1772. August.so fern sie beym Einathmen die Lunge stärkt und vermittelst ihrer gelind zusam- menziehenden Würkung auf die Haut, der allzuheftigen Ausdünstung vorbeugt.
Zu den Vorbauungs- und Heilmitteln gegen den See-Scharbock, welche wir von England aus mit genommen hatten, gehörte auch eine verdickte Essenz von Bier *) (Weert oder Woort). Von dieser führten wir verschiedne Fäs- ser am Bord; allein, noch ehe wir Madera verließen, war sie bereits in Gährung gerathen und jetzt sprengte sie gar die Fässer und lief aus. Der Capi- tain glaubte dem Uebel abzuhelfen, wenn er sie aus ihrem unteren, heißen Lager aufs Verdeck bringen ließe wo es kühler war; allein die freye Luft vermehrte die Gährung dergestalt, daß sie manchem Fasse den Boden ausstieß: dies geschah allemahl mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeschossen wurde, und ein Dunst oder Dampf gieng gemeiniglich vor dem Knalle her. Auf Anrathen meines Vaters ward eine gährende Tonne dieser Essenz auf ein Faß umgefüllet, welches zuvor tüchtig war ausgeschwefelt worden. Dies stillte nun zwar die Gährung auf einige Tage lang; nach deren Verlaufaber kam sie dennoch wieder, vornemlich in den Fässern, welche der freyen Luft ausgesetzt waren. Einige Tonnen, die unten in den kleinen Ballast-Steinen vergraben lagen, hielten sich besser, wenigstens sprungen sie nicht; vielleicht würde auch eine Beymischung von doppelt abgezognen Brantwein den Fortgang der Gährung gehindert haben. Uebrigens war das Bier welches aus dieser Würze, blos durch Beygießung von warmen Wasser, gemacht ward, sehr gut und lies sich trinken; nur hatte es einen etwas empyrevmati- schen Geschmack, der durchs Einkochen entstanden war.
Am 11. August entdeckten wir Bonavista, eine von den Inseln des grünen Vorgebürges; und als sich am folgenden Morgen das Wetter, nach ei- nem Regenschauer, aufgeheitert hatte, erblickten wir auch die Insel Mayo. Ge- gen Mittag näherten wir uns endlich der Insel San Jago und ankerten um drey Uhr Rachmittags in der Bay von Porto-Praya, --"welche an der Süd- seite der Insel im 14°. 53'. 30". nördlicher Breite, und unter 23. 30'. westli- cher Länge liegt." --
*) Bier-Würze oder Maisch war so lange eingekocht worden bis dies Getränke die Consistenz von Syrup bekommen hatte; dies nannte man Bier-Essenz oder Würz-Essenz.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. Auguſt.ſo fern ſie beym Einathmen die Lunge ſtaͤrkt und vermittelſt ihrer gelind zuſam- menziehenden Wuͤrkung auf die Haut, der allzuheftigen Ausduͤnſtung vorbeugt.
Zu den Vorbauungs- und Heilmitteln gegen den See-Scharbock, welche wir von England aus mit genommen hatten, gehoͤrte auch eine verdickte Eſſenz von Bier *) (Weert oder Woort). Von dieſer fuͤhrten wir verſchiedne Faͤſ- ſer am Bord; allein, noch ehe wir Madera verließen, war ſie bereits in Gaͤhrung gerathen und jetzt ſprengte ſie gar die Faͤſſer und lief aus. Der Capi- tain glaubte dem Uebel abzuhelfen, wenn er ſie aus ihrem unteren, heißen Lager aufs Verdeck bringen ließe wo es kuͤhler war; allein die freye Luft vermehrte die Gaͤhrung dergeſtalt, daß ſie manchem Faſſe den Boden ausſtieß: dies geſchah allemahl mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeſchoſſen wurde, und ein Dunſt oder Dampf gieng gemeiniglich vor dem Knalle her. Auf Anrathen meines Vaters ward eine gaͤhrende Tonne dieſer Eſſenz auf ein Faß umgefuͤllet, welches zuvor tuͤchtig war ausgeſchwefelt worden. Dies ſtillte nun zwar die Gaͤhrung auf einige Tage lang; nach deren Verlaufaber kam ſie dennoch wieder, vornemlich in den Faͤſſern, welche der freyen Luft ausgeſetzt waren. Einige Tonnen, die unten in den kleinen Ballaſt-Steinen vergraben lagen, hielten ſich beſſer, wenigſtens ſprungen ſie nicht; vielleicht wuͤrde auch eine Beymiſchung von doppelt abgezognen Brantwein den Fortgang der Gaͤhrung gehindert haben. Uebrigens war das Bier welches aus dieſer Wuͤrze, blos durch Beygießung von warmen Waſſer, gemacht ward, ſehr gut und lies ſich trinken; nur hatte es einen etwas empyrevmati- ſchen Geſchmack, der durchs Einkochen entſtanden war.
