Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
te, es mit eignen Augen zu sehen. Er wußte, daß die Menge ausländischer1774.
April.

Curiositäten die er auf der Reise eingesammlet hatte, ihm bey den dortigen
Insulanern ein großes Ansehen verschaffen, und daß die vielen seltnen
Kenntnisse die er sich durch den Umgang mit uns und andern entfernten
Völkern erworben hatte, in Tahiti allgemeine Aufmerksamkeit erregen
würden. Er that sich also schon im Voraus was darauf zu gute,
daß ihm jedermann mit Achtung und Freundschaft begegnen, daß seine
Bekanntschaft mit uns, und unsre Lebensart, die er angenommen, ihm
noch mehr Bewunderung zuziehen, und daß man vornemlich für das Schießge-
wehr, dessen Gebrauch wir ihm erlaubt hatten, nicht wenig Respect bezeigen
würde. Auch bin ich, seines guten Herzens wegen, überzeugt, daß er sich dar-
auf
freute, uns Europäern auf diese oder jene Weise, bey seinen Landsleuten nütz-
lich zu werden; denn er war uns allen herzlich gut, und ward auch unsrer Seits
durchgehends aufrichtig geliebt.

Am folgenden Morgen, um 10 Uhr, erblickten wir Land, und erkann-
ten wenige Stunden darauf, daß es ein Theil von Tahiti sey. Aber ungeach-
tet aller Mühe, die wir anwendeten um noch denselben Tag da anzulanden,
wußten wir doch, der einbrechenden Dunkelheit wegen, noch einmal Anker werfen,
und die Nacht in See zubringen. So lange es noch helle blieb, hatte je-
dermann die Augen, fest auf diese Königinn der tropischen Inseln hingerichtet.
Ich, so schwach auch meine Kräfte waren, kroch ebenfalls mit aufs Verdeck, um
mich wenigstens an dem Anblick der Gegend zu laben, die mir zu Herstel-
lung meiner Kräfte und meiner Gesundheit endlich Hoffnung gab. Den Mor-
gen war ich früh erwacht, und welch Entzücken gewährte mir da die herrliche Aus-
sicht! Es war, als hätte ich die reizende Gegend, die vor mir lag, noch nie
gesehen; doch war sie jetzt auch in der That weit schöner, als vor acht Mona-
then, da ich sie zu einer ganz andern Jahreszeit gesehen hatte. Die Wälder
auf den Bergen waren mit frischem Grün bekleidet, das in mannigfaltigen Far-
ben durcheinander spielte; die kleinen Hügel, hie und da, grünten ebenfalls im
neuen Frühlingskleide, und verschönerten an manchen Orten, die reizende Aus-
sicht. Besonders aber prangten die Ebnen mit allem Schmuck der jungen

E 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
te, es mit eignen Augen zu ſehen. Er wußte, daß die Menge auslaͤndiſcher1774.
April.

Curioſitaͤten die er auf der Reiſe eingeſammlet hatte, ihm bey den dortigen
Inſulanern ein großes Anſehen verſchaffen, und daß die vielen ſeltnen
Kenntniſſe die er ſich durch den Umgang mit uns und andern entfernten
Voͤlkern erworben hatte, in Tahiti allgemeine Aufmerkſamkeit erregen
wuͤrden. Er that ſich alſo ſchon im Voraus was darauf zu gute,
daß ihm jedermann mit Achtung und Freundſchaft begegnen, daß ſeine
Bekanntſchaft mit uns, und unſre Lebensart, die er angenommen, ihm
noch mehr Bewunderung zuziehen, und daß man vornemlich fuͤr das Schießge-
wehr, deſſen Gebrauch wir ihm erlaubt hatten, nicht wenig Reſpect bezeigen
wuͤrde. Auch bin ich, ſeines guten Herzens wegen, uͤberzeugt, daß er ſich dar-
auf
freute, uns Europaͤern auf dieſe oder jene Weiſe, bey ſeinen Landsleuten nuͤtz-
lich zu werden; denn er war uns allen herzlich gut, und ward auch unſrer Seits
durchgehends aufrichtig geliebt.

