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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der erste Discurs/ von der Natur aller Dinge/
gleich diese oder jene zweyte Materi/ dieser oder jener Körper/ wolte ich
sagen/ vergehet. Jch wolte/ den Peripateticis allein zu Gefallen/ kei-
nen Urstoff glauben; und den Scholasticis/ oder Schullehrern fast eben
so wenig: wenn ihn nicht vorlängst schon die alte Kirchen-Lehrer hetten
geglaubt. Mein Herr lese/ so es ihm beliebt/ das 12. Buch Augustini
seiner Bekentnissen durch; sonderlich das vierdte/ 5. und 6. Capitel/ wel-
che hievon ausführlich handeln: da Er/ unter andren/ diese Worte füh-
ret. Cur ergo non accipiam infirmitatem materiae, quam sine spe-
cie feceras, unde speciosum mundum faceres; ita commode homini-
bus intimatam, ut appellaretur terra invisibilis & incomposita?
War-
um solte ich nicht glauben die Schwachheit der Materi/ die du
ohne Gestalt gemacht hattest/ daß du davon die schöne Welt mach-
test; nachdemmal sie ja den Menschen füglich bedeuter worden/

indem sie die heilige Schrifft nennet die unsichrbare und ungeschmück-
(a) August.
lib. 12.
Confess.
c.
12.
te oder ungeordnete Erde? (a) Lutherus hat es geteutschet: die Erde
war wüst und leer.
Welches zwar/ den Worten nach/ etwas anders
lautet/ in der Meinung aber/ mit deß H. Augustini Worten/ dennoch
übereintreffen kan. Wiewol ich hierinnen diesem wehrten Kirchen-
Vatter viel lieber/ denn dem Aristoteli/ glaube/ daß auch der Himmel
selbst/ aus dieser ersten Materi/ bestehe: welches Aristoteles/ der den
Himmel für ein ewiges unbeginnliches Wesen schätzet/ nicht gestehet; son-
dern demselben eine besondere Materi zueignet: obgleich etliche Schul-
Philosophi solches verneinen.

Winterschild. Mein Herr! wenn ich die Authoritet deß lobwür-
digen Vatters Augustini ein wenig auf die Seiten setze/ welche/ in der-
gleichen Auslegungen/ nicht eben unfehlbar ist; so finde ich deß Herrn seine
Aussprüche und Beschreibungen der ersten Materi gewißlich mit so vielen
Besch werlichkeiten noch in der Fehde/ daß ich nicht gleich so schlecht hin ge-
traue/ die erste Materi sey würcklich Etwas/ ausser einer blossen Einbil-
dung der Gedancken. Der menschliche Leib begreifft füglich eine Mixtur
der vier Elementen: wenn er aber aufgelöset/ und durch die Verwesung
zum Staube wird; so bleibt solcher Staub dennoch ein elementarischer
Körper/ und gewisse Substantz. Alles wird/ in die 4. Elementen/ resolvirt:
die vier Elementen aber sind nicht ohne Form. Dergleichen kan mir der
Herr/ von der ersten Materi/ nicht beweisen: Denn diese/ wie Er selber
bekennet/ bestehet nicht ausserhalb den informirten Körpern; sondern
bleibt stets in der andren Materi. Wenn nun dem also/ und sie nirgends
anders/ ohn allein in einem genaturirtem und gebildetem Körper/ beru-
het: so folget eben hieraus/ daß nunmehr/ nach der Schöpffung/ in der

gantzen

Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/
gleich dieſe oder jene zweyte Materi/ dieſer oder jener Koͤrper/ wolte ich
ſagen/ vergehet. Jch wolte/ den Peripateticis allein zu Gefallen/ kei-
nen Urſtoff glauben; und den Scholaſticis/ oder Schullehrern faſt eben
ſo wenig: wenn ihn nicht vorlaͤngſt ſchon die alte Kirchen-Lehrer hetten
geglaubt. Mein Herꝛ leſe/ ſo es ihm beliebt/ das 12. Buch Auguſtini
ſeiner Bekentniſſen durch; ſonderlich das vierdte/ 5. und 6. Capitel/ wel-
che hievon ausfuͤhrlich handeln: da Er/ unter andren/ dieſe Worte fuͤh-
ret. Cur ergo non accipiam infirmitatem materiæ, quam ſine ſpe-
cie feceras, unde ſpecioſum mundum faceres; ita commodè homini-
bus intimatam, ut appellaretur terra inviſibilis & incompoſita?
War-
um ſolte ich nicht glauben die Schwachheit der Materi/ die du
ohne Geſtalt gemacht hatteſt/ daß du davon die ſchoͤne Welt mach-
teſt; nachdemmal ſie ja den Menſchen fuͤglich bedeuter worden/

indem ſie die heilige Schrifft nennet die unſichrbare und ungeſchmuͤck-
(a) Auguſt.
lib. 12.
Confeſſ.
c.
12.
te oder ungeordnete Erde? (a) Lutherus hat es geteutſchet: die Erde
war wuͤſt und leer.
Welches zwar/ den Worten nach/ etwas anders
lautet/ in der Meinung aber/ mit deß H. Auguſtini Worten/ dennoch
uͤbereintreffen kan. Wiewol ich hierinnen dieſem wehrten Kirchen-
Vatter viel lieber/ denn dem Ariſtoteli/ glaube/ daß auch der Himmel
ſelbſt/ aus dieſer erſten Materi/ beſtehe: welches Ariſtoteles/ der den
Himmel fuͤr ein ewiges unbeginnliches Weſen ſchaͤtzet/ nicht geſtehet; ſon-
dern demſelben eine beſondere Materi zueignet: obgleich etliche Schul-
Philoſophi ſolches verneinen.