Am 11. Auguſt entdeckten wir Bonaviſta, eine von den Inſeln des gruͤnen Vorgebuͤrges; und als ſich am folgenden Morgen das Wetter, nach ei- nem Regenſchauer, aufgeheitert hatte, erblickten wir auch die Inſel Mayo. Ge- gen Mittag naͤherten wir uns endlich der Inſel San Jago und ankerten um drey Uhr Rachmittags in der Bay von Porto-Praya, —“welche an der Suͤd- ſeite der Inſel im 14°. 53′. 30″. noͤrdlicher Breite, und unter 23. 30′. weſtli- cher Laͤnge liegt.“ —
*) Bier-Wuͤrze oder Maiſch war ſo lange eingekocht worden bis dies Getraͤnke die Conſiſtenz von Syrup bekommen hatte; dies nannte man Bier-Eſſenz oder Wuͤrz-Eſſenz.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0071"n="26"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><noteplace="left">1772.<lb/>
Auguſt.</note>ſo fern ſie beym Einathmen die Lunge ſtaͤrkt und vermittelſt ihrer gelind zuſam-<lb/>
menziehenden Wuͤrkung auf die Haut, der allzuheftigen Ausduͤnſtung vorbeugt.</p><lb/><p>Zu den Vorbauungs- und Heilmitteln gegen den See-Scharbock, welche<lb/>
wir von <placeName>England</placeName> aus mit genommen hatten, gehoͤrte auch eine verdickte Eſſenz<lb/>
von Bier <noteplace="foot"n="*)">Bier-Wuͤrze oder Maiſch war ſo lange eingekocht worden bis dies Getraͤnke die Conſiſtenz<lb/>
von Syrup bekommen hatte; dies nannte man <hirendition="#fr">Bier-Eſſenz</hi> oder <hirendition="#fr">Wuͤrz-Eſſenz</hi>.</note> (<hirendition="#fr">Weert</hi> oder <hirendition="#fr">Woort</hi>). Von dieſer fuͤhrten wir verſchiedne Faͤſ-<lb/>ſer am Bord; allein, noch ehe wir <hirendition="#fr"><placeName>Madera</placeName></hi> verließen, war ſie bereits in<lb/>
Gaͤhrung gerathen und jetzt ſprengte ſie gar die Faͤſſer und lief aus. Der Capi-<lb/>
tain glaubte dem Uebel abzuhelfen, wenn er ſie aus ihrem unteren, heißen Lager<lb/>
aufs Verdeck bringen ließe wo es kuͤhler war; allein die freye Luft vermehrte<lb/>
die Gaͤhrung dergeſtalt, daß ſie manchem Faſſe den Boden ausſtieß: dies geſchah<lb/>
allemahl mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeſchoſſen wurde, und ein<lb/>
Dunſt oder Dampf gieng gemeiniglich vor dem Knalle her. Auf Anrathen meines<lb/>
Vaters ward eine gaͤhrende Tonne dieſer Eſſenz auf ein Faß umgefuͤllet, welches<lb/>
zuvor tuͤchtig war ausgeſchwefelt worden. Dies ſtillte nun zwar die Gaͤhrung auf<lb/>
einige Tage lang; nach deren Verlaufaber kam ſie dennoch wieder, vornemlich in<lb/>
den Faͤſſern, welche der freyen Luft ausgeſetzt waren. Einige Tonnen, die unten<lb/>
in den kleinen Ballaſt-Steinen vergraben lagen, hielten ſich beſſer, wenigſtens<lb/>ſprungen ſie nicht; vielleicht wuͤrde auch eine Beymiſchung von doppelt abgezognen<lb/>
Brantwein den Fortgang der Gaͤhrung gehindert haben. Uebrigens war das Bier<lb/>
welches aus dieſer Wuͤrze, blos durch Beygießung von warmen Waſſer, gemacht<lb/>
ward, ſehr gut und lies ſich trinken; nur hatte es einen etwas empyrevmati-<lb/>ſchen Geſchmack, der durchs Einkochen entſtanden war.</p><lb/><p>Am 11. <hirendition="#fr">Auguſt</hi> entdeckten wir <hirendition="#fr"><placeName>Bonaviſta</placeName></hi>, eine von den Inſeln des<lb/><placeName>gruͤnen Vorgebuͤrges</placeName>; und als ſich am folgenden Morgen das Wetter, nach ei-<lb/>
