, in einen Kreis aufrechtstehender Steine, also            muthmaßlich in einen ehemaligen Druidentempel zu-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0301] Sehenswürdigkeit neben dem nahe gelegenen Schwestereiland. Was ihr Leben und Bedeutung giebt, das sind ihre geschichtlichen Traditionen, die hier in einem Maße auftreten, das überall Bewunderung erregen würde, doppelt aber an einem Orte, der weitab von den letzten Stätten der Cultur, nur ein geeigneter Platz für Seeadler und Mövennester zu sein scheint. Und doch war diese Stätte, ein halbes Jahrtausend lang, unter den heiligen Plätzen des Landes der heiligste. Iona ist der Punkt, von wo aus, in der Mitte des sechsten Jahrhunderts, die Christianisirung des bis dahin heidnischen Schottlands erfolgte. Um’s Jahr 560 verließ der Mönch Columban (gälisch: Callum oder Malcolm) mit zwölf Gefährten die irische Küste und segelte in einem offenen Boot nach Schottland hinüber. Er und seine Genossen waren Schüler St. Patricks, mit dem sie in Dearmach, d. h. „nahe den Eichen“ gelebt hatten. Die Schlichtheit und der heilige Eifer des irischen Apostels war auch auf seine Jünger übergegangen, zumal auf Columban. Sie wählten die Insel Iona als Aufenthaltsort, weil sie nah genug der Küste lag, um von ihr aus ihr Missionswerk beginnen zu können, und zu gleicher Zeit die Möglichkeit jener völligen Zurückgezogenheit bot, die den Grund- und Lehrsätzen ihres Meisters entsprach. Auf der Insel angelangt, zogen sie sich, wie der Geschichtsschreiber Adamnan berichtet, in einen Kreis aufrechtstehender Steine, also muthmaßlich in einen ehemaligen Druidentempel zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/301
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/301>, abgerufen am 27.04.2024.