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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der siebenzehende Discurs/
beyde Hemisphaeria, und also die gantze Welt wiewol/ in ungleicher Frist/
diese Finsterniß/ nach gewisser Masse/ verspühret haben. Wie GOtt
diese Finsterniß habe ausgewirckt/ das wird kein Mensch recht begreiffen.
Wofern er aber beliebt hat/ sich der Natur hiebey zu bedienen: so ist es
vermutlich/ unter andren/ durch plötzliche Einführung und Versamm-
lung ungewöhnlich-vieler dicker Erd- und Wasser-Dämpffe/ und finste-
rer Nebel über Aegypten/ geschehen. Wovon er aber das Land Gosen
da Jsrael wohnete/ befreyet hat/ und ihnen die Sonne stralen lassen. Zu
dieser Mutmassung gibt mir einige Anleitung die Weinmarische Erklä-
rung/ über die Worte der Schrifft: Daß mans greiffen mag: indem
sie dabey fügt: Wegen der dicken Dünste/ und Brodens; auch
bey den Worten/ bey allen Kindern Jsrael/ war es liecht/ in ih-
ren Wohnungen/
erinnert/ daß hiemit das Land Gosen gemeint wer-
de. Doch will ich dieser Mutmassung darum nicht gar zu viel trauen.
Denn weil die Kinder Jsrael damals nicht alle sich/ im Lande Gosen/ da-
heim befunden/ sondern durch gantz Aegyptenland zerstreuet/ um Stoppeln
zusammlen; wie das fünffte Capitel deß zweyten Buchs Mosis anzeiget;
und zweiffelsohn die jenige Jsraeliten/ so mitten unter den Aegyptern froh-
neten/ eben so wol das Liecht behalten haben/ als wie die/ welche im Lande
Gosen damals zu Hause geblieben: so dörffte vielleicht diese Finsterniß/
durch keinen Nebel/ noch Dampff/ sondern gantz andres unnatürliches
Mittel/ von GOtt/ seyn verfügt worden. Wie viel tausend guter und
böser Engel stehen dem Allmächtigen zu Gebot/ die solches gar leicht ha-
ben zuwegen bringen/ und den Aegyptern die Augen halten können/ daß
sie kein Liecht gesehen! Gleichwie die Sodomiten mit Blindheit geschla-
gen wurden/ daß sie Loths Hausthür nicht finden kunnten. Wiewol die
Göttliche Allmacht auch/ ohn den Dienst der Engel/ solche wunderbare
Finsterniß hat können verschaffen/ und dem Volck Jsrael/ an was für
Ort und Stelle auch dasselbe/ deß Frohnens halben/ sich verstreuet ge-
habt/ das freye Liecht der Sonnen vorbehalten. Denn der das Auge
gemacht/ Finsterniß und Liecht geschaffen hat/ kan dasselbe ändern und
wenden/ wie er will. Diß sind meine einfältige Gedancken: welche den
Herrn Goldstern nicht hindern sollen/ wofern dieselbe fehlen/ mich eines
bessern zu unterweisen.

Goldstern. Das Unterweisen wird/ in dieser Frage/ mir nicht/
sondern vielmehr das Dancksagen für die empfangene Unterweisung/ zu-
stehen. Womit zugleich der Herr meine Erklärung hat/ daß ich/ an der
Seinigen/ nichts/ als Wolgefallen/ habe.

Winterschild. Jch bedancke mich deß geneigten Urtheils/ und

noch

Der ſiebenzehende Diſcurs/
beyde Hemiſphæria, und alſo die gantze Welt wiewol/ in ungleicher Friſt/
dieſe Finſterniß/ nach gewiſſer Maſſe/ verſpuͤhret haben. Wie GOtt
dieſe Finſterniß habe ausgewirckt/ das wird kein Menſch recht begreiffen.
Wofern er aber beliebt hat/ ſich der Natur hiebey zu bedienen: ſo iſt es
vermutlich/ unter andren/ durch ploͤtzliche Einfuͤhrung und Verſamm-
lung ungewoͤhnlich-vieler dicker Erd- und Waſſer-Daͤmpffe/ und finſte-
rer Nebel uͤber Aegypten/ geſchehen. Wovon er aber das Land Goſen
da Jſrael wohnete/ befreyet hat/ und ihnen die Sonne ſtralen laſſen. Zu
dieſer Mutmaſſung gibt mir einige Anleitung die Weinmariſche Erklaͤ-
rung/ uͤber die Worte der Schrifft: Daß mans greiffen mag: indem
ſie dabey fuͤgt: Wegen der dicken Duͤnſte/ und Brodens; auch
bey den Worten/ bey allen Kindern Jſrael/ war es liecht/ in ih-
ren Wohnungen/
erinnert/ daß hiemit das Land Goſen gemeint wer-
de. Doch will ich dieſer Mutmaſſung darum nicht gar zu viel trauen.
Denn weil die Kinder Jſrael damals nicht alle ſich/ im Lande Goſen/ da-
heim befunden/ ſondeꝛn duꝛch gantz Aegyptenland zerſtreuet/ um Stoppeln
zuſammlen; wie das fuͤnffte Capitel deß zweyten Buchs Moſis anzeiget;
und zweiffelsohn die jenige Jſraeliten/ ſo mitten unter den Aegyptern froh-
neten/ eben ſo wol das Liecht behalten haben/ als wie die/ welche im Lande
Goſen damals zu Hauſe geblieben: ſo doͤrffte vielleicht dieſe Finſterniß/
durch keinen Nebel/ noch Dampff/ ſondern gantz andres unnatuͤrliches
Mittel/ von GOtt/ ſeyn verfuͤgt worden. Wie viel tauſend guter und
boͤſer Engel ſtehen dem Allmaͤchtigen zu Gebot/ die ſolches gar leicht ha-
ben zuwegen bringen/ und den Aegyptern die Augen halten koͤnnen/ daß
ſie kein Liecht geſehen! Gleichwie die Sodomiten mit Blindheit geſchla-
gen wurden/ daß ſie Loths Hausthuͤr nicht finden kunnten. Wiewol die
Goͤttliche Allmacht auch/ ohn den Dienſt der Engel/ ſolche wunderbare
Finſterniß hat koͤnnen verſchaffen/ und dem Volck Jſrael/ an was fuͤr
Ort und Stelle auch daſſelbe/ deß Frohnens halben/ ſich verſtreuet ge-
habt/ das freye Liecht der Sonnen vorbehalten. Denn der das Auge
gemacht/ Finſterniß und Liecht geſchaffen hat/ kan daſſelbe aͤndern und
wenden/ wie er will. Diß ſind meine einfaͤltige Gedancken: welche den
Herꝛn Goldſtern nicht hindern ſollen/ wofern dieſelbe fehlen/ mich eines
beſſern zu unterweiſen.

