1772. August.hier gleichsam angeboren ist, hält sie stets eingeschlossen und beraubt sie einer Glück- seligkeit, welche den ärmern Landweibern unbenommen bleibt. Die Vorneh- mern machen eine Art von Adel aus; aber ihr Ahnen-Stolz macht sie ungesellig und unwissend, und verleitet sie zu einem lächerlich-affectirten, vornehmen We- ge sen. Die Landgüther gehören einigen alten Familien, die zu Funchal und in den übrigen Städten der Insel wohnhaft sind.
Madera besteht aus einem einzigen großen Berge, der sich von allen Seiten von der See gegen die Mitte der Insel erhebt, und daselbst in eine Spitze zusammen läuft, auf der sich eine Vertiefung finden soll, welche von den Ein- wohnern Val genannt wird, und, ihrer Aussage nach, mit einem feinen, im- mer grünen Grase bewachsen ist. Die Steine, welche wir zu untersuchen Gelegenheit hatten, schienen alle im Feuer gewesen zu seyn, waren löchericht und von schwarzer Farbe; kurz, der größte Theil derselben war Lava. Einige glichen jener Steinart, welche von den Bergleuten in Derbyshire, Dunstone genannt wird. Auf der ganzen Insel besteht das Erdreich aus einem Tras, welcher mit Thon und Sand gemischt und gewissen Erdarten ähnlich ist, die wir nachher auch auf der Insel Ascension antrafen. Aus allen diesen Umständen glaube ich mit Recht schließen zu können, daß ein Feuerspeyender Berg diese Laven und Ocher- Erden hervorgebracht habe, und daß die oberwähnte Vertieffung auf der Bergspitze der Insel, der Crater, oder die Mündung des Vulcans gewesen sey. Beym ersten Anblick von Madera war ich zwar andrer Meynung; allein der schwarze Loo- Felsen, imgleichen jener, auf welchem das Castel S. John steht, ferner die Beschaffenheit der Erd- und Steinarten und endlich die Lage vorgedachter Ver- tiefung überzeugten mich, daß hier alles eine gewaltsame Veränderung vom Feuer erlitten haben müsse.
Verschiedne Bäche, welche von den höchsten Gegenden in tiefen Schluch- ten herab ströhmen, machen große Abtheilungen auf der Insel; allein Ebenen, dergleichen andre Reisende vor uns bemerkt haben wollen, *) konnten wir hier nir- gends finden. In den Flußbeeten jener Bäche giebt es an manchen Stellen eine Menge größerer und kleinerer Steine, welche das Wasser aus den höheren Ge- genden, hauptsächlich zur Winterszeit, bey heftigem Regen oder bey aufgehen-
*) S. Hawkesworth's Geschichte der engl. See-Reisen um die Welt.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Auguſt.hier gleichſam angeboren iſt, haͤlt ſie ſtets eingeſchloſſen und beraubt ſie einer Gluͤck- ſeligkeit, welche den aͤrmern Landweibern unbenommen bleibt. Die Vorneh- mern machen eine Art von Adel aus; aber ihr Ahnen-Stolz macht ſie ungeſellig und unwiſſend, und verleitet ſie zu einem laͤcherlich-affectirten, vornehmen We- ge ſen. Die Landguͤther gehoͤren einigen alten Familien, die zu Funchal und in den uͤbrigen Staͤdten der Inſel wohnhaft ſind.
Madera beſteht aus einem einzigen großen Berge, der ſich von allen Seiten von der See gegen die Mitte der Inſel erhebt, und daſelbſt in eine Spitze zuſammen laͤuft, auf der ſich eine Vertiefung finden ſoll, welche von den Ein- wohnern Val genannt wird, und, ihrer Ausſage nach, mit einem feinen, im- mer gruͤnen Graſe bewachſen iſt. Die Steine, welche wir zu unterſuchen Gelegenheit hatten, ſchienen alle im Feuer geweſen zu ſeyn, waren loͤchericht und von ſchwarzer Farbe; kurz, der groͤßte Theil derſelben war Lava. Einige glichen jener Steinart, welche von den Bergleuten in Derbyſhire, Dunſtone genannt wird. Auf der ganzen Inſel beſteht das Erdreich aus einem Tras, welcher mit Thon und Sand gemiſcht und gewiſſen Erdarten aͤhnlich iſt, die wir nachher auch auf der Inſel Aſcenſion antrafen. Aus allen dieſen Umſtaͤnden glaube ich mit Recht ſchließen zu koͤnnen, daß ein Feuerſpeyender Berg dieſe Laven und Ocher- Erden hervorgebracht habe, und daß die oberwaͤhnte Vertieffung auf der Bergſpitze der Inſel, der Crater, oder die Muͤndung des Vulcans geweſen ſey. Beym erſten Anblick von Madera war ich zwar andrer Meynung; allein der ſchwarze Loo- Felſen, imgleichen jener, auf welchem das Caſtel S. John ſteht, ferner die Beſchaffenheit der Erd- und Steinarten und endlich die Lage vorgedachter Ver- tiefung uͤberzeugten mich, daß hier alles eine gewaltſame Veraͤnderung vom Feuer erlitten haben muͤſſe.
