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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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Ihr Freund wissen, was Sie beunruhigt? Doch, setzte er lächelnd hinzu, wir sollten uns hüten, die Geheimnisse der Frauen an uns zu reißen, sie verletzen uns oft, ohne daß wir sie verstehn. Weil sie zu unwichtig oder zu bedeutend sind? fragte Luise. Gewiß das Letztre, erwiederte er. Ihr ganzes Innre ist ein unendlich zartes, geheimnißreiches Gewebe, dessen luftige Fädchen sich so wunderlich verschlingen, daß sie oft ein gewagter Blick zerreißt, und sie sich, wie die Blumen, vor so rauher Berührung verschließen; der eigentliche Schmuck, der Blüthenstaub ihres Innern, bleibt uns daher fast immer fremd. Ihren Blick, sagte Luise sinnend, wie aus voller Ueberzeugung, würde ich niemals scheuen. Gewiß? fragte er; auch dann nicht, wenn ich Sie bäte, mir zu sagen, was Sie gestern so ängstigend im Schauspiel beschäftigte, da Sie niemand, auch Ihre Freunde nicht, erkannten, und noch beim Herausgehn meinen Gruß unerwiedert ließen? Auch dann nicht, erwiederte Luise nach augenblicklichem Nachdenken, nur fragen Sie jetzt nicht weiter; morgen, oder wenn Sie wollen. Nein, meine gütige Freundin, erwiederte er bewegt, ich werde nicht weiter fragen. Glauben Sie mir, diesmal habe ich Sie verstanden. Unsre Organe werden feiner, wenn wir sie in das reine Element der Liebe tauchen. Luise erröthete; er selbst schwieg,

Ihr Freund wissen, was Sie beunruhigt? Doch, setzte er lächelnd hinzu, wir sollten uns hüten, die Geheimnisse der Frauen an uns zu reißen, sie verletzen uns oft, ohne daß wir sie verstehn. Weil sie zu unwichtig oder zu bedeutend sind? fragte Luise. Gewiß das Letztre, erwiederte er. Ihr ganzes Innre ist ein unendlich zartes, geheimnißreiches Gewebe, dessen luftige Fädchen sich so wunderlich verschlingen, daß sie oft ein gewagter Blick zerreißt, und sie sich, wie die Blumen, vor so rauher Berührung verschließen; der eigentliche Schmuck, der Blüthenstaub ihres Innern, bleibt uns daher fast immer fremd. Ihren Blick, sagte Luise sinnend, wie aus voller Ueberzeugung, würde ich niemals scheuen. Gewiß? fragte er; auch dann nicht, wenn ich Sie bäte, mir zu sagen, was Sie gestern so ängstigend im Schauspiel beschäftigte, da Sie niemand, auch Ihre Freunde nicht, erkannten, und noch beim Herausgehn meinen Gruß unerwiedert ließen? Auch dann nicht, erwiederte Luise nach augenblicklichem Nachdenken, nur fragen Sie jetzt nicht weiter; morgen, oder wenn Sie wollen. Nein, meine gütige Freundin, erwiederte er bewegt, ich werde nicht weiter fragen. Glauben Sie mir, diesmal habe ich Sie verstanden. Unsre Organe werden feiner, wenn wir sie in das reine Element der Liebe tauchen. Luise erröthete; er selbst schwieg,

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[105/0107] Ihr Freund wissen, was Sie beunruhigt? Doch, setzte er lächelnd hinzu, wir sollten uns hüten, die Geheimnisse der Frauen an uns zu reißen, sie verletzen uns oft, ohne daß wir sie verstehn. Weil sie zu unwichtig oder zu bedeutend sind? fragte Luise. Gewiß das Letztre, erwiederte er. Ihr ganzes Innre ist ein unendlich zartes, geheimnißreiches Gewebe, dessen luftige Fädchen sich so wunderlich verschlingen, daß sie oft ein gewagter Blick zerreißt, und sie sich, wie die Blumen, vor so rauher Berührung verschließen; der eigentliche Schmuck, der Blüthenstaub ihres Innern, bleibt uns daher fast immer fremd. Ihren Blick, sagte Luise sinnend, wie aus voller Ueberzeugung, würde ich niemals scheuen. Gewiß? fragte er; auch dann nicht, wenn ich Sie bäte, mir zu sagen, was Sie gestern so ängstigend im Schauspiel beschäftigte, da Sie niemand, auch Ihre Freunde nicht, erkannten, und noch beim Herausgehn meinen Gruß unerwiedert ließen? Auch dann nicht, erwiederte Luise nach augenblicklichem Nachdenken, nur fragen Sie jetzt nicht weiter; morgen, oder wenn Sie wollen. Nein, meine gütige Freundin, erwiederte er bewegt, ich werde nicht weiter fragen. Glauben Sie mir, diesmal habe ich Sie verstanden. Unsre Organe werden feiner, wenn wir sie in das reine Element der Liebe tauchen. Luise erröthete; er selbst schwieg,

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/107>, abgerufen am 29.04.2024.