1772. October.kleine Sturm-Taucher (diving petrels) nebst verschiedenen wilden Enten kamen von da in See. Der zunehmende Nebel entzog uns den Anblick des Landes bald wieder, bis sich endlich um drey Uhr Nachmittags die Luft aushellte und uns die Küste von neuem, zwar nicht ganz wolkenfrey, jedoch ungleich deutlicher als zu- vor, sehen ließ. Da der Wind sehr frisch und die Adventure weit zurück war; so durften wir es nicht wagen, noch diese Nacht in die Tafel-Bay einzulaufen. Wir nahmen daher bey einbrechendem Abend die Seegel ein, zumahl da das Wet- ter sehr finster wurde und harter Regen mit Stoßwinden beständig abwechselten.
Kaum wars Nacht worden, als die See rund um uns her einen gros- sen, bewundrungswürdigen Anblick darboth. So weit wir sehen konnten schien der ganze Ocean in Feuer zu seyn. Jede brechende Welle war an der Spitze von einem hellen Glanz erleuchtet, der dem Lichte des Phosphorus glich, und längst den Seiten des Schiffs verursachte das Anschlagen der Wellen eine feuer- helle Linie. Hiernächst konnten wir auch große leuchtende Cörper im Wasser unterscheiden, die sich bald geschwind, bald langsam, jetzt in einerley Richtung mit dem Schiff, dann wieder von uns weg, bewegten. Zuweilen sahen wir ganz deutlich, daß diese Massen als Fische gestaltet waren, und daß die kleinern den größern aus dem Wege giengen. Um dies wunderbare Phänomen genauer zu un- tersuchen, ließen wir einen Eymer solchen leuchtenden See-Wassers aufs Ver- deck holen; und es fand sich, daß unzählbare leuchtende Cörperchen von rundli- cher Gestalt, die mit großer Geschwindigkeit darin herumschwommen, jenen glän- zenden Schein hervorbrachten. Nachdem das Wasser eine Weile gestanden hatte, so schien die Zahl der Funken sich zu vermindern; so bald wirs aber von neuen rührten, so ward es wieder so leuchtend als zuvor. Auch bemerkten wir, wenn das Wasser nach und nach ruhig ward, daß die hellen Körper wieder die zit- ternde Bewegung oder den Strohm desselben schwammen; ob sie gleich bey stär- kerem Rühren der Richtung, nach welcher sich das Wasser alsdenn bewegte, nicht widerstehen konnten, sondern mit derselben fortgerissen wurden. Um noch nä- her zu bestimmen, ob diese Thierchen ein eigenthümliches Vermögen hätten sich zu bewegen, oder ob ihre Bewegung vielleicht blos vom Schwanken des Schif- fes herrühre, durch welche das Wasser im Eymer unabläßig gerüttelt ward, ließen wir diesen freyschwebend aufhängen. Dieser Versuch setzte ihre selbst-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1772. October.kleine Sturm-Taucher (diving petrels) nebſt verſchiedenen wilden Enten kamen von da in See. Der zunehmende Nebel entzog uns den Anblick des Landes bald wieder, bis ſich endlich um drey Uhr Nachmittags die Luft aushellte und uns die Kuͤſte von neuem, zwar nicht ganz wolkenfrey, jedoch ungleich deutlicher als zu- vor, ſehen ließ. Da der Wind ſehr friſch und die Adventure weit zuruͤck war; ſo durften wir es nicht wagen, noch dieſe Nacht in die Tafel-Bay einzulaufen. Wir nahmen daher bey einbrechendem Abend die Seegel ein, zumahl da das Wet- ter ſehr finſter wurde und harter Regen mit Stoßwinden beſtaͤndig abwechſelten.