Am folgenden Morgen, um 10 Uhr, erblickten wir Land, und erkann-
ten wenige Stunden darauf, daß es ein Theil von Tahiti ſey. Aber ungeach-
tet aller Muͤhe, die wir anwendeten um noch denſelben Tag da anzulanden,
wußten wir doch, der einbrechenden Dunkelheit wegen, noch einmal Anker werfen,
und die Nacht in See zubringen. So lange es noch helle blieb, hatte je-
dermann die Augen, feſt auf dieſe Koͤniginn der tropiſchen Inſeln hingerichtet.
Ich, ſo ſchwach auch meine Kraͤfte waren, kroch ebenfalls mit aufs Verdeck, um
mich wenigſtens an dem Anblick der Gegend zu laben, die mir zu Herſtel-
lung meiner Kraͤfte und meiner Geſundheit endlich Hoffnung gab. Den Mor-
gen war ich fruͤh erwacht, und welch Entzuͤcken gewaͤhrte mir da die herrliche Aus-
ſicht! Es war, als haͤtte ich die reizende Gegend, die vor mir lag, noch nie
geſehen; doch war ſie jetzt auch in der That weit ſchoͤner, als vor acht Mona-
then, da ich ſie zu einer ganz andern Jahreszeit geſehen hatte. Die Waͤlder
auf den Bergen waren mit friſchem Gruͤn bekleidet, das in mannigfaltigen Far-
ben durcheinander ſpielte; die kleinen Huͤgel, hie und da, gruͤnten ebenfalls im
neuen Fruͤhlingskleide, und verſchoͤnerten an manchen Orten, die reizende Aus-
ſicht. Beſonders aber prangten die Ebnen mit allem Schmuck der jungen

