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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Junius.
Vielleicht wissen aber die Neu-Seeländer, so gut als die Nord-Amerikanischen
Wilden, daß bey Entstehung eines Krieges ein großer Haufe von Menschen
einen Anführer haben muß, auf dessen größere Geschicklichkeit und Talente die
andern ihr Vertrauen und Hoffnung setzen können, und zu einem solchen Po-
sten taugen dann freylich keine andre als dergleichen junge Leute die noch Feuer
haben. Je mehr wir die kriegerische Neigung dieser Nation und die vielen klei-
nen Partheyen erwägen, worin sie getheilt sind, desto nothwendiger scheint uns
eine solche Art von Regierungsform zu seyn. Sie müssen ohne Zweifel erfahren
oder eingesehen haben, daß die Fähigkeiten eines Anführers nicht erblich sind,
und folglich vom Vater nicht allemal auf den Sohn gebracht werden; viel-
leicht haben sie auch Beweise unter sich erlebt, daß erbliches Regiment natür-
licher Weise zum Despotismus führt.

Capitain Cook fürchtete, daß die Indianer unsern auf dieser Insel an-
gelegten Garten finden und aus Unwissenheit verwüsten mögten. Er führte
also den Befehlshaber Teiratu selbst dahin, zeigte ihm alle die verschiedenen
Pflanzen, besonders aber die Cartoffeln. Diese schien der Wilde sehr hoch zu
schätzen, und er kannte sie ohne Zweifel schon, weil ein ähnliches Gewächs,
nämlich die virginische süße Cartoffel (convolvulus batatas) in einigen Ge-
genden der nördlichen Insel, auf welcher er zu Hause gehörte, gebauet wird.
Er versprach dem Capitain auch, daß er den Garten nicht vernichten, son-
dern alles unangerührt wolle stehen, wachsen und sich vermehren lassen; mit
dieser Abrede schieden sie von einander. So bald der Capitain auf unser Schiff
zurück gekommen war, gaben die See-Soldaten, zur Ehre des Königlichen Ge-
burtsfestes, drey Salven, und unser Seevolk machte ein dreymaliges Huzzah!

Nachmittags ward der Wind sehr frisch und hielt die folgenden zwey
Tage mit gleicher Hestigkeit an, so daß wir bis zum 7ten liegen bleiben mußten;
alsdann aber hoben wir am Morgen den Anker und segelten nebst der Adven-
ture
aus Ship-Cove ab. Unser bisheriger Aufenthalt in Charlotten-Sund
war unsern Leuten so wohl bekommen, daß sie jetzt wieder völlig so gesund
waren, als bey der Abreise aus England. In unserm Schiffe hatten wir nur
einen einzigen Kranken, einen See-Soldaten, der seit der Abreise von England
immer schwindsüchtig und wassersüchtig gewesen war.


Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Junius.
Vielleicht wiſſen aber die Neu-Seelaͤnder, ſo gut als die Nord-Amerikaniſchen
Wilden, daß bey Entſtehung eines Krieges ein großer Haufe von Menſchen
einen Anfuͤhrer haben muß, auf deſſen groͤßere Geſchicklichkeit und Talente die
andern ihr Vertrauen und Hoffnung ſetzen koͤnnen, und zu einem ſolchen Po-
ſten taugen dann freylich keine andre als dergleichen junge Leute die noch Feuer
haben. Je mehr wir die kriegeriſche Neigung dieſer Nation und die vielen klei-
nen Partheyen erwaͤgen, worin ſie getheilt ſind, deſto nothwendiger ſcheint uns
eine ſolche Art von Regierungsform zu ſeyn. Sie muͤſſen ohne Zweifel erfahren
oder eingeſehen haben, daß die Faͤhigkeiten eines Anfuͤhrers nicht erblich ſind,
und folglich vom Vater nicht allemal auf den Sohn gebracht werden; viel-
leicht haben ſie auch Beweiſe unter ſich erlebt, daß erbliches Regiment natuͤr-
licher Weiſe zum Deſpotismus fuͤhrt.

Capitain Cook fuͤrchtete, daß die Indianer unſern auf dieſer Inſel an-
gelegten Garten finden und aus Unwiſſenheit verwuͤſten moͤgten. Er fuͤhrte
alſo den Befehlshaber Teiratu ſelbſt dahin, zeigte ihm alle die verſchiedenen
Pflanzen, beſonders aber die Cartoffeln. Dieſe ſchien der Wilde ſehr hoch zu
ſchaͤtzen, und er kannte ſie ohne Zweifel ſchon, weil ein aͤhnliches Gewaͤchs,
naͤmlich die virginiſche ſuͤße Cartoffel (convolvulus batatas) in einigen Ge-
genden der noͤrdlichen Inſel, auf welcher er zu Hauſe gehoͤrte, gebauet wird.
Er verſprach dem Capitain auch, daß er den Garten nicht vernichten, ſon-
dern alles unangeruͤhrt wolle ſtehen, wachſen und ſich vermehren laſſen; mit
dieſer Abrede ſchieden ſie von einander. So bald der Capitain auf unſer Schiff
zuruͤck gekommen war, gaben die See-Soldaten, zur Ehre des Koͤniglichen Ge-
burtsfeſtes, drey Salven, und unſer Seevolk machte ein dreymaliges Huzzah!

