Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Fräulein Hardinen aber habe ich mit keinem Auge
wieder gesehen, habe auch keine Sylbe wieder von ihr
gehört und heute zum ersten Male, glaub' ich, wieder
an sie gedacht."

Die arme Marketenderin war durch diesen jähen
Abschluß bitterlich enttäuscht. Sie nahm schweigend
die Arbeit wieder zur Hand, die im Eifer des Zu¬
hörens in ihren Schooß gesunken war und stichelte
eine lange Weile mit fieberhafter Hast, bis sie über
einen neuen Plan im Klaren und des jovialen Tones
wieder Herr geworden war, in dem sie ihren Eheliebsten
zu einer ferneren Bereitwilligkeit zu stimmen gedachte.

"Ich danke Dir, August," sagte sie endlich, in¬
dem sie ihm die Hand reichte. "Du verstehst zu er¬
zählen. Und ein Anhalt bliebe Deine Geschichte
immer für unseren armen, kleinen Wurm, wenn ich
eines Tages nicht mehr für ihn sorgen könnte: Ich
meine, wenn eines Tages unversehens der Napoleon
retour gekommen wäre! Und darum, Freund, laß
uns das Ding gleich heute zu einem Ende bringen.
Du bist ein perfecter Schreiber, hast manchen Rapport
geführt und die Feder zu regieren, so gut wie den
Säbel, braucht's ja nur eine Hand. Mach' also ein
Schriftstück aus der Sache, warm wie sie Dir im Ge¬

Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. I. 3

Fräulein Hardinen aber habe ich mit keinem Auge
wieder geſehen, habe auch keine Sylbe wieder von ihr
gehört und heute zum erſten Male, glaub' ich, wieder
an ſie gedacht.“

Die arme Marketenderin war durch dieſen jähen
Abſchluß bitterlich enttäuſcht. Sie nahm ſchweigend
die Arbeit wieder zur Hand, die im Eifer des Zu¬
hörens in ihren Schooß geſunken war und ſtichelte
eine lange Weile mit fieberhafter Haſt, bis ſie über
einen neuen Plan im Klaren und des jovialen Tones
wieder Herr geworden war, in dem ſie ihren Eheliebſten
zu einer ferneren Bereitwilligkeit zu ſtimmen gedachte.

„Ich danke Dir, Auguſt,“ ſagte ſie endlich, in¬
dem ſie ihm die Hand reichte. „Du verſtehſt zu er¬
zählen. Und ein Anhalt bliebe Deine Geſchichte
immer für unſeren armen, kleinen Wurm, wenn ich
eines Tages nicht mehr für ihn ſorgen könnte: Ich
meine, wenn eines Tages unverſehens der Napoleon
retour gekommen wäre! Und darum, Freund, laß
uns das Ding gleich heute zu einem Ende bringen.
Du biſt ein perfecter Schreiber, haſt manchen Rapport
geführt und die Feder zu regieren, ſo gut wie den
Säbel, braucht's ja nur eine Hand. Mach' alſo ein
Schriftſtück aus der Sache, warm wie ſie Dir im Ge¬

Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="33"/>
Fräulein Hardinen aber habe ich mit keinem Auge<lb/>
wieder ge&#x017F;ehen, habe auch keine Sylbe wieder von ihr<lb/>
gehört und heute zum er&#x017F;ten Male, glaub' ich, wieder<lb/>
an &#x017F;ie gedacht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die arme Marketenderin war durch die&#x017F;en jähen<lb/>
Ab&#x017F;chluß bitterlich enttäu&#x017F;cht. Sie nahm &#x017F;chweigend<lb/>
die Arbeit wieder zur Hand, die im Eifer des Zu¬<lb/>
hörens in ihren Schooß ge&#x017F;unken war und &#x017F;tichelte<lb/>
eine lange Weile mit fieberhafter Ha&#x017F;t, bis &#x017F;ie über<lb/>
einen neuen Plan im Klaren und des jovialen Tones<lb/>
wieder Herr geworden war, in dem &#x017F;ie ihren Ehelieb&#x017F;ten<lb/>
zu einer ferneren Bereitwilligkeit zu &#x017F;timmen gedachte.<lb/></p>
        <p>&#x201E;Ich danke Dir, Augu&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie endlich, in¬<lb/>
dem &#x017F;ie ihm die Hand reichte. &#x201E;Du ver&#x017F;teh&#x017F;t zu er¬<lb/>
zählen. Und ein Anhalt bliebe Deine Ge&#x017F;chichte<lb/>
immer für un&#x017F;eren armen, kleinen Wurm, wenn ich<lb/>
eines Tages nicht mehr für ihn &#x017F;orgen könnte: Ich<lb/>
meine, wenn eines Tages unver&#x017F;ehens der Napoleon<lb/>
retour gekommen wäre! Und darum, Freund, laß<lb/>
uns das Ding gleich heute zu einem Ende bringen.<lb/>
Du bi&#x017F;t ein perfecter Schreiber, ha&#x017F;t manchen Rapport<lb/>
geführt und die Feder zu regieren, &#x017F;o gut wie den<lb/>
Säbel, braucht's ja nur <hi rendition="#g">eine</hi> Hand. Mach' al&#x017F;o ein<lb/>
Schrift&#x017F;tück aus der Sache, warm wie &#x017F;ie Dir im Ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Loui&#x017F;e v. Fran<hi rendition="#aq">ç</hi>ois, Die letzte Reckenburgerin. <hi rendition="#aq">I</hi>. 3<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0040] Fräulein Hardinen aber habe ich mit keinem Auge wieder geſehen, habe auch keine Sylbe wieder von ihr gehört und heute zum erſten Male, glaub' ich, wieder an ſie gedacht.“ Die arme Marketenderin war durch dieſen jähen Abſchluß bitterlich enttäuſcht. Sie nahm ſchweigend die Arbeit wieder zur Hand, die im Eifer des Zu¬ hörens in ihren Schooß geſunken war und ſtichelte eine lange Weile mit fieberhafter Haſt, bis ſie über einen neuen Plan im Klaren und des jovialen Tones wieder Herr geworden war, in dem ſie ihren Eheliebſten zu einer ferneren Bereitwilligkeit zu ſtimmen gedachte. „Ich danke Dir, Auguſt,“ ſagte ſie endlich, in¬ dem ſie ihm die Hand reichte. „Du verſtehſt zu er¬ zählen. Und ein Anhalt bliebe Deine Geſchichte immer für unſeren armen, kleinen Wurm, wenn ich eines Tages nicht mehr für ihn ſorgen könnte: Ich meine, wenn eines Tages unverſehens der Napoleon retour gekommen wäre! Und darum, Freund, laß uns das Ding gleich heute zu einem Ende bringen. Du biſt ein perfecter Schreiber, haſt manchen Rapport geführt und die Feder zu regieren, ſo gut wie den Säbel, braucht's ja nur eine Hand. Mach' alſo ein Schriftſtück aus der Sache, warm wie ſie Dir im Ge¬ Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/40
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/40>, abgerufen am 28.04.2024.