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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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von dem Alkoven her eine halb verschlafene Stimme:
"Wat is?"

"Ich, Krist."

"Jott, Mutter, dat's joa de junge Herr."

"Joa, dat is hei. Steih man upp un mach flink."

Schach hörte jedes Wort und rief gutmütig in
die Stube hinein, während er den nur angelegten
Laden halb öffnete: "Laß Dir Zeit, Alter."

Aber der Alte war schon aus dem Bette heraus,
und sagte nur immer, während er hin und her suchte:
"Glieks, junge Herr, glieks. Man noch en beten".

Und wirklich nicht lange, so sah Schach einen
Schwefelfaden brennen, und hörte, daß eine Laternen¬
thür auf- und wieder zugeknipst wurde. Richtig, ein
erster Lichtschein blitzte jetzt durch die Scheiben, und ein
paar Holzpantinen klappten über den Lehmflur hin. Und
nun wurde der Riegel zurückgeschoben, und Krist, der
in aller Eile nichts als ein leinenes Beinkleid übergezogen
hatte, stand vor seinem jungen Herrn. Er hatte, vor
manchem Jahr und Tag, als der alte "Gnädge-Herr"
gestorben war, den durch diesen Todesfall erledigten
Ehren- und Respektstitel auf seinen jungen Herrn
übertragen wollen, aber dieser, der mit Krist das
erste Wasserhuhn geschossen und die erste Bootfahrt
über den See gemacht hatte, hatte von dem neuen
Titel nichts wissen wollen.

"Jott, junge Herr, sunst schrewens doch ümmer

von dem Alkoven her eine halb verſchlafene Stimme:
„Wat is?“

„Ich, Kriſt.“

„Jott, Mutter, dat's joa de junge Herr.“

„Joa, dat is hei. Steih man upp un mach flink.“

Schach hörte jedes Wort und rief gutmütig in
die Stube hinein, während er den nur angelegten
Laden halb öffnete: „Laß Dir Zeit, Alter.“

Aber der Alte war ſchon aus dem Bette heraus,
und ſagte nur immer, während er hin und her ſuchte:
„Glieks, junge Herr, glieks. Man noch en beten“.

Und wirklich nicht lange, ſo ſah Schach einen
Schwefelfaden brennen, und hörte, daß eine Laternen¬
thür auf- und wieder zugeknipſt wurde. Richtig, ein
erſter Lichtſchein blitzte jetzt durch die Scheiben, und ein
paar Holzpantinen klappten über den Lehmflur hin. Und
nun wurde der Riegel zurückgeſchoben, und Kriſt, der
in aller Eile nichts als ein leinenes Beinkleid übergezogen
hatte, ſtand vor ſeinem jungen Herrn. Er hatte, vor
manchem Jahr und Tag, als der alte „Gnädge-Herr“
geſtorben war, den durch dieſen Todesfall erledigten
Ehren- und Reſpektstitel auf ſeinen jungen Herrn
übertragen wollen, aber dieſer, der mit Kriſt das
erſte Waſſerhuhn geſchoſſen und die erſte Bootfahrt
über den See gemacht hatte, hatte von dem neuen
Titel nichts wiſſen wollen.

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[153/0165] von dem Alkoven her eine halb verſchlafene Stimme: „Wat is?“ „Ich, Kriſt.“ „Jott, Mutter, dat's joa de junge Herr.“ „Joa, dat is hei. Steih man upp un mach flink.“ Schach hörte jedes Wort und rief gutmütig in die Stube hinein, während er den nur angelegten Laden halb öffnete: „Laß Dir Zeit, Alter.“ Aber der Alte war ſchon aus dem Bette heraus, und ſagte nur immer, während er hin und her ſuchte: „Glieks, junge Herr, glieks. Man noch en beten“. Und wirklich nicht lange, ſo ſah Schach einen Schwefelfaden brennen, und hörte, daß eine Laternen¬ thür auf- und wieder zugeknipſt wurde. Richtig, ein erſter Lichtſchein blitzte jetzt durch die Scheiben, und ein paar Holzpantinen klappten über den Lehmflur hin. Und nun wurde der Riegel zurückgeſchoben, und Kriſt, der in aller Eile nichts als ein leinenes Beinkleid übergezogen hatte, ſtand vor ſeinem jungen Herrn. Er hatte, vor manchem Jahr und Tag, als der alte „Gnädge-Herr“ geſtorben war, den durch dieſen Todesfall erledigten Ehren- und Reſpektstitel auf ſeinen jungen Herrn übertragen wollen, aber dieſer, der mit Kriſt das erſte Waſſerhuhn geſchoſſen und die erſte Bootfahrt über den See gemacht hatte, hatte von dem neuen Titel nichts wiſſen wollen. „Jott, junge Herr, ſunſt ſchrewens doch ümmer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/165>, abgerufen am 26.04.2024.