Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1772.
October.
ben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Wässerung derselben, an der
erforderlichen Quantität fließenden Wassers fehlt, so können sie, ohngeachtet
der vielfältig angebrachten Schleusen, dennoch nicht verhindern, daß nicht ein-
zelne Theile des Canals oft ganz ohne Wasser seyn sollten, die denn eben keinen
angenehmen Geruch ausduften. Der holländische Natlonal-Character offenbart
sich hierin sehr deutlich. Ihre Städte sind durchgehends mit Canälen versehen,
obgleich Vernunft und Erfahrung augenscheinlich zeigen, daß die Ausdünstungen
derselben den Einwohnern, besonders zu Batavia, höchst nachtheilig werden
müssen


Quanto praestantius esset
-- viridi si margine clauderet undas
Herba, nec ingenuum violarent marmora tophum!

Juvenal.

Die Häuser sind von Backsteinen und an der Außenseite mehrentheils mit
Kalk beworfen, die Zimmer auch gemeiniglich hoch, räumlich und luftig, wie
das heiße Clima solches erfordert. In der ganzen Stadt ist nur eine Kirche,
und auch diese nicht allein von schlechter Bauart, sondern dem Ansehen nach,
für die Gemeine auch zu klein. Der Duldungs-Geist, welcher den Hollän-
dern in Europa so viel Nutzen verschaft hat, ist in ihren Colonien nicht zu
finden. Nur erst seit ganz kurzer Zeit haben sie den Lutheranern erlaubt hier
und zu Batavia Kirchen zu bauen; und selbst gegenwärtig haben diese noch
keinen eignen Prediger am Cap, sondern müssen sich mit den Schifs-Predigern
der Dänischen oder Schwedischen Ost-Indienfahrer begnügen, die, gegen gute
Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl
austheilen. Die Sclaven sind in diesem Stück noch viel übler dran; denn
weder die Regierung überhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbeson-
dre, bekümmern sich um einen so geringfügigen Umstand, als ihnen die Reli-
gion ihrer Leibeignen zu seyn dünkt, im allergeringsten; daher denn auch diese,
im Ganzen genommen, gar keine zu haben scheinen. Einige wenige derselben sind
dem Mohamedanischen Glauben zugethan, und versammlen sich wöchentlich ein-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1772.
October.
ben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Waͤſſerung derſelben, an der
erforderlichen Quantitaͤt fließenden Waſſers fehlt, ſo koͤnnen ſie, ohngeachtet
der vielfaͤltig angebrachten Schleuſen, dennoch nicht verhindern, daß nicht ein-
zelne Theile des Canals oft ganz ohne Waſſer ſeyn ſollten, die denn eben keinen
angenehmen Geruch ausduften. Der hollaͤndiſche Natlonal-Character offenbart
ſich hierin ſehr deutlich. Ihre Staͤdte ſind durchgehends mit Canaͤlen verſehen,
obgleich Vernunft und Erfahrung augenſcheinlich zeigen, daß die Ausduͤnſtungen
derſelben den Einwohnern, beſonders zu Batavia, hoͤchſt nachtheilig werden
muͤſſen


Quanto præſtantius eſſet
— viridi ſi margine clauderet undas
Herba, nec ingenuum violarent marmora tophum!

Juvenal.

