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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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von Glasgow, der andere den Bischöfen von Dunkeld gehörig. Beide Häuser lagen ziemlich einander gegenüber, die Straße war schmal, und an hellen Tagen konnte man sich in die Fenster sehen.

Der 12. April 1520 war ein solcher heller Tag, man sah sich in die Fenster, aber man hätte sich lieber in die Herzen gesehen. Im erzbischöflichen Palast war seit gestern der Graf von Arran abgetreten, das Haupt der Hamiltons. Es handelte sich bei der Minderjährigkeit des Königs (Jakob V.) um die Einsetzung einer Regentschaft und die Frage mußte heute noch entschieden werden: "wer statt seiner regieren solle?" Der Graf von Arran und der Erzbischof von Glasgow waren übereingekommen, sich in die Regierung zu theilen. Sie hatten zu dem Zweck ihren Anhang in die Stadt gezogen und aller Ecken und Enden standen die Hamiltons und reizten und erschreckten durch ihre waffenklirrende Anmaaßung die guten Bürger von Edinburg.

Graf Angus, das Haupt der Douglas, war nicht gewillt die Parthie ohne Gegenzug verloren zu geben. Er war ein Douglas, das hieß die Vormundschaft gebührte ihm. Alles wozu er sein Herz bestimmen konnte war das: dem Beschluß der Großen Raths-Versammlung Gehorsam zu leisten, aber dieser Beschluß sollte ein freier sein, nicht zu Stande gebracht unter den gleisnerischen Worten des Erzbischofs oder unter der drohenden Haltung der stündlich in den Straßen wachsenden Zahl der Hamiltons. Die Gefahr wuchs mit jeder Stunde;

von Glasgow, der andere den Bischöfen von Dunkeld gehörig. Beide Häuser lagen ziemlich einander gegenüber, die Straße war schmal, und an hellen Tagen konnte man sich in die Fenster sehen.

Der 12. April 1520 war ein solcher heller Tag, man sah sich in die Fenster, aber man hätte sich lieber in die Herzen gesehen. Im erzbischöflichen Palast war seit gestern der Graf von Arran abgetreten, das Haupt der Hamiltons. Es handelte sich bei der Minderjährigkeit des Königs (Jakob V.) um die Einsetzung einer Regentschaft und die Frage mußte heute noch entschieden werden: „wer statt seiner regieren solle?“ Der Graf von Arran und der Erzbischof von Glasgow waren übereingekommen, sich in die Regierung zu theilen. Sie hatten zu dem Zweck ihren Anhang in die Stadt gezogen und aller Ecken und Enden standen die Hamiltons und reizten und erschreckten durch ihre waffenklirrende Anmaaßung die guten Bürger von Edinburg.

Graf Angus, das Haupt der Douglas, war nicht gewillt die Parthie ohne Gegenzug verloren zu geben. Er war ein Douglas, das hieß die Vormundschaft gebührte ihm. Alles wozu er sein Herz bestimmen konnte war das: dem Beschluß der Großen Raths-Versammlung Gehorsam zu leisten, aber dieser Beschluß sollte ein freier sein, nicht zu Stande gebracht unter den gleisnerischen Worten des Erzbischofs oder unter der drohenden Haltung der stündlich in den Straßen wachsenden Zahl der Hamiltons. Die Gefahr wuchs mit jeder Stunde;

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[75/0089] von Glasgow, der andere den Bischöfen von Dunkeld gehörig. Beide Häuser lagen ziemlich einander gegenüber, die Straße war schmal, und an hellen Tagen konnte man sich in die Fenster sehen. Der 12. April 1520 war ein solcher heller Tag, man sah sich in die Fenster, aber man hätte sich lieber in die Herzen gesehen. Im erzbischöflichen Palast war seit gestern der Graf von Arran abgetreten, das Haupt der Hamiltons. Es handelte sich bei der Minderjährigkeit des Königs (Jakob V.) um die Einsetzung einer Regentschaft und die Frage mußte heute noch entschieden werden: „wer statt seiner regieren solle?“ Der Graf von Arran und der Erzbischof von Glasgow waren übereingekommen, sich in die Regierung zu theilen. Sie hatten zu dem Zweck ihren Anhang in die Stadt gezogen und aller Ecken und Enden standen die Hamiltons und reizten und erschreckten durch ihre waffenklirrende Anmaaßung die guten Bürger von Edinburg. Graf Angus, das Haupt der Douglas, war nicht gewillt die Parthie ohne Gegenzug verloren zu geben. Er war ein Douglas, das hieß die Vormundschaft gebührte ihm. Alles wozu er sein Herz bestimmen konnte war das: dem Beschluß der Großen Raths-Versammlung Gehorsam zu leisten, aber dieser Beschluß sollte ein freier sein, nicht zu Stande gebracht unter den gleisnerischen Worten des Erzbischofs oder unter der drohenden Haltung der stündlich in den Straßen wachsenden Zahl der Hamiltons. Die Gefahr wuchs mit jeder Stunde;

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/89>, abgerufen am 28.04.2024.