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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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sprochen, aber doch zugleich auch mit einer bemerkens¬
werten Kühle.

Dies empfand Frau von Carayon in einer ihr
nicht nur schmerzlichen, sondern sie geradezu verletzenden
Weise; das, was sie gehört hatte, war weder die
Sprache der Liebe noch der Schuld, und als Schach
schwieg, erwiederte sie spitz: "Ich bin Ihnen sehr
dankbar für Ihre Worte, Herr von Schach, ganz be¬
sonders auch für das, was sich darin an meine
Person richtete. Daß Ihr ,ja' rückhaltloser und un¬
gesuchter hätte klingen können, empfinden Sie wohl
am eignen Herzen. Aber gleichviel, mir genügt das
,Ja'. Denn wonach dürst ich denn am Ende? Nach
einer Trauung im Dom und einer Galahochzeit.
Ich will mich einmal wieder in gelbem Atlas sehn,
der mir kleidet, und haben wir dann erst unsren
Fackeltanz getanzt und Victoirens Strumpfband zer¬
schnitten -- denn ein wenig prinzeßlich werden wirs
doch wohl halten müssen, schon um Tante Margueritens
willen -- nun so geb ich Ihnen charte blanche,
Sie sind dann wieder frei, frei wie der Vogel in der
Luft, in Thun und Lassen, in Haß und Liebe, denn
es ist dann einfach geschehen, was geschehen mußte."

Schach schwieg.

"Ich nehme vorläufig ein stilles Verlöbnis an.
Über alles andre werden wir uns leicht verständigen.

ſprochen, aber doch zugleich auch mit einer bemerkens¬
werten Kühle.

Dies empfand Frau von Carayon in einer ihr
nicht nur ſchmerzlichen, ſondern ſie geradezu verletzenden
Weiſe; das, was ſie gehört hatte, war weder die
Sprache der Liebe noch der Schuld, und als Schach
ſchwieg, erwiederte ſie ſpitz: „Ich bin Ihnen ſehr
dankbar für Ihre Worte, Herr von Schach, ganz be¬
ſonders auch für das, was ſich darin an meine
Perſon richtete. Daß Ihr ‚ja‘ rückhaltloſer und un¬
geſuchter hätte klingen können, empfinden Sie wohl
am eignen Herzen. Aber gleichviel, mir genügt das
‚Ja‘. Denn wonach dürſt ich denn am Ende? Nach
einer Trauung im Dom und einer Galahochzeit.
Ich will mich einmal wieder in gelbem Atlas ſehn,
der mir kleidet, und haben wir dann erſt unſren
Fackeltanz getanzt und Victoirens Strumpfband zer¬
ſchnitten — denn ein wenig prinzeßlich werden wirs
doch wohl halten müſſen, ſchon um Tante Margueritens
willen — nun ſo geb ich Ihnen charte blanche,
Sie ſind dann wieder frei, frei wie der Vogel in der
Luft, in Thun und Laſſen, in Haß und Liebe, denn
es iſt dann einfach geſchehen, was geſchehen mußte.“

Schach ſchwieg.

„Ich nehme vorläufig ein ſtilles Verlöbnis an.
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[137/0149] ſprochen, aber doch zugleich auch mit einer bemerkens¬ werten Kühle. Dies empfand Frau von Carayon in einer ihr nicht nur ſchmerzlichen, ſondern ſie geradezu verletzenden Weiſe; das, was ſie gehört hatte, war weder die Sprache der Liebe noch der Schuld, und als Schach ſchwieg, erwiederte ſie ſpitz: „Ich bin Ihnen ſehr dankbar für Ihre Worte, Herr von Schach, ganz be¬ ſonders auch für das, was ſich darin an meine Perſon richtete. Daß Ihr ‚ja‘ rückhaltloſer und un¬ geſuchter hätte klingen können, empfinden Sie wohl am eignen Herzen. Aber gleichviel, mir genügt das ‚Ja‘. Denn wonach dürſt ich denn am Ende? Nach einer Trauung im Dom und einer Galahochzeit. Ich will mich einmal wieder in gelbem Atlas ſehn, der mir kleidet, und haben wir dann erſt unſren Fackeltanz getanzt und Victoirens Strumpfband zer¬ ſchnitten — denn ein wenig prinzeßlich werden wirs doch wohl halten müſſen, ſchon um Tante Margueritens willen — nun ſo geb ich Ihnen charte blanche, Sie ſind dann wieder frei, frei wie der Vogel in der Luft, in Thun und Laſſen, in Haß und Liebe, denn es iſt dann einfach geſchehen, was geſchehen mußte.“ Schach ſchwieg. „Ich nehme vorläufig ein ſtilles Verlöbnis an. Über alles andre werden wir uns leicht verſtändigen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/149>, abgerufen am 27.04.2024.