Die Haͤuſer ſind von Backſteinen und an der Außenſeite mehrentheils mit
Kalk beworfen, die Zimmer auch gemeiniglich hoch, raͤumlich und luftig, wie
das heiße Clima ſolches erfordert. In der ganzen Stadt iſt nur eine Kirche,
und auch dieſe nicht allein von ſchlechter Bauart, ſondern dem Anſehen nach,
fuͤr die Gemeine auch zu klein. Der Duldungs-Geiſt, welcher den Hollaͤn-
dern in Europa ſo viel Nutzen verſchaft hat, iſt in ihren Colonien nicht zu
finden. Nur erſt ſeit ganz kurzer Zeit haben ſie den Lutheranern erlaubt hier
und zu Batavia Kirchen zu bauen; und ſelbſt gegenwaͤrtig haben dieſe noch
keinen eignen Prediger am Cap, ſondern muͤſſen ſich mit den Schifs-Predigern
der Daͤniſchen oder Schwediſchen Oſt-Indienfahrer begnuͤgen, die, gegen gute
Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl
austheilen. Die Sclaven ſind in dieſem Stuͤck noch viel uͤbler dran; denn
weder die Regierung uͤberhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbeſon-
dre, bekuͤmmern ſich um einen ſo geringfuͤgigen Umſtand, als ihnen die Reli-
gion ihrer Leibeignen zu ſeyn duͤnkt, im allergeringſten; daher denn auch dieſe,
im Ganzen genommen, gar keine zu haben ſcheinen. Einige wenige derſelben ſind
dem Mohamedaniſchen Glauben zugethan, und verſammlen ſich woͤchentlich ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1772.<lb/>
October.</note>ben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung der&#x017F;elben, an der<lb/>
erforderlichen Quantita&#x0364;t fließenden Wa&#x017F;&#x017F;ers fehlt, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie, ohngeachtet<lb/>
der vielfa&#x0364;ltig angebrachten Schleu&#x017F;en, dennoch nicht verhindern, daß nicht ein-<lb/>
zelne Theile des Canals oft ganz ohne Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn &#x017F;ollten, die denn eben keinen<lb/>
angenehmen Geruch ausduften. Der holla&#x0364;ndi&#x017F;che Natlonal-Character offenbart<lb/>
&#x017F;ich hierin &#x017F;ehr deutlich. Ihre Sta&#x0364;dte &#x017F;ind durchgehends mit Cana&#x0364;len ver&#x017F;ehen,<lb/>
obgleich Vernunft und Erfahrung augen&#x017F;cheinlich zeigen, daß die Ausdu&#x0364;n&#x017F;tungen<lb/>
der&#x017F;elben den Einwohnern, be&#x017F;onders zu <placeName>Batavia</placeName>, ho&#x0364;ch&#x017F;t nachtheilig werden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#aq">Quanto præ&#x017F;tantius e&#x017F;&#x017F;et<lb/>
&#x2014; viridi &#x017F;i margine clauderet undas<lb/>
Herba, nec ingenuum violarent marmora tophum!</hi> </hi> </hi><lb/>
          </quote>
          <bibl> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#k"> <hi rendition="#aq"><persName>Juvenal</persName>.</hi> </hi> </hi> </bibl>
        </cit><lb/>
        <p>Die Ha&#x0364;u&#x017F;er &#x017F;ind von Back&#x017F;teinen und an der Außen&#x017F;eite mehrentheils mit<lb/>
Kalk beworfen, die Zimmer auch gemeiniglich hoch, ra&#x0364;umlich und luftig, wie<lb/>
das heiße Clima &#x017F;olches erfordert. In der ganzen Stadt i&#x017F;t nur eine Kirche,<lb/>
und auch die&#x017F;e nicht allein von &#x017F;chlechter Bauart, &#x017F;ondern dem An&#x017F;ehen nach,<lb/>
fu&#x0364;r die Gemeine auch zu klein. Der Duldungs-Gei&#x017F;t, welcher den Holla&#x0364;n-<lb/>
dern in <placeName>Europa</placeName> &#x017F;o viel Nutzen ver&#x017F;chaft hat, i&#x017F;t in ihren Colonien nicht zu<lb/>
finden. Nur er&#x017F;t &#x017F;eit ganz kurzer Zeit haben &#x017F;ie den Lutheranern erlaubt hier<lb/>