Nachmittags ward der Wind ſehr friſch und hielt die folgenden zwey
Tage mit gleicher Heſtigkeit an, ſo daß wir bis zum 7ten liegen bleiben mußten;
alsdann aber hoben wir am Morgen den Anker und ſegelten nebſt der Adven-
ture
aus Ship-Cove ab. Unſer bisheriger Aufenthalt in Charlotten-Sund
war unſern Leuten ſo wohl bekommen, daß ſie jetzt wieder voͤllig ſo geſund
waren, als bey der Abreiſe aus England. In unſerm Schiffe hatten wir nur
einen einzigen Kranken, einen See-Soldaten, der ſeit der Abreiſe von England
immer ſchwindſuͤchtig und waſſerſuͤchtig geweſen war.


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[174/0227] Forſter’s Reiſe um die Welt Vielleicht wiſſen aber die Neu-Seelaͤnder, ſo gut als die Nord-Amerikaniſchen Wilden, daß bey Entſtehung eines Krieges ein großer Haufe von Menſchen einen Anfuͤhrer haben muß, auf deſſen groͤßere Geſchicklichkeit und Talente die andern ihr Vertrauen und Hoffnung ſetzen koͤnnen, und zu einem ſolchen Po- ſten taugen dann freylich keine andre als dergleichen junge Leute die noch Feuer haben. Je mehr wir die kriegeriſche Neigung dieſer Nation und die vielen klei- nen Partheyen erwaͤgen, worin ſie getheilt ſind, deſto nothwendiger ſcheint uns eine ſolche Art von Regierungsform zu ſeyn. Sie muͤſſen ohne Zweifel erfahren oder eingeſehen haben, daß die Faͤhigkeiten eines Anfuͤhrers nicht erblich ſind, und folglich vom Vater nicht allemal auf den Sohn gebracht werden; viel- leicht haben ſie auch Beweiſe unter ſich erlebt, daß erbliches Regiment natuͤr- licher Weiſe zum Deſpotismus fuͤhrt. 1773. Junius. Capitain Cook fuͤrchtete, daß die Indianer unſern auf dieſer Inſel an- gelegten Garten finden und aus Unwiſſenheit verwuͤſten moͤgten. Er fuͤhrte alſo den Befehlshaber Teiratu ſelbſt dahin, zeigte ihm alle die verſchiedenen Pflanzen, beſonders aber die Cartoffeln. Dieſe ſchien der Wilde ſehr hoch zu ſchaͤtzen, und er kannte ſie ohne Zweifel ſchon, weil ein aͤhnliches Gewaͤchs, naͤmlich die virginiſche ſuͤße Cartoffel (convolvulus batatas) in einigen Ge- genden der noͤrdlichen Inſel, auf welcher er zu Hauſe gehoͤrte, gebauet wird. Er verſprach dem Capitain auch, daß er den Garten nicht vernichten, ſon- dern alles unangeruͤhrt wolle ſtehen, wachſen und ſich vermehren laſſen; mit dieſer Abrede ſchieden ſie von einander. So bald der Capitain auf unſer Schiff zuruͤck gekommen war, gaben die See-Soldaten, zur Ehre des Koͤniglichen Ge- burtsfeſtes, drey Salven, und unſer Seevolk machte ein dreymaliges Huzzah! Nachmittags ward der Wind ſehr friſch und hielt die folgenden zwey Tage mit gleicher Heſtigkeit an, ſo daß wir bis zum 7ten liegen bleiben mußten; alsdann aber hoben wir am Morgen den Anker und ſegelten nebſt der Adven- ture aus Ship-Cove ab. Unſer bisheriger Aufenthalt in Charlotten-Sund war unſern Leuten ſo wohl bekommen, daß ſie jetzt wieder voͤllig ſo geſund waren, als bey der Abreiſe aus England. In unſerm Schiffe hatten wir nur einen einzigen Kranken, einen See-Soldaten, der ſeit der Abreiſe von England immer ſchwindſuͤchtig und waſſerſuͤchtig geweſen war.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/227>, abgerufen am 29.04.2024.