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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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In der That wogte und rauschte der ganze
Thalgrund von plötzlich empörten, sichtbar stei
genden, Wellen. Das ist der Kühleborn, der
böse Wassernix, der uns ersäufen will! rief der
Ritter. Weißt Du kein Sprüchlein wider ihn,
Gesell? -- Ich wüßte wohl Eins, sagte der
Fuhrmann, aber ich kann und mag es nicht
eher brauchen, als bis Ihr wißt, wer Ich bin. --
Ist es hier Zeit zu Räthseln? schrie der Ritter.
Die Fluth steigt immer höher, und was geht
es mich an, zu wissen, wer Du bist? -- Es
geht Euch aber doch was an, sagte der Fuhr-
mann, denn ich bin Kühleborn. Damit lachte er,
verzerrten Antlitzes, zum Wagen herein, aber
der Wagen blieb nicht Wagen mehr, die Schim-
mel nicht Schimmel; Alles verschäumte, ver-
rann in zischenden Wogen, und selbst der Fuhr-
mann bäumte sich als eine riesige Welle empor,
riß den vergeblich arbeitenden Hengst unter die
Gewässer hinab, und wuchs dann wieder, und
wuchs über den Häuptern des schwimmenden
Paares, wie zu einem feuchten Thurme an,
und wollte sie eben rettungslos begraben. --


In der That wogte und rauſchte der ganze
Thalgrund von ploͤtzlich empoͤrten, ſichtbar ſtei
genden, Wellen. Das iſt der Kuͤhleborn, der
boͤſe Waſſernix, der uns erſaͤufen will! rief der
Ritter. Weißt Du kein Spruͤchlein wider ihn,
Geſell? — Ich wuͤßte wohl Eins, ſagte der
Fuhrmann, aber ich kann und mag es nicht
eher brauchen, als bis Ihr wißt, wer Ich bin. —
Iſt es hier Zeit zu Raͤthſeln? ſchrie der Ritter.
Die Fluth ſteigt immer hoͤher, und was geht
es mich an, zu wiſſen, wer Du biſt? — Es
geht Euch aber doch was an, ſagte der Fuhr-
mann, denn ich bin Kuͤhleborn. Damit lachte er,
verzerrten Antlitzes, zum Wagen herein, aber
der Wagen blieb nicht Wagen mehr, die Schim-
mel nicht Schimmel; Alles verſchaͤumte, ver-
rann in ziſchenden Wogen, und ſelbſt der Fuhr-
mann baͤumte ſich als eine rieſige Welle empor,
riß den vergeblich arbeitenden Hengſt unter die
Gewaͤſſer hinab, und wuchs dann wieder, und
wuchs uͤber den Haͤuptern des ſchwimmenden
Paares, wie zu einem feuchten Thurme an,
und wollte ſie eben rettungslos begraben. —


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[149/0163] In der That wogte und rauſchte der ganze Thalgrund von ploͤtzlich empoͤrten, ſichtbar ſtei genden, Wellen. Das iſt der Kuͤhleborn, der boͤſe Waſſernix, der uns erſaͤufen will! rief der Ritter. Weißt Du kein Spruͤchlein wider ihn, Geſell? — Ich wuͤßte wohl Eins, ſagte der Fuhrmann, aber ich kann und mag es nicht eher brauchen, als bis Ihr wißt, wer Ich bin. — Iſt es hier Zeit zu Raͤthſeln? ſchrie der Ritter. Die Fluth ſteigt immer hoͤher, und was geht es mich an, zu wiſſen, wer Du biſt? — Es geht Euch aber doch was an, ſagte der Fuhr- mann, denn ich bin Kuͤhleborn. Damit lachte er, verzerrten Antlitzes, zum Wagen herein, aber der Wagen blieb nicht Wagen mehr, die Schim- mel nicht Schimmel; Alles verſchaͤumte, ver- rann in ziſchenden Wogen, und ſelbſt der Fuhr- mann baͤumte ſich als eine rieſige Welle empor, riß den vergeblich arbeitenden Hengſt unter die Gewaͤſſer hinab, und wuchs dann wieder, und wuchs uͤber den Haͤuptern des ſchwimmenden Paares, wie zu einem feuchten Thurme an, und wollte ſie eben rettungslos begraben. —

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/163>, abgerufen am 29.04.2024.