von denen ein jeder sein Lieblingsstück hatte, die Vorträge rasch wechselnd, klangen in bunter Reihenfolge deutsche und dänische, venezianische und neapolitanische Lieder durch das Zimmer. Weder sein Spiel noch sein Gesang erhob Anspruch, etwas Vollkommenes zu sein; aber gerade das Unvirtuose gab allem einen besonderen Reiz. Er selbst spielte sich dabei den Aktenstaub von der Seele.
Noch einmal, mit Dank und Freude, denk' ich an jene Tage zurück, die bis in den Sommer 1855 hinein dauerten. Als ich vier Jahre später, nach langer Abwesenheit, wieder heimkehrte, war das Haus verwaist, Kugler tot, die schöne Frau Clara nach München hin übersiedelt, in das Haus ihres Schwiegersohnes Heyse. Dort sah ich sie wieder, gebrochen in Glück und Leben. Sie überdauerte jene Tage nur noch eine kurze Weile.
Paul Heyse.
Paul Heyse, wie schon hervorgehoben, trat etwas später in den Tunnel als Kugler, etwa 1850. Kurze Zeit vorher hatte ich ihn in seinem elterlichen Hause, vertieft in ein Storm'sches Manuskript - die "Sommergeschichten" -, das ihm Alexander Duncker zur Begutachtung übergeben hatte, kennen gelernt. Vertieft und - entzückt.
von denen ein jeder sein Lieblingsstück hatte, die Vorträge rasch wechselnd, klangen in bunter Reihenfolge deutsche und dänische, venezianische und neapolitanische Lieder durch das Zimmer. Weder sein Spiel noch sein Gesang erhob Anspruch, etwas Vollkommenes zu sein; aber gerade das Unvirtuose gab allem einen besonderen Reiz. Er selbst spielte sich dabei den Aktenstaub von der Seele.
Noch einmal, mit Dank und Freude, denk’ ich an jene Tage zurück, die bis in den Sommer 1855 hinein dauerten. Als ich vier Jahre später, nach langer Abwesenheit, wieder heimkehrte, war das Haus verwaist, Kugler tot, die schöne Frau Clara nach München hin übersiedelt, in das Haus ihres Schwiegersohnes Heyse. Dort sah ich sie wieder, gebrochen in Glück und Leben. Sie überdauerte jene Tage nur noch eine kurze Weile.
Paul Heyse.
Paul Heyse, wie schon hervorgehoben, trat etwas später in den Tunnel als Kugler, etwa 1850. Kurze Zeit vorher hatte ich ihn in seinem elterlichen Hause, vertieft in ein Storm’sches Manuskript – die „Sommergeschichten“ –, das ihm Alexander Duncker zur Begutachtung übergeben hatte, kennen gelernt. Vertieft und – entzückt.
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von denen ein jeder sein Lieblingsstück hatte, die Vorträge rasch wechselnd, klangen in bunter Reihenfolge deutsche und dänische, venezianische und neapolitanische Lieder durch das Zimmer. Weder sein Spiel noch sein Gesang erhob Anspruch, etwas Vollkommenes zu sein; aber gerade das Unvirtuose gab allem einen besonderen Reiz. Er selbst spielte sich dabei den Aktenstaub von der Seele.</p><lb/><p>Noch einmal, mit Dank und Freude, denk’ ich an jene Tage zurück, die bis in den Sommer 1855 hinein dauerten. Als ich vier Jahre später, nach langer Abwesenheit, wieder heimkehrte, war das Haus verwaist, Kugler tot, die schöne Frau Clara nach München hin übersiedelt, in das Haus ihres Schwiegersohnes Heyse. Dort sah ich sie wieder, gebrochen in Glück und Leben. Sie überdauerte jene Tage nur noch eine kurze Weile.</p><lb/></div><divn="3"><head><hirendition="#b #c">Paul Heyse.</hi></head><p><hirendition="#g">Paul Heyse</hi>, wie schon hervorgehoben, trat etwas später in den Tunnel als Kugler, etwa 1850. Kurze Zeit vorher hatte ich ihn in seinem elterlichen Hause, vertieft in ein Storm’sches Manuskript – die „Sommergeschichten“–, das ihm Alexander Duncker zur Begutachtung übergeben hatte, kennen gelernt. Vertieft und – entzückt.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
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von denen ein jeder sein Lieblingsstück hatte, die Vorträge rasch wechselnd, klangen in bunter Reihenfolge deutsche und dänische, venezianische und neapolitanische Lieder durch das Zimmer. Weder sein Spiel noch sein Gesang erhob Anspruch, etwas Vollkommenes zu sein; aber gerade das Unvirtuose gab allem einen besonderen Reiz. Er selbst spielte sich dabei den Aktenstaub von der Seele.
Noch einmal, mit Dank und Freude, denk’ ich an jene Tage zurück, die bis in den Sommer 1855 hinein dauerten. Als ich vier Jahre später, nach langer Abwesenheit, wieder heimkehrte, war das Haus verwaist, Kugler tot, die schöne Frau Clara nach München hin übersiedelt, in das Haus ihres Schwiegersohnes Heyse. Dort sah ich sie wieder, gebrochen in Glück und Leben. Sie überdauerte jene Tage nur noch eine kurze Weile.
Paul Heyse.Paul Heyse, wie schon hervorgehoben, trat etwas später in den Tunnel als Kugler, etwa 1850. Kurze Zeit vorher hatte ich ihn in seinem elterlichen Hause, vertieft in ein Storm’sches Manuskript – die „Sommergeschichten“ –, das ihm Alexander Duncker zur Begutachtung übergeben hatte, kennen gelernt. Vertieft und – entzückt.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/313>, abgerufen am 29.11.2023.
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