Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

und kamen. Hier eine geputzte Welt welche
nach den Tullierien, nach den Champs-ellisees
lustwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller
Art, Proviantwagen, Geschütz, bewaffnete Bür-
ger, kommend und gehend, Marketender zu
Fuß und zu Pferde, alles eilend, lärmend, und
zwischen all diesem Geräusch Artilleriesalven,
von deren Gewalt die Erde zu beben schien.
Mir war diese Scene so neu, und ich wurde
so sonderbar davon ergriffen daß ich fast meine
persönliche Lage darüber vergaß. Die Töchter
meiner Wirthinn beschworen mich, bei allen Hei-
ligen, mit ihnen nach Hause zu gehen, sie wa-
ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie
gefesselt an diesen Schauplatz, hätte ihn gern
noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach-
gab, um die Forderungen der erschöpften Natur
zu befriedigen, so fand ich in der sicheren Woh-
nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi-
derstehlich zurück nach jener Gegend. Dachte
ich einen Augenblick nach, so war ich mir
selbst unerklärlich. Krieg und Schlachten hatten
sonst nur einen geschichtlichen Reiz für mich,
niemals konnte ich die ausführliche Erzählung ei-

und kamen. Hier eine geputzte Welt welche
nach den Tullierien, nach den Champs-ellisées
luſtwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller
Art, Proviantwagen, Geſchuͤtz, bewaffnete Buͤr-
ger, kommend und gehend, Marketender zu
Fuß und zu Pferde, alles eilend, laͤrmend, und
zwiſchen all dieſem Geraͤuſch Artillerieſalven,
von deren Gewalt die Erde zu beben ſchien.
Mir war dieſe Scene ſo neu, und ich wurde
ſo ſonderbar davon ergriffen daß ich faſt meine
perſoͤnliche Lage daruͤber vergaß. Die Toͤchter
meiner Wirthinn beſchworen mich, bei allen Hei-
ligen, mit ihnen nach Hauſe zu gehen, ſie wa-
ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie
gefeſſelt an dieſen Schauplatz, haͤtte ihn gern
noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach-
gab, um die Forderungen der erſchoͤpften Natur
zu befriedigen, ſo fand ich in der ſicheren Woh-
nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi-
derſtehlich zuruͤck nach jener Gegend. Dachte
ich einen Augenblick nach, ſo war ich mir
ſelbſt unerklaͤrlich. Krieg und Schlachten hatten
ſonſt nur einen geſchichtlichen Reiz fuͤr mich,
niemals konnte ich die ausfuͤhrliche Erzaͤhlung ei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="172"/>
und kamen. Hier eine geputzte Welt welche<lb/>
nach den Tullierien, nach den <hi rendition="#aq">Champs-ellisées</hi><lb/>
lu&#x017F;twandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller<lb/>
Art, Proviantwagen, Ge&#x017F;chu&#x0364;tz, bewaffnete Bu&#x0364;r-<lb/>
ger, kommend und gehend, Marketender zu<lb/>
Fuß und zu Pferde, alles eilend, la&#x0364;rmend, und<lb/>
zwi&#x017F;chen all die&#x017F;em Gera&#x0364;u&#x017F;ch Artillerie&#x017F;alven,<lb/>
von deren Gewalt die Erde zu beben &#x017F;chien.<lb/>
Mir war die&#x017F;e Scene &#x017F;o neu, und ich wurde<lb/>
&#x017F;o &#x017F;onderbar davon ergriffen daß ich fa&#x017F;t meine<lb/>
per&#x017F;o&#x0364;nliche Lage daru&#x0364;ber vergaß. Die To&#x0364;chter<lb/>
meiner Wirthinn be&#x017F;chworen mich, bei allen Hei-<lb/>
ligen, mit ihnen nach Hau&#x017F;e zu gehen, &#x017F;ie wa-<lb/>
ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie<lb/>
gefe&#x017F;&#x017F;elt an die&#x017F;en Schauplatz, ha&#x0364;tte ihn gern<lb/>
noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach-<lb/>
gab, um die Forderungen der er&#x017F;cho&#x0364;pften Natur<lb/>
zu befriedigen, &#x017F;o fand ich in der &#x017F;icheren Woh-<lb/>
nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi-<lb/>
der&#x017F;tehlich zuru&#x0364;ck nach jener Gegend. Dachte<lb/>
ich einen Augenblick nach, &#x017F;o war ich mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t unerkla&#x0364;rlich. Krieg und Schlachten hatten<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t nur einen ge&#x017F;chichtlichen Reiz fu&#x0364;r mich,<lb/>
niemals konnte ich die ausfu&#x0364;hrliche Erza&#x0364;hlung ei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0182] und kamen. Hier eine geputzte Welt welche nach den Tullierien, nach den Champs-ellisées luſtwandelte; dort Truppen-Abtheilungen aller Art, Proviantwagen, Geſchuͤtz, bewaffnete Buͤr- ger, kommend und gehend, Marketender zu Fuß und zu Pferde, alles eilend, laͤrmend, und zwiſchen all dieſem Geraͤuſch Artillerieſalven, von deren Gewalt die Erde zu beben ſchien. Mir war dieſe Scene ſo neu, und ich wurde ſo ſonderbar davon ergriffen daß ich faſt meine perſoͤnliche Lage daruͤber vergaß. Die Toͤchter meiner Wirthinn beſchworen mich, bei allen Hei- ligen, mit ihnen nach Hauſe zu gehen, ſie wa- ren voll Furcht und Schrecken, ich aber, wie gefeſſelt an dieſen Schauplatz, haͤtte ihn gern noch weiter hinaus verlegt. Ja, wenn ich nach- gab, um die Forderungen der erſchoͤpften Natur zu befriedigen, ſo fand ich in der ſicheren Woh- nung durchaus keine Ruhe, es zog mich unwi- derſtehlich zuruͤck nach jener Gegend. Dachte ich einen Augenblick nach, ſo war ich mir ſelbſt unerklaͤrlich. Krieg und Schlachten hatten ſonſt nur einen geſchichtlichen Reiz fuͤr mich, niemals konnte ich die ausfuͤhrliche Erzaͤhlung ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/182
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/182>, abgerufen am 04.05.2024.