Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

meisten unter einem Vorwand. Die Pastorstochter hatte im Namen ihrer Mutter mitgetheilt, daß sie leider in Zukunft nicht mehr kommen könne, da sich "ungeeignete Elemente" in dem Klub geltend machten. Eine hatte sich abgemeldet wegen "Bruchs der Statuten." Jede Theilnehmerin hatte sich nämlich feierlich verpflichtet, bei ihrer Verlobung eine Eistorte, bei ihrer Verheirathung einen Ball zu spendiren. Wohin gerieth man nun, wenn es Mitglieder gab, die von vornherein die Absicht kundthaten, sich weder zu verloben noch zu verheirathen?

Annita war sehr betrübt und reuevoll gewesen über ihre Schroffheit, die so schreckliche Folgen gehabt hatte. Sie fiel Frau Severin um den Hals und bat sie mit Thränen, ihr zu verzeihen und sie nicht von Adelheid zu trennen, die auf der andern Seite an der Mutter herumstreichelte und schon zwei Taschentücher vollgeweint hatte.

Die dickbäckige weichherzige Frau wußte gar nicht, wie ihr geschah. "Kinder, Kinder, was macht Ihr mir für Kummer," stöhnte sie, "achhott, Nita, heul doch nicht so, ich bin Dir ja gar nicht mehr böse, nee, nee, ich hab' da nix gegen, daß Du Adelheid besuchst, hast ja keine Mama, arme Deern, ach nee, das find ich nu auch 'n büßchen von Frau Pastorin - das wird je alle nich so heiß aufgegessen, wie das gekocht wird, - nee, komm Du man, aber ich will Dir was

meisten unter einem Vorwand. Die Pastorstochter hatte im Namen ihrer Mutter mitgetheilt, daß sie leider in Zukunft nicht mehr kommen könne, da sich „ungeeignete Elemente“ in dem Klub geltend machten. Eine hatte sich abgemeldet wegen „Bruchs der Statuten.“ Jede Theilnehmerin hatte sich nämlich feierlich verpflichtet, bei ihrer Verlobung eine Eistorte, bei ihrer Verheirathung einen Ball zu spendiren. Wohin gerieth man nun, wenn es Mitglieder gab, die von vornherein die Absicht kundthaten, sich weder zu verloben noch zu verheirathen?

Annita war sehr betrübt und reuevoll gewesen über ihre Schroffheit, die so schreckliche Folgen gehabt hatte. Sie fiel Frau Severin um den Hals und bat sie mit Thränen, ihr zu verzeihen und sie nicht von Adelheid zu trennen, die auf der andern Seite an der Mutter herumstreichelte und schon zwei Taschentücher vollgeweint hatte.

Die dickbäckige weichherzige Frau wußte gar nicht, wie ihr geschah. „Kinder, Kinder, was macht Ihr mir für Kummer,“ stöhnte sie, „achhott, Nita, heul doch nicht so, ich bin Dir ja gar nicht mehr böse, nee, nee, ich hab’ da nix gegen, daß Du Adelheid besuchst, hast ja keine Mama, arme Deern, ach nee, das find ich nu auch ’n büßchen von Frau Pastorin – das wird je alle nich so heiß aufgegessen, wie das gekocht wird, – nee, komm Du man, aber ich will Dir was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="205"/>
meisten unter einem Vorwand. Die Pastorstochter hatte im Namen ihrer Mutter mitgetheilt, daß sie leider in Zukunft nicht mehr kommen könne, da sich &#x201E;ungeeignete Elemente&#x201C; in dem Klub geltend machten. Eine hatte sich abgemeldet wegen &#x201E;Bruchs der Statuten.&#x201C; Jede Theilnehmerin hatte sich nämlich feierlich verpflichtet, bei ihrer Verlobung eine Eistorte, bei ihrer Verheirathung einen Ball zu spendiren. Wohin gerieth man nun, wenn es Mitglieder gab, die von vornherein die Absicht kundthaten, sich weder zu verloben noch zu verheirathen?</p>
        <p>Annita war sehr betrübt und reuevoll gewesen über ihre Schroffheit, die so schreckliche Folgen gehabt hatte. Sie fiel Frau Severin um den Hals und bat sie mit Thränen, ihr zu verzeihen und sie nicht von Adelheid zu trennen, die auf der andern Seite an der Mutter herumstreichelte und schon zwei Taschentücher vollgeweint hatte.</p>
        <p>Die dickbäckige weichherzige Frau wußte gar nicht, wie ihr geschah. &#x201E;Kinder, Kinder, was macht Ihr mir für Kummer,&#x201C; stöhnte sie, &#x201E;achhott, Nita, heul doch nicht so, ich bin Dir ja gar nicht mehr böse, nee, nee, ich hab&#x2019; da nix gegen, daß Du Adelheid besuchst, hast ja keine Mama, arme Deern, ach nee, das find ich nu auch &#x2019;n büßchen von Frau Pastorin &#x2013; das wird je alle nich so heiß aufgegessen, wie das gekocht wird, &#x2013; nee, komm Du man, aber ich will Dir was
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0213] meisten unter einem Vorwand. Die Pastorstochter hatte im Namen ihrer Mutter mitgetheilt, daß sie leider in Zukunft nicht mehr kommen könne, da sich „ungeeignete Elemente“ in dem Klub geltend machten. Eine hatte sich abgemeldet wegen „Bruchs der Statuten.“ Jede Theilnehmerin hatte sich nämlich feierlich verpflichtet, bei ihrer Verlobung eine Eistorte, bei ihrer Verheirathung einen Ball zu spendiren. Wohin gerieth man nun, wenn es Mitglieder gab, die von vornherein die Absicht kundthaten, sich weder zu verloben noch zu verheirathen? Annita war sehr betrübt und reuevoll gewesen über ihre Schroffheit, die so schreckliche Folgen gehabt hatte. Sie fiel Frau Severin um den Hals und bat sie mit Thränen, ihr zu verzeihen und sie nicht von Adelheid zu trennen, die auf der andern Seite an der Mutter herumstreichelte und schon zwei Taschentücher vollgeweint hatte. Die dickbäckige weichherzige Frau wußte gar nicht, wie ihr geschah. „Kinder, Kinder, was macht Ihr mir für Kummer,“ stöhnte sie, „achhott, Nita, heul doch nicht so, ich bin Dir ja gar nicht mehr böse, nee, nee, ich hab’ da nix gegen, daß Du Adelheid besuchst, hast ja keine Mama, arme Deern, ach nee, das find ich nu auch ’n büßchen von Frau Pastorin – das wird je alle nich so heiß aufgegessen, wie das gekocht wird, – nee, komm Du man, aber ich will Dir was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/213
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/213>, abgerufen am 30.04.2024.