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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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meist dem Umstande, daß es in ganz England wenig alte Städte giebt, d. h. Städte die sich noch in ihrem ehemaligen alten Aufzuge der Welt präsentiren. In unseren alten deutschen Städten ist an solchen Close's kein Mangel; unsre "Höfe" in Wien, Augsburg, Leipzig, Danzig, sind im wesentlichen dasselbe. Noch ähnlicher sind ihnen die "Courts" in den alten Stadttheilen London's: besonders am Strand, um Drury-Lane herum, und in Fleet-Street. Die letztere Straße ist so reich daran, daß man sie der High-Street von Edinburg fast an die Seite setzen könnte. Aber was diesen Close's, weit über ihren eigentlichen Anspruch hinaus, wenigstens den Schein von etwas Besonderem leiht, das ist ihre ganz aparte Enge. Man passirt zuerst einen schmalen, überwölbten, leider oft als Rinnstein dienenden Gang, der sich durch die ganze Tiefe des Hauses zieht, etwa wie ein Festungsthor durch die ganze Tiefe der Mauer läuft. Hat man, nach vorsorglicher Applizirung eines Taschentuches, diesen in Dunkeln fließenden Schleichbach hinter sich, so steht man auf einem mal stein-, mal fliesenbedeckten Hofe, der bei der Höhe der Häuser, die ihn dicht umschließen, mehr einem Rauchfang als einem Hofe gleicht. Treppen münden hier aus, unbeschreiblicher Schutt und Hausrath liegt in den Winkeln umher und durch alle Etagen hindurch hängt Wäsche an Stöcken und Stangen zum Fenster hinaus. Wie viel Tage die Letztere braucht, um hier ohne Luft und Licht zu trocknen, hätt' ich gern erfahren. Das sind die Close's von Edin-

meist dem Umstande, daß es in ganz England wenig alte Städte giebt, d. h. Städte die sich noch in ihrem ehemaligen alten Aufzuge der Welt präsentiren. In unseren alten deutschen Städten ist an solchen Close’s kein Mangel; unsre „Höfe“ in Wien, Augsburg, Leipzig, Danzig, sind im wesentlichen dasselbe. Noch ähnlicher sind ihnen die „Courts“ in den alten Stadttheilen London’s: besonders am Strand, um Drury-Lane herum, und in Fleet-Street. Die letztere Straße ist so reich daran, daß man sie der High-Street von Edinburg fast an die Seite setzen könnte. Aber was diesen Close’s, weit über ihren eigentlichen Anspruch hinaus, wenigstens den Schein von etwas Besonderem leiht, das ist ihre ganz aparte Enge. Man passirt zuerst einen schmalen, überwölbten, leider oft als Rinnstein dienenden Gang, der sich durch die ganze Tiefe des Hauses zieht, etwa wie ein Festungsthor durch die ganze Tiefe der Mauer läuft. Hat man, nach vorsorglicher Applizirung eines Taschentuches, diesen in Dunkeln fließenden Schleichbach hinter sich, so steht man auf einem mal stein-, mal fliesenbedeckten Hofe, der bei der Höhe der Häuser, die ihn dicht umschließen, mehr einem Rauchfang als einem Hofe gleicht. Treppen münden hier aus, unbeschreiblicher Schutt und Hausrath liegt in den Winkeln umher und durch alle Etagen hindurch hängt Wäsche an Stöcken und Stangen zum Fenster hinaus. Wie viel Tage die Letztere braucht, um hier ohne Luft und Licht zu trocknen, hätt’ ich gern erfahren. Das sind die Close’s von Edin-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
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  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
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  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/56>, abgerufen am 29.04.2024.