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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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scheuen sie meinen Zorn." Damit entließ er mich.
Jch kam ganz verstöhrt in mein Zimmer zurück,
wo ein heftiger Thränenstrom meine gepreßte Brust
erleichterte. Deine Mutter erschien bald darauf.
Unglückliche, sagte sie, warum mußtest du dir eine
so unangenehme Scene zuziehn, und um welcher
kindischen Grille willen! Hättest du einen Augen-
blick nachgedacht, so würdest du selber eingesehen ha-
ben, wie unschicklich es sey, allein nach Chaumerive
zu reisen. Nach deiner Vermählung wird Louis
gewiß die Gefälligkeit haben, dich auf einige
Wochen dahin zu führen. Sie setzen da einen
Fall liebe Tante, sagte ich, welcher meiner Seele
sehr fremd ist. Fremd? rief sie, und warum?
wenn ich bitten darf. Louis liebt dich, das wuß-
test du längst, und worauf könnte sich bei dir eine
Abneigung gegen ihn gründen? er ist jung und
liebenswürdig, er sichert dir einen hohen Rang
in der Gesellschaft; überdieß aber ist diese Heirath
in der Familie ein Mahl beschlossen, und ich hoffe,
daß du wenigstens so viel Erziehung haben
wirst, um zu wissen, daß du deiner Familie Gehor-
sam schuldig bist. Meine Aeltern welche ihn zu
fordern ein Recht hatten, haben ihn nie an mir

ſcheuen ſie meinen Zorn.‟ Damit entließ er mich.
Jch kam ganz verſtoͤhrt in mein Zimmer zuruͤck,
wo ein heftiger Thraͤnenſtrom meine gepreßte Bruſt
erleichterte. Deine Mutter erſchien bald darauf.
Ungluͤckliche, ſagte ſie, warum mußteſt du dir eine
ſo unangenehme Scene zuziehn, und um welcher
kindiſchen Grille willen! Haͤtteſt du einen Augen-
blick nachgedacht, ſo wuͤrdeſt du ſelber eingeſehen ha-
ben, wie unſchicklich es ſey, allein nach Chaumerive
zu reiſen. Nach deiner Vermaͤhlung wird Louis
gewiß die Gefaͤlligkeit haben, dich auf einige
Wochen dahin zu fuͤhren. Sie ſetzen da einen
Fall liebe Tante, ſagte ich, welcher meiner Seele
ſehr fremd iſt. Fremd? rief ſie, und warum?
wenn ich bitten darf. Louis liebt dich, das wuß-
teſt du laͤngſt, und worauf koͤnnte ſich bei dir eine
Abneigung gegen ihn gruͤnden? er iſt jung und
liebenswuͤrdig, er ſichert dir einen hohen Rang
in der Geſellſchaft; uͤberdieß aber iſt dieſe Heirath
in der Familie ein Mahl beſchloſſen, und ich hoffe,
daß du wenigſtens ſo viel Erziehung haben
wirſt, um zu wiſſen, daß du deiner Familie Gehor-
ſam ſchuldig biſt. Meine Aeltern welche ihn zu
fordern ein Recht hatten, haben ihn nie an mir

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[188[196]/0206] ſcheuen ſie meinen Zorn.‟ Damit entließ er mich. Jch kam ganz verſtoͤhrt in mein Zimmer zuruͤck, wo ein heftiger Thraͤnenſtrom meine gepreßte Bruſt erleichterte. Deine Mutter erſchien bald darauf. Ungluͤckliche, ſagte ſie, warum mußteſt du dir eine ſo unangenehme Scene zuziehn, und um welcher kindiſchen Grille willen! Haͤtteſt du einen Augen- blick nachgedacht, ſo wuͤrdeſt du ſelber eingeſehen ha- ben, wie unſchicklich es ſey, allein nach Chaumerive zu reiſen. Nach deiner Vermaͤhlung wird Louis gewiß die Gefaͤlligkeit haben, dich auf einige Wochen dahin zu fuͤhren. Sie ſetzen da einen Fall liebe Tante, ſagte ich, welcher meiner Seele ſehr fremd iſt. Fremd? rief ſie, und warum? wenn ich bitten darf. Louis liebt dich, das wuß- teſt du laͤngſt, und worauf koͤnnte ſich bei dir eine Abneigung gegen ihn gruͤnden? er iſt jung und liebenswuͤrdig, er ſichert dir einen hohen Rang in der Geſellſchaft; uͤberdieß aber iſt dieſe Heirath in der Familie ein Mahl beſchloſſen, und ich hoffe, daß du wenigſtens ſo viel Erziehung haben wirſt, um zu wiſſen, daß du deiner Familie Gehor- ſam ſchuldig biſt. Meine Aeltern welche ihn zu fordern ein Recht hatten, haben ihn nie an mir

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 188[196]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/206>, abgerufen am 08.05.2024.