Ich blieb Nachmittags an Bord, um unsre bisher gemachten Samm-1774. April. lungen in Ordnung zu bringen. Abends kamen auch die übrigen Herren zurück. Sie hatten den Nachmittag zu Untersuchung zwoer, südwärts von unserm Haven gelegenen Buchten zugebracht, aber gefunden, daß an beyden Orten ein Schiff nicht füglich vor Anker gehen könnte, weil es, bey stürmischer See nicht Schutz genug gegen die Wellen haben würde, auch das Anlanden und Einschiffen, der hohen Brandung wegen, sehr gefährlich ist. Indessen war ihnen ihre Mühe durch eine Menge von Erfrischungen und durch den vortheilhaften Einkauf unter- schiedner Schweine belohnet worden. Die Einwohner thaten daselbst weniger zurückhaltend als in unserm Haven; auch befand sich unter denselben eine Anzahl Frauensleute, mit denen die Matrosen bald Bekanntschaft machten, weil verschiedne sich eben so gefällig bewiesen, als die auf den andern Süd- see-Inseln. Sie waren kleiner als die Mannsleute, aber von sehr proportionir- tem Gliederbau. Einige glichen, in der Form und den Zügen des Gesichtes, dem schön gebildeten vornehmern Frauenzimmer auf Tahiti. Ihre Far- be war im Ganzen genommen, wie die Farbe des gemeinen Volks auf den So- cietäts-Inseln: Sie hatten aber keine Puncturen, sondern die waren nur un- ter den Mannsleuten üblich und entstellten solche ganz. Eines der artigsten Mädchen ließ sich von Herrn Hodges zeichnen, und ein getreuer Kupferstich davon findet sich in Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise. Sie waren alle in Kleidungen von Maulbeer-Rinde gehüllet. Der Unterschied im Zeuge war aber, gegen die große Mannigfaltigkeit, die wir auf Tahiti bemerkt hat- ten, hier nur sehr gering. Auch schien es nicht so häufig als dort zu seyn, weil man hier, anstatt viele Stücken um sich zu schlagen, wie die üppigern Vorneh- men auf Tahiti zu thun pflegen, nur einen einzigen Ahau oder Mantel um- hieng, der von den Schultern bis auf die Knie reichte. Um den Hals hatten sie zuweilen einige lose Schnüre, die keinen sonderlichen Putz machten. Außer diesen sahe man eben keine andre Zierrathen. Als unsre Leute sich wieder ein- schiffen wollten, war einer von den Matrosen so saumselig in seiner Schuldig- keit, daß er dafür vom Capitain einige Schläge bekam: Diese Kleinigkeit wür- de nicht verdienen hier angemerkt zu werden, wenn sie nicht die Einwohner ver- anlaßt hätte, sehr aufmerksam darauf zu seyn, und dabey auszurufen: Tape-a-
in den Jahren 1772 bis 1775.
Ich blieb Nachmittags an Bord, um unſre bisher gemachten Samm-1774. April. lungen in Ordnung zu bringen. Abends kamen auch die uͤbrigen Herren zuruͤck. Sie hatten den Nachmittag zu Unterſuchung zwoer, ſuͤdwaͤrts von unſerm Haven gelegenen Buchten zugebracht, aber gefunden, daß an beyden Orten ein Schiff nicht fuͤglich vor Anker gehen koͤnnte, weil es, bey ſtuͤrmiſcher See nicht Schutz genug gegen die Wellen haben wuͤrde, auch das Anlanden und Einſchiffen, der hohen Brandung wegen, ſehr gefaͤhrlich iſt. Indeſſen war ihnen ihre Muͤhe durch eine Menge von Erfriſchungen und durch den vortheilhaften Einkauf unter- ſchiedner Schweine belohnet worden. Die Einwohner thaten daſelbſt weniger zuruͤckhaltend als in unſerm Haven; auch befand ſich unter denſelben eine Anzahl Frauensleute, mit denen die Matroſen bald Bekanntſchaft machten, weil verſchiedne ſich eben ſo gefaͤllig bewieſen, als die auf den andern Suͤd- ſee-Inſeln. Sie waren kleiner als die Mannsleute, aber von ſehr proportionir- tem Gliederbau. Einige glichen, in der Form und den Zuͤgen des Geſichtes, dem ſchoͤn gebildeten vornehmern Frauenzimmer auf Tahiti. Ihre Far- be war im Ganzen genommen, wie die Farbe des gemeinen Volks auf den So- cietaͤts-Inſeln: Sie hatten aber keine Puncturen, ſondern die waren nur un- ter den Mannsleuten uͤblich und entſtellten ſolche ganz. Eines der artigſten Maͤdchen ließ ſich von Herrn Hodges zeichnen, und ein getreuer Kupferſtich davon findet ſich in Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe. Sie waren alle in Kleidungen von Maulbeer-Rinde gehuͤllet. Der Unterſchied im Zeuge war aber, gegen die große Mannigfaltigkeit, die wir auf Tahiti