und zu <placeName>Batavia</placeName> Kirchen zu bauen; und &#x017F;elb&#x017F;t gegenwa&#x0364;rtig haben die&#x017F;e noch<lb/>
keinen eignen Prediger am <placeName>Cap</placeName>, &#x017F;ondern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich mit den Schifs-Predigern<lb/>
der Da&#x0364;ni&#x017F;chen oder Schwedi&#x017F;chen O&#x017F;t-Indienfahrer begnu&#x0364;gen, die, gegen gute<lb/>
Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl<lb/>
austheilen. Die Sclaven &#x017F;ind in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck noch viel u&#x0364;bler dran; denn<lb/>
weder die Regierung u&#x0364;berhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbe&#x017F;on-<lb/>
dre, beku&#x0364;mmern &#x017F;ich um einen &#x017F;o geringfu&#x0364;gigen Um&#x017F;tand, als ihnen die Reli-<lb/>
gion ihrer Leibeignen zu &#x017F;eyn du&#x0364;nkt, im allergering&#x017F;ten; daher denn auch die&#x017F;e,<lb/>
im Ganzen genommen, gar keine zu haben &#x017F;cheinen. Einige wenige der&#x017F;elben &#x017F;ind<lb/>
dem Mohamedani&#x017F;chen Glauben zugethan, und ver&#x017F;ammlen &#x017F;ich wo&#x0364;chentlich ein-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0091] Forſter’s Reiſe um die Welt ben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Waͤſſerung derſelben, an der erforderlichen Quantitaͤt fließenden Waſſers fehlt, ſo koͤnnen ſie, ohngeachtet der vielfaͤltig angebrachten Schleuſen, dennoch nicht verhindern, daß nicht ein- zelne Theile des Canals oft ganz ohne Waſſer ſeyn ſollten, die denn eben keinen angenehmen Geruch ausduften. Der hollaͤndiſche Natlonal-Character offenbart ſich hierin ſehr deutlich. Ihre Staͤdte ſind durchgehends mit Canaͤlen verſehen, obgleich Vernunft und Erfahrung augenſcheinlich zeigen, daß die Ausduͤnſtungen derſelben den Einwohnern, beſonders zu Batavia, hoͤchſt nachtheilig werden muͤſſen 1772. October. Quanto præſtantius eſſet — viridi ſi margine clauderet undas Herba, nec ingenuum violarent marmora tophum! Juvenal. Die Haͤuſer ſind von Backſteinen und an der Außenſeite mehrentheils mit Kalk beworfen, die Zimmer auch gemeiniglich hoch, raͤumlich und luftig, wie das heiße Clima ſolches erfordert. In der ganzen Stadt iſt nur eine Kirche, und auch dieſe nicht allein von ſchlechter Bauart, ſondern dem Anſehen nach, fuͤr die Gemeine auch zu klein. Der Duldungs-Geiſt, welcher den Hollaͤn- dern in Europa ſo viel Nutzen verſchaft hat, iſt in ihren Colonien nicht zu finden. Nur erſt ſeit ganz kurzer Zeit haben ſie den Lutheranern erlaubt hier und zu Batavia Kirchen zu bauen; und ſelbſt gegenwaͤrtig haben dieſe noch keinen eignen Prediger am Cap, ſondern muͤſſen ſich mit den Schifs-Predigern der Daͤniſchen oder Schwediſchen Oſt-Indienfahrer begnuͤgen, die, gegen gute Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl austheilen. Die Sclaven ſind in dieſem Stuͤck noch viel uͤbler dran; denn weder die Regierung uͤberhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbeſon- dre, bekuͤmmern ſich um einen ſo geringfuͤgigen Umſtand, als ihnen die Reli- gion ihrer Leibeignen zu ſeyn duͤnkt, im allergeringſten; daher denn auch dieſe, im Ganzen genommen, gar keine zu haben ſcheinen. Einige wenige derſelben ſind dem Mohamedaniſchen Glauben zugethan, und verſammlen ſich woͤchentlich ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/91
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/91>, abgerufen am 02.05.2024.