Goldſtern. Das Unterweiſen wird/ in dieſer Frage/ mir nicht/
ſondern vielmehr das Danckſagen fuͤr die empfangene Unterweiſung/ zu-
ſtehen. Womit zugleich der Herꝛ meine Erklaͤrung hat/ daß ich/ an der
Seinigen/ nichts/ als Wolgefallen/ habe.

Winterſchild. Jch bedancke mich deß geneigten Urtheils/ und

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[902/0952] Der ſiebenzehende Diſcurs/ beyde Hemiſphæria, und alſo die gantze Welt wiewol/ in ungleicher Friſt/ dieſe Finſterniß/ nach gewiſſer Maſſe/ verſpuͤhret haben. Wie GOtt dieſe Finſterniß habe ausgewirckt/ das wird kein Menſch recht begreiffen. Wofern er aber beliebt hat/ ſich der Natur hiebey zu bedienen: ſo iſt es vermutlich/ unter andren/ durch ploͤtzliche Einfuͤhrung und Verſamm- lung ungewoͤhnlich-vieler dicker Erd- und Waſſer-Daͤmpffe/ und finſte- rer Nebel uͤber Aegypten/ geſchehen. Wovon er aber das Land Goſen da Jſrael wohnete/ befreyet hat/ und ihnen die Sonne ſtralen laſſen. Zu dieſer Mutmaſſung gibt mir einige Anleitung die Weinmariſche Erklaͤ- rung/ uͤber die Worte der Schrifft: Daß mans greiffen mag: indem ſie dabey fuͤgt: Wegen der dicken Duͤnſte/ und Brodens; auch bey den Worten/ bey allen Kindern Jſrael/ war es liecht/ in ih- ren Wohnungen/ erinnert/ daß hiemit das Land Goſen gemeint wer- de. Doch will ich dieſer Mutmaſſung darum nicht gar zu viel trauen. Denn weil die Kinder Jſrael damals nicht alle ſich/ im Lande Goſen/ da- heim befunden/ ſondeꝛn duꝛch gantz Aegyptenland zerſtreuet/ um Stoppeln zuſammlen; wie das fuͤnffte Capitel deß zweyten Buchs Moſis anzeiget; und zweiffelsohn die jenige Jſraeliten/ ſo mitten unter den Aegyptern froh- neten/ eben ſo wol das Liecht behalten haben/ als wie die/ welche im Lande Goſen damals zu Hauſe geblieben: ſo doͤrffte vielleicht dieſe Finſterniß/ durch keinen Nebel/ noch Dampff/ ſondern gantz andres unnatuͤrliches Mittel/ von GOtt/ ſeyn verfuͤgt worden. Wie viel tauſend guter und boͤſer Engel ſtehen dem Allmaͤchtigen zu Gebot/ die ſolches gar leicht ha- ben zuwegen bringen/ und den Aegyptern die Augen halten koͤnnen/ daß ſie kein Liecht geſehen! Gleichwie die Sodomiten mit Blindheit geſchla- gen wurden/ daß ſie Loths Hausthuͤr nicht finden kunnten. Wiewol die Goͤttliche Allmacht auch/ ohn den Dienſt der Engel/ ſolche wunderbare Finſterniß hat koͤnnen verſchaffen/ und dem Volck Jſrael/ an was fuͤr Ort und Stelle auch daſſelbe/ deß Frohnens halben/ ſich verſtreuet ge- habt/ das freye Liecht der Sonnen vorbehalten. Denn der das Auge gemacht/ Finſterniß und Liecht geſchaffen hat/ kan daſſelbe aͤndern und wenden/ wie er will. Diß ſind meine einfaͤltige Gedancken: welche den Herꝛn Goldſtern nicht hindern ſollen/ wofern dieſelbe fehlen/ mich eines beſſern zu unterweiſen. Goldſtern. Das Unterweiſen wird/ in dieſer Frage/ mir nicht/ ſondern vielmehr das Danckſagen fuͤr die empfangene Unterweiſung/ zu- ſtehen. Womit zugleich der Herꝛ meine Erklaͤrung hat/ daß ich/ an der Seinigen/ nichts/ als Wolgefallen/ habe. Winterſchild. Jch bedancke mich deß geneigten Urtheils/ und noch

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 902. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/952>, abgerufen am 22.05.2024.