bemerkt hat- ten, hier nur ſehr gering. Auch ſchien es nicht ſo haͤufig als dort zu ſeyn, weil man hier, anſtatt viele Stuͤcken um ſich zu ſchlagen, wie die uͤppigern Vorneh- men auf Tahiti zu thun pflegen, nur einen einzigen Ahau oder Mantel um- hieng, der von den Schultern bis auf die Knie reichte. Um den Hals hatten ſie zuweilen einige loſe Schnuͤre, die keinen ſonderlichen Putz machten. Außer dieſen ſahe man eben keine andre Zierrathen. Als unſre Leute ſich wieder ein- ſchiffen wollten, war einer von den Matroſen ſo ſaumſelig in ſeiner Schuldig- keit, daß er dafuͤr vom Capitain einige Schlaͤge bekam: Dieſe Kleinigkeit wuͤr- de nicht verdienen hier angemerkt zu werden, wenn ſie nicht die Einwohner ver- anlaßt haͤtte, ſehr aufmerkſam darauf zu ſeyn, und dabey auszurufen: Tape-a-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0035"n="23"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/><p>Ich blieb Nachmittags an Bord, um unſre bisher gemachten Samm-<noteplace="right">1774.<lb/>
April.</note><lb/>
lungen in Ordnung zu bringen. Abends kamen auch die uͤbrigen Herren zuruͤck.<lb/>
Sie hatten den Nachmittag zu Unterſuchung zwoer, ſuͤdwaͤrts von unſerm Haven<lb/>
gelegenen Buchten zugebracht, aber gefunden, daß an beyden Orten ein Schiff<lb/>
nicht fuͤglich vor Anker gehen koͤnnte, weil es, bey ſtuͤrmiſcher See nicht Schutz<lb/>
genug gegen die Wellen haben wuͤrde, auch das Anlanden und Einſchiffen, der<lb/>
hohen Brandung wegen, ſehr gefaͤhrlich iſt. Indeſſen war ihnen ihre Muͤhe<lb/>
durch eine Menge von Erfriſchungen und durch den vortheilhaften Einkauf unter-<lb/>ſchiedner Schweine belohnet worden. Die Einwohner thaten daſelbſt weniger<lb/>
zuruͤckhaltend als in unſerm Haven; auch befand ſich unter denſelben eine Anzahl<lb/>
Frauensleute, mit denen die Matroſen bald Bekanntſchaft machten, weil<lb/>
verſchiedne ſich eben ſo gefaͤllig bewieſen, als die auf den andern Suͤd-<lb/>ſee-Inſeln. Sie waren kleiner als die Mannsleute, aber von ſehr proportionir-<lb/>
tem Gliederbau. Einige glichen, in der Form und den Zuͤgen des Geſichtes,<lb/>
dem ſchoͤn gebildeten vornehmern Frauenzimmer auf <hirendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi>. Ihre Far-<lb/>
be war im Ganzen genommen, wie die Farbe des gemeinen Volks auf den <placeName>So-<lb/>
cietaͤts-Inſeln</placeName>: Sie hatten aber keine Puncturen, ſondern die waren nur un-<lb/>
ter den Mannsleuten uͤblich und entſtellten ſolche ganz. Eines der artigſten<lb/>
Maͤdchen ließ ſich von Herrn <hirendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi> zeichnen, und ein getreuer Kupferſtich<lb/>
davon findet ſich in Capitain <hirendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> Nachricht von dieſer Reiſe. Sie waren<lb/>
alle in Kleidungen von Maulbeer-Rinde gehuͤllet. Der Unterſchied im Zeuge<lb/>
war aber, gegen die große Mannigfaltigkeit, die wir auf <hirendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> bemerkt hat-<lb/>
ten, hier nur ſehr gering. Auch ſchien es nicht ſo haͤufig als dort zu ſeyn, weil<lb/>
man hier, anſtatt viele Stuͤcken um ſich zu ſchlagen, wie die uͤppigern Vorneh-<lb/>
men auf <hirendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> zu thun pflegen, nur einen einzigen <hirendition="#fr">Ahau</hi> oder Mantel um-<lb/>
hieng, der von den Schultern bis auf die Knie reichte. Um den Hals hatten<lb/>ſie zuweilen einige loſe Schnuͤre, die keinen ſonderlichen Putz machten. Außer<lb/>
dieſen ſahe man eben keine andre Zierrathen. Als unſre Leute ſich wieder ein-<lb/>ſchiffen wollten, war einer von den Matroſen ſo ſaumſelig in ſeiner Schuldig-<lb/>
keit, daß er dafuͤr vom Capitain einige Schlaͤge bekam: Dieſe Kleinigkeit wuͤr-<lb/>
de nicht verdienen hier angemerkt zu werden, wenn ſie nicht die Einwohner ver-<lb/>
anlaßt haͤtte, ſehr aufmerkſam darauf zu ſeyn, und dabey auszurufen: <hirendition="#fr">Tape-a-</hi><lb/></p></div></body></text></TEI>
[23/0035]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Ich blieb Nachmittags an Bord, um unſre bisher gemachten Samm-
lungen in Ordnung zu bringen. Abends kamen auch die uͤbrigen Herren zuruͤck.