Kaum wars Nacht worden, als die See rund um uns her einen groſ- ſen, bewundrungswuͤrdigen Anblick darboth. So weit wir ſehen konnten ſchien der ganze Ocean in Feuer zu ſeyn. Jede brechende Welle war an der Spitze von einem hellen Glanz erleuchtet, der dem Lichte des Phosphorus glich, und laͤngſt den Seiten des Schiffs verurſachte das Anſchlagen der Wellen eine feuer- helle Linie. Hiernaͤchſt konnten wir auch große leuchtende Coͤrper im Waſſer unterſcheiden, die ſich bald geſchwind, bald langſam, jetzt in einerley Richtung mit dem Schiff, dann wieder von uns weg, bewegten. Zuweilen ſahen wir ganz deutlich, daß dieſe Maſſen als Fiſche geſtaltet waren, und daß die kleinern den groͤßern aus dem Wege giengen. Um dies wunderbare Phaͤnomen genauer zu un- terſuchen, ließen wir einen Eymer ſolchen leuchtenden See-Waſſers aufs Ver- deck holen; und es fand ſich, daß unzaͤhlbare leuchtende Coͤrperchen von rundli- cher Geſtalt, die mit großer Geſchwindigkeit darin herumſchwommen, jenen glaͤn- zenden Schein hervorbrachten. Nachdem das Waſſer eine Weile geſtanden hatte, ſo ſchien die Zahl der Funken ſich zu vermindern; ſo bald wirs aber von neuen ruͤhrten, ſo ward es wieder ſo leuchtend als zuvor. Auch bemerkten wir, wenn das Waſſer nach und nach ruhig ward, daß die hellen Koͤrper wieder die zit- ternde Bewegung oder den Strohm deſſelben ſchwammen; ob ſie gleich bey ſtaͤr- kerem Ruͤhren der Richtung, nach welcher ſich das Waſſer alsdenn bewegte, nicht widerſtehen konnten, ſondern mit derſelben fortgeriſſen wurden. Um noch naͤ- her zu beſtimmen, ob dieſe Thierchen ein eigenthuͤmliches Vermoͤgen haͤtten ſich zu bewegen, oder ob ihre Bewegung vielleicht blos vom Schwanken des Schif- fes herruͤhre, durch welche das Waſſer im Eymer unablaͤßig geruͤttelt ward, ließen wir dieſen freyſchwebend aufhaͤngen. Dieſer Verſuch ſetzte ihre ſelbſt-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
kleine Sturm-Taucher (diving petrels) nebſt verſchiedenen wilden Enten kamen
von da in See. Der zunehmende Nebel entzog uns den Anblick des Landes bald
wieder, bis ſich endlich um drey Uhr Nachmittags die Luft aushellte und uns die
Kuͤſte von neuem, zwar nicht ganz wolkenfrey, jedoch ungleich deutlicher als zu-
vor, ſehen ließ. Da der Wind ſehr friſch und die Adventure weit zuruͤck war;
ſo durften wir es nicht wagen, noch dieſe Nacht in die Tafel-Bay einzulaufen.
Wir nahmen daher bey einbrechendem Abend die Seegel ein, zumahl da das Wet-
ter ſehr finſter wurde und harter Regen mit Stoßwinden beſtaͤndig abwechſelten.
1772.
October.
Kaum wars Nacht worden, als die See rund um uns her einen groſ-
ſen, bewundrungswuͤrdigen Anblick darboth. So weit wir ſehen konnten ſchien
der ganze Ocean in Feuer zu ſeyn. Jede brechende Welle war an der Spitze
von einem hellen Glanz erleuchtet, der dem Lichte des Phosphorus glich, und
laͤngſt den Seiten des Schiffs verurſachte das Anſchlagen der Wellen eine feuer-
helle Linie. Hiernaͤchſt konnten wir auch große leuchtende Coͤrper im Waſſer
unterſcheiden, die ſich bald geſchwind, bald langſam, jetzt in einerley Richtung
mit dem Schiff, dann wieder von uns weg, bewegten. Zuweilen ſahen wir ganz
deutlich, daß dieſe Maſſen als Fiſche geſtaltet waren, und daß die kleinern den
groͤßern aus dem Wege giengen. Um dies wunderbare Phaͤnomen genauer zu un-
terſuchen, ließen wir einen Eymer ſolchen leuchtenden See-Waſſers aufs Ver-
deck holen; und es fand ſich, daß unzaͤhlbare leuchtende Coͤrperchen von rundli-
cher Geſtalt, die mit großer Geſchwindigkeit darin herumſchwommen, jenen glaͤn-
zenden Schein hervorbrachten. Nachdem das Waſſer eine Weile geſtanden hatte,
ſo ſchien die Zahl der Funken ſich zu vermindern; ſo bald wirs aber von neuen
ruͤhrten, ſo ward es wieder ſo leuchtend als zuvor. Auch bemerkten wir, wenn
das Waſſer nach und nach ruhig ward, daß die hellen Koͤrper wieder die zit-
ternde Bewegung oder den Strohm deſſelben ſchwammen; ob ſie gleich bey ſtaͤr-
kerem Ruͤhren der Richtung, nach welcher ſich das Waſſer alsdenn bewegte, nicht
widerſtehen konnten, ſondern mit derſelben fortgeriſſen wurden. Um noch naͤ-
her zu beſtimmen, ob dieſe Thierchen ein eigenthuͤmliches Vermoͤgen haͤtten ſich
zu bewegen, oder ob ihre Bewegung vielleicht blos vom Schwanken des Schif-
fes herruͤhre, durch welche das Waſſer im Eymer unablaͤßig geruͤttelt ward,
ließen wir dieſen freyſchwebend aufhaͤngen. Dieſer Verſuch ſetzte ihre ſelbſt-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/87>, abgerufen am 16.06.2024.
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