Winterſchild. Mein Herꝛ! wenn ich die Authoritet deß lobwuͤr-
digen Vatters Auguſtini ein wenig auf die Seiten ſetze/ welche/ in der-
gleichen Auslegungen/ nicht eben unfehlbar iſt; ſo finde ich deß Herꝛn ſeine
Ausſpruͤche und Beſchreibungen der erſten Materi gewißlich mit ſo vielen
Beſch werlichkeiten noch in der Fehde/ daß ich nicht gleich ſo ſchlecht hin ge-
traue/ die erſte Materi ſey wuͤrcklich Etwas/ auſſer einer bloſſen Einbil-
dung der Gedancken. Der menſchliche Leib begreifft fuͤglich eine Mixtur
der vier Elementen: wenn er aber aufgeloͤſet/ und durch die Verweſung
zum Staube wird; ſo bleibt ſolcher Staub dennoch ein elementariſcher
Koͤrper/ und gewiſſe Subſtantz. Alles wird/ in die 4. Elementen/ reſolvirt:
die vier Elementen aber ſind nicht ohne Form. Dergleichen kan mir der
Herꝛ/ von der erſten Materi/ nicht beweiſen: Denn dieſe/ wie Er ſelber
bekennet/ beſtehet nicht auſſerhalb den informirten Koͤrpern; ſondern
bleibt ſtets in der andren Materi. Wenn nun dem alſo/ und ſie nirgends
anders/ ohn allein in einem genaturirtem und gebildetem Koͤrper/ beru-
het: ſo folget eben hieraus/ daß nunmehr/ nach der Schoͤpffung/ in der

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[40/0066] Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/ gleich dieſe oder jene zweyte Materi/ dieſer oder jener Koͤrper/ wolte ich ſagen/ vergehet. Jch wolte/ den Peripateticis allein zu Gefallen/ kei- nen Urſtoff glauben; und den Scholaſticis/ oder Schullehrern faſt eben ſo wenig: wenn ihn nicht vorlaͤngſt ſchon die alte Kirchen-Lehrer hetten geglaubt. Mein Herꝛ leſe/ ſo es ihm beliebt/ das 12. Buch Auguſtini ſeiner Bekentniſſen durch; ſonderlich das vierdte/ 5. und 6. Capitel/ wel- che hievon ausfuͤhrlich handeln: da Er/ unter andren/ dieſe Worte fuͤh- ret. Cur ergo non accipiam infirmitatem materiæ, quam ſine ſpe- cie feceras, unde ſpecioſum mundum faceres; ita commodè homini- bus intimatam, ut appellaretur terra inviſibilis & incompoſita? War- um ſolte ich nicht glauben die Schwachheit der Materi/ die du ohne Geſtalt gemacht hatteſt/ daß du davon die ſchoͤne Welt mach- teſt; nachdemmal ſie ja den Menſchen fuͤglich bedeuter worden/ indem ſie die heilige Schrifft nennet die unſichrbare und ungeſchmuͤck- te oder ungeordnete Erde? (a) Lutherus hat es geteutſchet: die Erde war wuͤſt und leer. Welches zwar/ den Worten nach/ etwas anders lautet/ in der Meinung aber/ mit deß H. Auguſtini Worten/ dennoch uͤbereintreffen kan. Wiewol ich hierinnen dieſem wehrten Kirchen- Vatter viel lieber/ denn dem Ariſtoteli/ glaube/ daß auch der Himmel ſelbſt/ aus dieſer erſten Materi/ beſtehe: welches Ariſtoteles/ der den Himmel fuͤr ein ewiges unbeginnliches Weſen ſchaͤtzet/ nicht geſtehet; ſon- dern demſelben eine beſondere Materi zueignet: obgleich etliche Schul- Philoſophi ſolches verneinen. (a) Auguſt. lib. 12. Confeſſ. c. 12. Winterſchild. Mein Herꝛ! wenn ich die Authoritet deß lobwuͤr- digen Vatters Auguſtini ein wenig auf die Seiten ſetze/ welche/ in der- gleichen Auslegungen/ nicht eben unfehlbar iſt; ſo finde ich deß Herꝛn ſeine Ausſpruͤche und Beſchreibungen der erſten Materi gewißlich mit ſo vielen Beſch werlichkeiten noch in der Fehde/ daß ich nicht gleich ſo ſchlecht hin ge- traue/ die erſte Materi ſey wuͤrcklich Etwas/ auſſer einer bloſſen Einbil- dung der Gedancken. Der menſchliche Leib begreifft fuͤglich eine Mixtur der vier Elementen: wenn er aber aufgeloͤſet/ und durch die Verweſung zum Staube wird; ſo bleibt ſolcher Staub dennoch ein elementariſcher Koͤrper/ und gewiſſe Subſtantz. Alles wird/ in die 4. Elementen/ reſolvirt: die vier Elementen aber ſind nicht ohne Form. Dergleichen kan mir der Herꝛ/ von der erſten Materi/ nicht beweiſen: Denn dieſe/ wie Er ſelber bekennet/ beſtehet nicht auſſerhalb den informirten Koͤrpern; ſondern bleibt ſtets in der andren Materi. Wenn nun dem alſo/ und ſie nirgends anders/ ohn allein in einem genaturirtem und gebildetem Koͤrper/ beru- het: ſo folget eben hieraus/ daß nunmehr/ nach der Schoͤpffung/ in der gantzen

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/66>, abgerufen am 01.11.2024.