nem Regenſchauer, aufgeheitert hatte, erblickten wir auch die Inſel <hirendition="#fr"><placeName>Mayo</placeName></hi>. Ge-<lb/>
gen Mittag naͤherten wir uns endlich der Inſel <hirendition="#fr"><placeName>San Jago</placeName></hi> und ankerten um<lb/>
drey Uhr Rachmittags in der Bay von <hirendition="#fr"><placeName>Porto-Praya</placeName></hi>, —“welche an der Suͤd-<lb/>ſeite der Inſel im 14°. 53′. 30″. noͤrdlicher Breite, und unter 23. 30′. weſtli-<lb/>
cher Laͤnge liegt.“—</p><lb/></div></body></text></TEI>
[26/0071]
Forſter’s Reiſe um die Welt
ſo fern ſie beym Einathmen die Lunge ſtaͤrkt und vermittelſt ihrer gelind zuſam-
menziehenden Wuͤrkung auf die Haut, der allzuheftigen Ausduͤnſtung vorbeugt.
1772.
Auguſt.
Zu den Vorbauungs- und Heilmitteln gegen den See-Scharbock, welche
wir von England aus mit genommen hatten, gehoͤrte auch eine verdickte Eſſenz
von Bier *) (Weert oder Woort). Von dieſer fuͤhrten wir verſchiedne Faͤſ-
ſer am Bord; allein, noch ehe wir Madera verließen, war ſie bereits in
Gaͤhrung gerathen und jetzt ſprengte ſie gar die Faͤſſer und lief aus. Der Capi-
tain glaubte dem Uebel abzuhelfen, wenn er ſie aus ihrem unteren, heißen Lager
aufs Verdeck bringen ließe wo es kuͤhler war; allein die freye Luft vermehrte
die Gaͤhrung dergeſtalt, daß ſie manchem Faſſe den Boden ausſtieß: dies geſchah
allemahl mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeſchoſſen wurde, und ein
Dunſt oder Dampf gieng gemeiniglich vor dem Knalle her. Auf Anrathen meines
Vaters ward eine gaͤhrende Tonne dieſer Eſſenz auf ein Faß umgefuͤllet, welches
zuvor tuͤchtig war ausgeſchwefelt worden. Dies ſtillte nun zwar die Gaͤhrung auf
einige Tage lang; nach deren Verlaufaber kam ſie dennoch wieder, vornemlich in
den Faͤſſern, welche der freyen Luft ausgeſetzt waren. Einige Tonnen, die unten
in den kleinen Ballaſt-Steinen vergraben lagen, hielten ſich beſſer, wenigſtens
ſprungen ſie nicht; vielleicht wuͤrde auch eine Beymiſchung von doppelt abgezognen
Brantwein den Fortgang der Gaͤhrung gehindert haben. Uebrigens war das Bier
welches aus dieſer Wuͤrze, blos durch Beygießung von warmen Waſſer, gemacht
ward, ſehr gut und lies ſich trinken; nur hatte es einen etwas empyrevmati-
ſchen Geſchmack, der durchs Einkochen entſtanden war.
Am 11. Auguſt entdeckten wir Bonaviſta, eine von den Inſeln des
gruͤnen Vorgebuͤrges; und als ſich am folgenden Morgen das Wetter, nach ei-
nem Regenſchauer, aufgeheitert hatte, erblickten wir auch die Inſel Mayo. Ge-
gen Mittag naͤherten wir uns endlich der Inſel San Jago und ankerten um
drey Uhr Rachmittags in der Bay von Porto-Praya, —“welche an der Suͤd-
ſeite der Inſel im 14°. 53′. 30″. noͤrdlicher Breite, und unter 23. 30′. weſtli-
cher Laͤnge liegt.“ —
*) Bier-Wuͤrze oder Maiſch war ſo lange eingekocht worden bis dies Getraͤnke die Conſiſtenz
von Syrup bekommen hatte; dies nannte man Bier-Eſſenz oder Wuͤrz-Eſſenz.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/71>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.