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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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kochte etwas in seiner Brust, als ob eine der alten
Wunden sich geöffnet habe. Er schlug mit der Faust
gegen das hämmernde Herz und mußte eine Lehne
suchen, als er jetzt am Ausgang des Berceau nach
dem Schlosse blickte, dessen hohe Fenster und Spiegel¬
thüren nach der Terrasse geöffnet standen. Alte reich
gallonirte Diener, noch gepudert, gingen gravitätisch
hin und wieder, auf silbernen Platten den Kaffee
servirend; Andere räumten das funkelnde Geräth und
die leckeren Reste von der Tafel im großen Speisesaale
des Parterre. Wie die Adern des armen Vagabonden
schwollen, wie fieberisch seine Augen leuchteten vor
diesem nie geschauten Bilde der Fülle und der Pracht!

Nach und nach hatte sich die Terrasse von Gästen
und Dienern geleert. Nur noch ein einziges Paar
schritt langsam von der entgegengesetzten Seite her der
Laube zu, in welcher der Invalid athemlos lauschte.
Ein stattlicher Herr in hoher Beamtenuniform, einen
Stern auf der Brust; an seiner Seite mit majestäti¬
schem Anstand eine Dame von gleicher Größe wie
er selbst und auf der Brust den Orden, welcher für die
Patriotinnen des Befreiungskrieges so sinnvoll gestiftet
worden war. Reiches Geschmeide funkelte unter der
Spitzenumhüllung des gegen die Mode der Zeit fal¬

kochte etwas in ſeiner Bruſt, als ob eine der alten
Wunden ſich geöffnet habe. Er ſchlug mit der Fauſt
gegen das hämmernde Herz und mußte eine Lehne
ſuchen, als er jetzt am Ausgang des Berceau nach
dem Schloſſe blickte, deſſen hohe Fenſter und Spiegel¬
thüren nach der Terraſſe geöffnet ſtanden. Alte reich
gallonirte Diener, noch gepudert, gingen gravitätiſch
hin und wieder, auf ſilbernen Platten den Kaffee
ſervirend; Andere räumten das funkelnde Geräth und
die leckeren Reſte von der Tafel im großen Speiſeſaale
des Parterre. Wie die Adern des armen Vagabonden
ſchwollen, wie fieberiſch ſeine Augen leuchteten vor
dieſem nie geſchauten Bilde der Fülle und der Pracht!

Nach und nach hatte ſich die Terraſſe von Gäſten
und Dienern geleert. Nur noch ein einziges Paar
ſchritt langſam von der entgegengeſetzten Seite her der
Laube zu, in welcher der Invalid athemlos lauſchte.
Ein ſtattlicher Herr in hoher Beamtenuniform, einen
Stern auf der Bruſt; an ſeiner Seite mit majeſtäti¬
ſchem Anſtand eine Dame von gleicher Größe wie
er ſelbſt und auf der Bruſt den Orden, welcher für die
Patriotinnen des Befreiungskrieges ſo ſinnvoll geſtiftet
worden war. Reiches Geſchmeide funkelte unter der
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[72/0079] kochte etwas in ſeiner Bruſt, als ob eine der alten Wunden ſich geöffnet habe. Er ſchlug mit der Fauſt gegen das hämmernde Herz und mußte eine Lehne ſuchen, als er jetzt am Ausgang des Berceau nach dem Schloſſe blickte, deſſen hohe Fenſter und Spiegel¬ thüren nach der Terraſſe geöffnet ſtanden. Alte reich gallonirte Diener, noch gepudert, gingen gravitätiſch hin und wieder, auf ſilbernen Platten den Kaffee ſervirend; Andere räumten das funkelnde Geräth und die leckeren Reſte von der Tafel im großen Speiſeſaale des Parterre. Wie die Adern des armen Vagabonden ſchwollen, wie fieberiſch ſeine Augen leuchteten vor dieſem nie geſchauten Bilde der Fülle und der Pracht! Nach und nach hatte ſich die Terraſſe von Gäſten und Dienern geleert. Nur noch ein einziges Paar ſchritt langſam von der entgegengeſetzten Seite her der Laube zu, in welcher der Invalid athemlos lauſchte. Ein ſtattlicher Herr in hoher Beamtenuniform, einen Stern auf der Bruſt; an ſeiner Seite mit majeſtäti¬ ſchem Anſtand eine Dame von gleicher Größe wie er ſelbſt und auf der Bruſt den Orden, welcher für die Patriotinnen des Befreiungskrieges ſo ſinnvoll geſtiftet worden war. Reiches Geſchmeide funkelte unter der Spitzenumhüllung des gegen die Mode der Zeit fal¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/79>, abgerufen am 30.04.2024.