Verſchiedne Baͤche, welche von den hoͤchſten Gegenden in tiefen Schluch- ten herab ſtroͤhmen, machen große Abtheilungen auf der Inſel; allein Ebenen, dergleichen andre Reiſende vor uns bemerkt haben wollen, *) konnten wir hier nir- gends finden. In den Flußbeeten jener Baͤche giebt es an manchen Stellen eine Menge groͤßerer und kleinerer Steine, welche das Waſſer aus den hoͤheren Ge- genden, hauptſaͤchlich zur Winterszeit, bey heftigem Regen oder bey aufgehen-
*) S. Hawkesworth’s Geſchichte der engl. See-Reiſen um die Welt.
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ſeligkeit, welche den aͤrmern Landweibern unbenommen bleibt. Die Vorneh-
mern machen eine Art von Adel aus; aber ihr Ahnen-Stolz macht ſie ungeſellig
und unwiſſend, und verleitet ſie zu einem laͤcherlich-affectirten, vornehmen We-
ge ſen. Die Landguͤther gehoͤren einigen alten Familien, die zu Funchal und in
den uͤbrigen Staͤdten der Inſel wohnhaft ſind.
1772.
Auguſt.
Madera beſteht aus einem einzigen großen Berge, der ſich von allen
Seiten von der See gegen die Mitte der Inſel erhebt, und daſelbſt in eine Spitze
zuſammen laͤuft, auf der ſich eine Vertiefung finden ſoll, welche von den Ein-
wohnern Val genannt wird, und, ihrer Ausſage nach, mit einem feinen, im-
mer gruͤnen Graſe bewachſen iſt. Die Steine, welche wir zu unterſuchen
Gelegenheit hatten, ſchienen alle im Feuer geweſen zu ſeyn, waren loͤchericht und
von ſchwarzer Farbe; kurz, der groͤßte Theil derſelben war Lava. Einige glichen
jener Steinart, welche von den Bergleuten in Derbyſhire, Dunſtone genannt
wird. Auf der ganzen Inſel beſteht das Erdreich aus einem Tras, welcher mit
Thon und Sand gemiſcht und gewiſſen Erdarten aͤhnlich iſt, die wir nachher auch
auf der Inſel Aſcenſion antrafen. Aus allen dieſen Umſtaͤnden glaube ich mit
Recht ſchließen zu koͤnnen, daß ein Feuerſpeyender Berg dieſe Laven und Ocher-
Erden hervorgebracht habe, und daß die oberwaͤhnte Vertieffung auf der Bergſpitze
der Inſel, der Crater, oder die Muͤndung des Vulcans geweſen ſey. Beym erſten
Anblick von Madera war ich zwar andrer Meynung; allein der ſchwarze Loo-
Felſen, imgleichen jener, auf welchem das Caſtel S. John ſteht, ferner die
Beſchaffenheit der Erd- und Steinarten und endlich die Lage vorgedachter Ver-
tiefung uͤberzeugten mich, daß hier alles eine gewaltſame Veraͤnderung vom Feuer
erlitten haben muͤſſe.
Verſchiedne Baͤche, welche von den hoͤchſten Gegenden in tiefen Schluch-
ten herab ſtroͤhmen, machen große Abtheilungen auf der Inſel; allein Ebenen,
dergleichen andre Reiſende vor uns bemerkt haben wollen, *) konnten wir hier nir-
gends finden. In den Flußbeeten jener Baͤche giebt es an manchen Stellen eine
Menge groͤßerer und kleinerer Steine, welche das Waſſer aus den hoͤheren Ge-
genden, hauptſaͤchlich zur Winterszeit, bey heftigem Regen oder bey aufgehen-
*) S. Hawkesworth’s Geſchichte der engl. See-Reiſen um die Welt.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/63>, abgerufen am 17.06.2024.
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