Sie hatten den Nachmittag zu Unterſuchung zwoer, ſuͤdwaͤrts von unſerm Haven
gelegenen Buchten zugebracht, aber gefunden, daß an beyden Orten ein Schiff
nicht fuͤglich vor Anker gehen koͤnnte, weil es, bey ſtuͤrmiſcher See nicht Schutz
genug gegen die Wellen haben wuͤrde, auch das Anlanden und Einſchiffen, der
hohen Brandung wegen, ſehr gefaͤhrlich iſt. Indeſſen war ihnen ihre Muͤhe
durch eine Menge von Erfriſchungen und durch den vortheilhaften Einkauf unter-
ſchiedner Schweine belohnet worden. Die Einwohner thaten daſelbſt weniger
zuruͤckhaltend als in unſerm Haven; auch befand ſich unter denſelben eine Anzahl
Frauensleute, mit denen die Matroſen bald Bekanntſchaft machten, weil
verſchiedne ſich eben ſo gefaͤllig bewieſen, als die auf den andern Suͤd-
ſee-Inſeln. Sie waren kleiner als die Mannsleute, aber von ſehr proportionir-
tem Gliederbau. Einige glichen, in der Form und den Zuͤgen des Geſichtes,
dem ſchoͤn gebildeten vornehmern Frauenzimmer auf Tahiti. Ihre Far-
be war im Ganzen genommen, wie die Farbe des gemeinen Volks auf den So-
cietaͤts-Inſeln: Sie hatten aber keine Puncturen, ſondern die waren nur un-
ter den Mannsleuten uͤblich und entſtellten ſolche ganz. Eines der artigſten
Maͤdchen ließ ſich von Herrn Hodges zeichnen, und ein getreuer Kupferſtich
davon findet ſich in Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe. Sie waren
alle in Kleidungen von Maulbeer-Rinde gehuͤllet. Der Unterſchied im Zeuge
war aber, gegen die große Mannigfaltigkeit, die wir auf Tahiti bemerkt hat-
ten, hier nur ſehr gering. Auch ſchien es nicht ſo haͤufig als dort zu ſeyn, weil
man hier, anſtatt viele Stuͤcken um ſich zu ſchlagen, wie die uͤppigern Vorneh-
men auf Tahiti zu thun pflegen, nur einen einzigen Ahau oder Mantel um-
hieng, der von den Schultern bis auf die Knie reichte. Um den Hals hatten
ſie zuweilen einige loſe Schnuͤre, die keinen ſonderlichen Putz machten. Außer
dieſen ſahe man eben keine andre Zierrathen. Als unſre Leute ſich wieder ein-
ſchiffen wollten, war einer von den Matroſen ſo ſaumſelig in ſeiner Schuldig-
keit, daß er dafuͤr vom Capitain einige Schlaͤge bekam: Dieſe Kleinigkeit wuͤr-
de nicht verdienen hier angemerkt zu werden, wenn ſie nicht die Einwohner ver-
anlaßt haͤtte, ſehr aufmerkſam darauf zu ſeyn, und dabey auszurufen: Tape-a-
1774.
April.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/35>, abgerufen am 10.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.