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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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einer größern Gesellschaft nicht Anwendung fin-
den, ein Wahn, welchen wir einst wiederlegen
werden. Warum besteht sie denn unter ta-
tarischen Horden, bei einem geringen Grade
von Bildung? und das Priesterthum? die Pen-
silvanier haben keines, und sind so brav und gut,
daß sie der Welt als Muster aufgestellt werden
könnten. Von ihnen haben wir entlehnt, oder
sind mit ihnen zusammen getroffen; nur ihr
finstrer Ernst findet bei uns keinen Eingang.
Griechenlands kindlicher Frohsinn spielt um
unsren Tempel;

schöne lichte Bilder
schweben selbst um die Nothwendigkeit,
und das ernste Schicksal blicket milder
durch den Schleier sanfter Menschlichkeit.

Der zweite Grundsatz unserer Verfassung
ist, völlige Freiheit und Gleichheit der vereinten
Familien; nie soll darin ein Oberhaupt herrschen,
und wäre ein solches einst, zu besonderem Zwecke,
nothwendig, so wird es gewählt, und dann er-
lischt seine Würde mit Erreichung des Zweckes.
Alle Angelegenheiten werden durch Stimmen-
mehrheit entschieden. Die Verwaltung der Ge-

schäfte

einer groͤßern Geſellſchaft nicht Anwendung fin-
den, ein Wahn, welchen wir einſt wiederlegen
werden. Warum beſteht ſie denn unter ta-
tariſchen Horden, bei einem geringen Grade
von Bildung? und das Prieſterthum? die Pen-
ſilvanier haben keines, und ſind ſo brav und gut,
daß ſie der Welt als Muſter aufgeſtellt werden
koͤnnten. Von ihnen haben wir entlehnt, oder
ſind mit ihnen zuſammen getroffen; nur ihr
finſtrer Ernſt findet bei uns keinen Eingang.
Griechenlands kindlicher Frohſinn ſpielt um
unſren Tempel;

ſchoͤne lichte Bilder
ſchweben ſelbſt um die Nothwendigkeit,
und das ernſte Schickſal blicket milder
durch den Schleier ſanfter Menſchlichkeit.

Der zweite Grundſatz unſerer Verfaſſung
iſt, voͤllige Freiheit und Gleichheit der vereinten
Familien; nie ſoll darin ein Oberhaupt herrſchen,
und waͤre ein ſolches einſt, zu beſonderem Zwecke,
nothwendig, ſo wird es gewaͤhlt, und dann er-
liſcht ſeine Wuͤrde mit Erreichung des Zweckes.
Alle Angelegenheiten werden durch Stimmen-
mehrheit entſchieden. Die Verwaltung der Ge-

ſchaͤfte
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[128/0138] einer groͤßern Geſellſchaft nicht Anwendung fin- den, ein Wahn, welchen wir einſt wiederlegen werden. Warum beſteht ſie denn unter ta- tariſchen Horden, bei einem geringen Grade von Bildung? und das Prieſterthum? die Pen- ſilvanier haben keines, und ſind ſo brav und gut, daß ſie der Welt als Muſter aufgeſtellt werden koͤnnten. Von ihnen haben wir entlehnt, oder ſind mit ihnen zuſammen getroffen; nur ihr finſtrer Ernſt findet bei uns keinen Eingang. Griechenlands kindlicher Frohſinn ſpielt um unſren Tempel; ſchoͤne lichte Bilder ſchweben ſelbſt um die Nothwendigkeit, und das ernſte Schickſal blicket milder durch den Schleier ſanfter Menſchlichkeit. Der zweite Grundſatz unſerer Verfaſſung iſt, voͤllige Freiheit und Gleichheit der vereinten Familien; nie ſoll darin ein Oberhaupt herrſchen, und waͤre ein ſolches einſt, zu beſonderem Zwecke, nothwendig, ſo wird es gewaͤhlt, und dann er- liſcht ſeine Wuͤrde mit Erreichung des Zweckes. Alle Angelegenheiten werden durch Stimmen- mehrheit entſchieden. Die Verwaltung der Ge- ſchaͤfte

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/138>, abgerufen am 06.05.2024.