Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Schilde, Oheim, oder auf dem Schilde!
entgegnete dieser langsam, mit Nachdruck. Mu-
cius Scävola! rief mein Vater und schloß ihn
mit feuchten Augen an seine Brust. Marie
weinte heftig als er sie zum Abschied küßte,
dann umarmte sie mich, sahe mich einen Au-
genblick nachdenkend an, ein halbes Lächeln
schwebte auf ihrem leidenden Gesichte, sie schüt-
telte leise den Kopf, als wollte sie sagen: keine
wird ihn haben! Sie trocknete muthig ihre
Thränen, und schmiegte sich sanft resignirt an
ihren Vater.

Unsre Rückreise war nicht erfreulich. Meine
Mutter war meistens leidend und in sich gekehrt,
so viel Mühe sich auch die Männer gaben sie
zu beruhigen; mein leuchtendes Auge schien ihr
wundes Gefühl oftmahls zu verletzen. Auf der
andern Seite aber war es mir eine hohe Freude,
zu bemerken, wie mein Vater mit jeder Mi-
nute mehr Gefallen an meinem Geliebten fand.
Er erzählte ihm seinen amerikanischen Feldzug,
und verjüngte sich mitten unter den Bildern
seiner Jugend. "Dein Bruder fiel!" seufzte
meine Mutter. Für seine Ueberzeugung, für

*

dem Schilde, Oheim, oder auf dem Schilde!
entgegnete dieſer langſam, mit Nachdruck. Mu-
cius Scaͤvola! rief mein Vater und ſchloß ihn
mit feuchten Augen an ſeine Bruſt. Marie
weinte heftig als er ſie zum Abſchied kuͤßte,
dann umarmte ſie mich, ſahe mich einen Au-
genblick nachdenkend an, ein halbes Laͤcheln
ſchwebte auf ihrem leidenden Geſichte, ſie ſchuͤt-
telte leiſe den Kopf, als wollte ſie ſagen: keine
wird ihn haben! Sie trocknete muthig ihre
Thraͤnen, und ſchmiegte ſich ſanft reſignirt an
ihren Vater.

Unſre Ruͤckreiſe war nicht erfreulich. Meine
Mutter war meiſtens leidend und in ſich gekehrt,
ſo viel Muͤhe ſich auch die Maͤnner gaben ſie
zu beruhigen; mein leuchtendes Auge ſchien ihr
wundes Gefuͤhl oftmahls zu verletzen. Auf der
andern Seite aber war es mir eine hohe Freude,
zu bemerken, wie mein Vater mit jeder Mi-
nute mehr Gefallen an meinem Geliebten fand.
Er erzaͤhlte ihm ſeinen amerikaniſchen Feldzug,
und verjuͤngte ſich mitten unter den Bildern
ſeiner Jugend. „Dein Bruder fiel!‟ ſeufzte
meine Mutter. Fuͤr ſeine Ueberzeugung, fuͤr

*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="115"/>
dem Schilde, Oheim, oder auf dem Schilde!<lb/>
entgegnete die&#x017F;er lang&#x017F;am, mit Nachdruck. Mu-<lb/>
cius Sca&#x0364;vola! rief mein Vater und &#x017F;chloß ihn<lb/>
mit feuchten Augen an &#x017F;eine Bru&#x017F;t. Marie<lb/>
weinte heftig als er &#x017F;ie zum Ab&#x017F;chied ku&#x0364;ßte,<lb/>
dann umarmte &#x017F;ie mich, &#x017F;ahe mich einen Au-<lb/>
genblick nachdenkend an, ein halbes La&#x0364;cheln<lb/>
&#x017F;chwebte auf ihrem leidenden Ge&#x017F;ichte, &#x017F;ie &#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
telte lei&#x017F;e den Kopf, als wollte &#x017F;ie &#x017F;agen: keine<lb/>
wird ihn haben! Sie trocknete muthig ihre<lb/>
Thra&#x0364;nen, und &#x017F;chmiegte &#x017F;ich &#x017F;anft re&#x017F;ignirt an<lb/>
ihren Vater.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;re Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e war nicht erfreulich. Meine<lb/>
Mutter war mei&#x017F;tens leidend und in &#x017F;ich gekehrt,<lb/>
&#x017F;o viel Mu&#x0364;he &#x017F;ich auch die Ma&#x0364;nner gaben &#x017F;ie<lb/>
zu beruhigen; mein leuchtendes Auge &#x017F;chien ihr<lb/>
wundes Gefu&#x0364;hl oftmahls zu verletzen. Auf der<lb/>
andern Seite aber war es mir eine hohe Freude,<lb/>
zu bemerken, wie mein Vater mit jeder Mi-<lb/>
nute mehr Gefallen an meinem Geliebten fand.<lb/>
Er erza&#x0364;hlte ihm &#x017F;einen amerikani&#x017F;chen Feldzug,<lb/>
und verju&#x0364;ngte &#x017F;ich mitten unter den Bildern<lb/>
&#x017F;einer Jugend. &#x201E;Dein Bruder fiel!&#x201F; &#x017F;eufzte<lb/>
meine Mutter. Fu&#x0364;r &#x017F;eine Ueberzeugung, fu&#x0364;r<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0125] dem Schilde, Oheim, oder auf dem Schilde! entgegnete dieſer langſam, mit Nachdruck. Mu- cius Scaͤvola! rief mein Vater und ſchloß ihn mit feuchten Augen an ſeine Bruſt. Marie weinte heftig als er ſie zum Abſchied kuͤßte, dann umarmte ſie mich, ſahe mich einen Au- genblick nachdenkend an, ein halbes Laͤcheln ſchwebte auf ihrem leidenden Geſichte, ſie ſchuͤt- telte leiſe den Kopf, als wollte ſie ſagen: keine wird ihn haben! Sie trocknete muthig ihre Thraͤnen, und ſchmiegte ſich ſanft reſignirt an ihren Vater. Unſre Ruͤckreiſe war nicht erfreulich. Meine Mutter war meiſtens leidend und in ſich gekehrt, ſo viel Muͤhe ſich auch die Maͤnner gaben ſie zu beruhigen; mein leuchtendes Auge ſchien ihr wundes Gefuͤhl oftmahls zu verletzen. Auf der andern Seite aber war es mir eine hohe Freude, zu bemerken, wie mein Vater mit jeder Mi- nute mehr Gefallen an meinem Geliebten fand. Er erzaͤhlte ihm ſeinen amerikaniſchen Feldzug, und verjuͤngte ſich mitten unter den Bildern ſeiner Jugend. „Dein Bruder fiel!‟ ſeufzte meine Mutter. Fuͤr ſeine Ueberzeugung, fuͤr *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/125
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/125>, abgerufen am 02.05.2024.