E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
te, es mit eignen Augen zu &#x017F;ehen. Er wußte, daß die Menge ausla&#x0364;ndi&#x017F;cher<note place="right">1774.<lb/>
April.</note><lb/>
Curio&#x017F;ita&#x0364;ten die er auf der Rei&#x017F;e einge&#x017F;ammlet hatte, ihm bey den dortigen<lb/>
In&#x017F;ulanern ein großes An&#x017F;ehen ver&#x017F;chaffen, und daß die vielen &#x017F;eltnen<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;e die er &#x017F;ich durch den Umgang mit uns und andern entfernten<lb/>
Vo&#x0364;lkern erworben hatte, in <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> allgemeine Aufmerk&#x017F;amkeit erregen<lb/>
wu&#x0364;rden. Er that &#x017F;ich al&#x017F;o &#x017F;chon im Voraus was darauf zu gute,<lb/>
daß ihm jedermann mit Achtung und Freund&#x017F;chaft begegnen, daß &#x017F;eine<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft mit uns, und un&#x017F;re Lebensart, die er angenommen, ihm<lb/>
noch mehr Bewunderung zuziehen, und daß man vornemlich fu&#x0364;r das Schießge-<lb/>
wehr, de&#x017F;&#x017F;en Gebrauch wir ihm erlaubt hatten, nicht wenig Re&#x017F;pect bezeigen<lb/>
wu&#x0364;rde. Auch bin ich, &#x017F;eines guten Herzens wegen, u&#x0364;berzeugt, daß er &#x017F;ich <hi rendition="#fr">dar-<lb/>
auf</hi> freute, uns Europa&#x0364;ern auf die&#x017F;e oder jene Wei&#x017F;e, bey &#x017F;einen Landsleuten nu&#x0364;tz-<lb/>
lich zu werden; denn er war uns allen herzlich gut, und ward auch un&#x017F;rer Seits<lb/>
durchgehends aufrichtig geliebt.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen, um 10 Uhr, erblickten wir Land, und erkann-<lb/>
ten wenige Stunden darauf, daß es ein Theil von <hi rendition="#fr"><placeName>Tahiti</placeName></hi> &#x017F;ey. Aber ungeach-<lb/>
tet aller Mu&#x0364;he, die wir anwendeten um noch den&#x017F;elben Tag da anzulanden,<lb/>
wußten wir doch, der einbrechenden Dunkelheit wegen, noch einmal Anker werfen,<lb/>
und die Nacht in See zubringen. So lange es noch helle blieb, hatte je-<lb/>
dermann die Augen, fe&#x017F;t auf die&#x017F;e Ko&#x0364;niginn der tropi&#x017F;chen In&#x017F;eln hingerichtet.<lb/>
Ich, &#x017F;o &#x017F;chwach auch meine Kra&#x0364;fte waren, kroch ebenfalls mit aufs Verdeck, um<lb/>
mich wenig&#x017F;tens an dem Anblick der Gegend zu laben, die mir zu Her&#x017F;tel-<lb/>
lung meiner Kra&#x0364;fte und meiner Ge&#x017F;undheit endlich Hoffnung gab. Den Mor-<lb/>
gen war ich fru&#x0364;h erwacht, und welch Entzu&#x0364;cken gewa&#x0364;hrte mir da die herrliche Aus-<lb/>
&#x017F;icht! Es war, als ha&#x0364;tte ich die reizende Gegend, die vor mir lag, noch nie<lb/>
ge&#x017F;ehen; doch war &#x017F;ie jetzt auch in der That weit &#x017F;cho&#x0364;ner, als vor acht Mona-<lb/>
then, da ich &#x017F;ie zu einer ganz andern Jahreszeit ge&#x017F;ehen hatte. Die Wa&#x0364;lder<lb/>
auf den Bergen waren mit fri&#x017F;chem Gru&#x0364;n bekleidet, das in mannigfaltigen Far-<lb/>
ben durcheinander &#x017F;pielte; die kleinen Hu&#x0364;gel, hie und da, gru&#x0364;nten ebenfalls im<lb/>
neuen Fru&#x0364;hlingskleide, und ver&#x017F;cho&#x0364;nerten an manchen Orten, die reizende Aus-<lb/>
&#x017F;icht. Be&#x017F;onders aber prangten die Ebnen mit allem Schmuck der jungen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0049] in den Jahren 1772 bis 1775. te, es mit eignen Augen zu ſehen. Er wußte, daß die Menge auslaͤndiſcher Curioſitaͤten die er auf der Reiſe eingeſammlet hatte, ihm bey den dortigen Inſulanern ein großes Anſehen verſchaffen, und daß die vielen ſeltnen Kenntniſſe die er ſich durch den Umgang mit uns und andern entfernten Voͤlkern erworben hatte, in Tahiti allgemeine Aufmerkſamkeit erregen wuͤrden. Er that ſich alſo ſchon im Voraus was darauf zu gute, daß ihm jedermann mit Achtung und Freundſchaft begegnen, daß ſeine Bekanntſchaft mit uns, und unſre Lebensart, die er angenommen, ihm noch mehr Bewunderung zuziehen, und daß man vornemlich fuͤr das Schießge- wehr, deſſen Gebrauch wir ihm erlaubt hatten, nicht wenig Reſpect bezeigen wuͤrde. Auch bin ich, ſeines guten Herzens wegen, uͤberzeugt, daß er ſich dar- auf freute, uns Europaͤern auf dieſe oder jene Weiſe, bey ſeinen Landsleuten nuͤtz- lich zu werden; denn er war uns allen herzlich gut, und ward auch unſrer Seits durchgehends aufrichtig geliebt. 1774. April. Am folgenden Morgen, um 10 Uhr, erblickten wir Land, und erkann- ten wenige Stunden darauf, daß es ein Theil von Tahiti ſey. Aber ungeach- tet aller Muͤhe, die wir anwendeten um noch denſelben Tag da anzulanden, wußten wir doch, der einbrechenden Dunkelheit wegen, noch einmal Anker werfen, und die Nacht in See zubringen. So lange es noch helle blieb, hatte je- dermann die Augen, feſt auf dieſe Koͤniginn der tropiſchen Inſeln hingerichtet. Ich, ſo ſchwach auch meine Kraͤfte waren, kroch ebenfalls mit aufs Verdeck, um mich wenigſtens an dem Anblick der Gegend zu laben, die mir zu Herſtel- lung meiner Kraͤfte und meiner Geſundheit endlich Hoffnung gab. Den Mor- gen war ich fruͤh erwacht, und welch Entzuͤcken gewaͤhrte mir da die herrliche Aus- ſicht! Es war, als haͤtte ich die reizende Gegend, die vor mir lag, noch nie geſehen; doch war ſie jetzt auch in der That weit ſchoͤner, als vor acht Mona- then, da ich ſie zu einer ganz andern Jahreszeit geſehen hatte. Die Waͤlder auf den Bergen waren mit friſchem Gruͤn bekleidet, das in mannigfaltigen Far- ben durcheinander ſpielte; die kleinen Huͤgel, hie und da, gruͤnten ebenfalls im neuen Fruͤhlingskleide, und verſchoͤnerten an manchen Orten, die reizende Aus- ſicht. Beſonders aber prangten die Ebnen mit allem Schmuck der jungen E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/49
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/49>, abgerufen am 07.10.2024.