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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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wenn er einfach ihres Gleichen gewesen wäre, sei da¬
hingestellt. Aber er war ein Prinz, berechtigt, um eine
Kaisertochter zu werben, und diesem Zauber wider¬
stand sie nicht. Ihr Kinder eines anderen Jahrhun¬
derts habt keinen Maßstab für eine Anschauung, welche
auch den letzten Anhängsel eines Thrones hoch über
alle menschlichen Ordnungen erhob und den Gesalbten des
Herrn der Pflicht selber gegen die ewigen Gesetzes¬
tafeln entband; für eine Anschauung, welche den ver¬
irrten Tropfen königlichen Blutes höheren Adels ach¬
tete, als den, welcher in den Kreuzzügen erobert wor¬
den war. Nach einer Ertödtung ohne Gleichen wäh¬
rend der verheerenden dreißig Jahre hatte die Zeit
über unserem Vaterlande gleichsam still gestanden und
das Säculum der äußersten Verdumpfung des Bürger¬
thums, des tiefsten Verfalls der Ritterschaft war noch
nicht abgelaufen. Erst des preußischen Friedrich Schwert
und Scepter hat die Uhr für eine neue Zeitrechnung
aufgezogen.

Der Prinz von Geblüt hatte dem reichen und
ahnenreichen Fräulein kein ebenbürtiges Bündniß an¬
zubieten; sie durfte nicht seinen Namen führen; ihre
Kinder -- hätte er etwas zu succediren gehabt --
würden nicht successionsfähig gewesen sein. Aber die

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wenn er einfach ihres Gleichen geweſen wäre, ſei da¬
hingeſtellt. Aber er war ein Prinz, berechtigt, um eine
Kaiſertochter zu werben, und dieſem Zauber wider¬
ſtand ſie nicht. Ihr Kinder eines anderen Jahrhun¬
derts habt keinen Maßſtab für eine Anſchauung, welche
auch den letzten Anhängſel eines Thrones hoch über
alle menſchlichen Ordnungen erhob und den Geſalbten des
Herrn der Pflicht ſelber gegen die ewigen Geſetzes¬
tafeln entband; für eine Anſchauung, welche den ver¬
irrten Tropfen königlichen Blutes höheren Adels ach¬
tete, als den, welcher in den Kreuzzügen erobert wor¬
den war. Nach einer Ertödtung ohne Gleichen wäh¬
rend der verheerenden dreißig Jahre hatte die Zeit
über unſerem Vaterlande gleichſam ſtill geſtanden und
das Säculum der äußerſten Verdumpfung des Bürger¬
thums, des tiefſten Verfalls der Ritterſchaft war noch
nicht abgelaufen. Erſt des preußiſchen Friedrich Schwert
und Scepter hat die Uhr für eine neue Zeitrechnung
aufgezogen.

Der Prinz von Geblüt hatte dem reichen und
ahnenreichen Fräulein kein ebenbürtiges Bündniß an¬
zubieten; ſie durfte nicht ſeinen Namen führen; ihre
Kinder — hätte er etwas zu ſuccediren gehabt —
würden nicht ſucceſſionsfähig geweſen ſein. Aber die

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[163/0170] wenn er einfach ihres Gleichen geweſen wäre, ſei da¬ hingeſtellt. Aber er war ein Prinz, berechtigt, um eine Kaiſertochter zu werben, und dieſem Zauber wider¬ ſtand ſie nicht. Ihr Kinder eines anderen Jahrhun¬ derts habt keinen Maßſtab für eine Anſchauung, welche auch den letzten Anhängſel eines Thrones hoch über alle menſchlichen Ordnungen erhob und den Geſalbten des Herrn der Pflicht ſelber gegen die ewigen Geſetzes¬ tafeln entband; für eine Anſchauung, welche den ver¬ irrten Tropfen königlichen Blutes höheren Adels ach¬ tete, als den, welcher in den Kreuzzügen erobert wor¬ den war. Nach einer Ertödtung ohne Gleichen wäh¬ rend der verheerenden dreißig Jahre hatte die Zeit über unſerem Vaterlande gleichſam ſtill geſtanden und das Säculum der äußerſten Verdumpfung des Bürger¬ thums, des tiefſten Verfalls der Ritterſchaft war noch nicht abgelaufen. Erſt des preußiſchen Friedrich Schwert und Scepter hat die Uhr für eine neue Zeitrechnung aufgezogen. Der Prinz von Geblüt hatte dem reichen und ahnenreichen Fräulein kein ebenbürtiges Bündniß an¬ zubieten; ſie durfte nicht ſeinen Namen führen; ihre Kinder — hätte er etwas zu ſuccediren gehabt — würden nicht ſucceſſionsfähig geweſen ſein. Aber die 11*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/170>, abgerufen am 30.04.2024.