Soll man sagen, leider! oder zum Glück! daß es mit unsrer Trauer keinen rechten Bestand hat? Ich meine, mit unsrer so recht tiefen und aus dem Borne des Lebens schöpfenden Trauer, die mit dem verlornen Geliebten so Eines wird, daß er ihr nicht mehr verloren ist, und sie ein geweihtes Priesterthum an seinem Bilde durch das ganze Leben durchführen will, bis die Schranke, die ihm gefallen ist, auch uns zerfällt! Freilich bleiben wohl gute Menschen wirklich solche Prie- ster, aber es ist doch nicht die erste, rechte Trau- er mehr. Andre, fremdartige Bilder haben sich dazwischen gedrängt, wir erfahren endlich die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge sogar an
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Sechzehntes Kapitel.
Von Huldbrands fuͤrderm Ergehn.
Soll man ſagen, leider! oder zum Gluͤck! daß es mit unſrer Trauer keinen rechten Beſtand hat? Ich meine, mit unſrer ſo recht tiefen und aus dem Borne des Lebens ſchoͤpfenden Trauer, die mit dem verlornen Geliebten ſo Eines wird, daß er ihr nicht mehr verloren iſt, und ſie ein geweihtes Prieſterthum an ſeinem Bilde durch das ganze Leben durchfuͤhren will, bis die Schranke, die ihm gefallen iſt, auch uns zerfaͤllt! Freilich bleiben wohl gute Menſchen wirklich ſolche Prie- ſter, aber es iſt doch nicht die erſte, rechte Trau- er mehr. Andre, fremdartige Bilder haben ſich dazwiſchen gedraͤngt, wir erfahren endlich die Vergaͤnglichkeit aller irdiſchen Dinge ſogar an
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Sechzehntes Kapitel.
Von Huldbrands fuͤrderm Ergehn.
Soll man ſagen, leider! oder zum Gluͤck! daß
es mit unſrer Trauer keinen rechten Beſtand
hat? Ich meine, mit unſrer ſo recht tiefen und
aus dem Borne des Lebens ſchoͤpfenden Trauer,
die mit dem verlornen Geliebten ſo Eines wird,
daß er ihr nicht mehr verloren iſt, und ſie ein
geweihtes Prieſterthum an ſeinem Bilde durch
das ganze Leben durchfuͤhren will, bis die Schranke,
die ihm gefallen iſt, auch uns zerfaͤllt! Freilich
bleiben wohl gute Menſchen wirklich ſolche Prie-
ſter, aber es iſt doch nicht die erſte, rechte Trau-
er mehr. Andre, fremdartige Bilder haben ſich
dazwiſchen gedraͤngt, wir erfahren endlich die
Vergaͤnglichkeit aller irdiſchen Dinge ſogar an
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/177>, abgerufen am 10.12.2023.
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