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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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daß sie in ihrer Tasche No. 9 ein Schnupf-
tuch No. 10 trug. Sogleich wurde eine Re-
vision ihrer Wäsche verhängt, es fand sich nun
daß auch die Strümpfe mit No. 10. bezeichnet
waren, Sturm und starker Unwille brachen aus.
Die arme Verbrecherinn vertheidigte sich verge-
bens damit, daß sie unversehenes in eine Pfütze
getreten, und dabei vor Schreck ihr Tuch habe
fallen lassen. Sie hätte sogleich auch das erst vor
zwei Stunden angezogene Hemde wechseln, und
Tasche, Halstuch, Schlafhaube u. s. w. unge-
braucht in die Wäsche liefern sollen. Bei Ge-
legenheit des Beschmutzens, erfolgte eine neue
Predigt über die geziemende Ehrbarkeit, da es
nicht wohl denkbar sey, daß, wenn man den
Blick immer fest auf den Boden hefte, man
eine Pfütze übersehen sollte. Das gute Mäd-
chen, die einzige Tochter des Hauses, lei-
det vorzüglich von der Pedanterie ihrer Mut-
ter. Es ist ein liebes, frohes Geschöpf von
Deinem Alter, eine bildschöne Blonde Na-
mens Philippine. Sie freut sich am meisten
über meine Anwesenheit, welche ihr manche Er-
leichterung verschafft. Ellison, der Sohn, hat

daß ſie in ihrer Taſche No. 9 ein Schnupf-
tuch No. 10 trug. Sogleich wurde eine Re-
viſion ihrer Waͤſche verhaͤngt, es fand ſich nun
daß auch die Struͤmpfe mit No. 10. bezeichnet
waren, Sturm und ſtarker Unwille brachen aus.
Die arme Verbrecherinn vertheidigte ſich verge-
bens damit, daß ſie unverſehenes in eine Pfuͤtze
getreten, und dabei vor Schreck ihr Tuch habe
fallen laſſen. Sie haͤtte ſogleich auch das erſt vor
zwei Stunden angezogene Hemde wechſeln, und
Taſche, Halstuch, Schlafhaube u. ſ. w. unge-
braucht in die Waͤſche liefern ſollen. Bei Ge-
legenheit des Beſchmutzens, erfolgte eine neue
Predigt uͤber die geziemende Ehrbarkeit, da es
nicht wohl denkbar ſey, daß, wenn man den
Blick immer feſt auf den Boden hefte, man
eine Pfuͤtze uͤberſehen ſollte. Das gute Maͤd-
chen, die einzige Tochter des Hauſes, lei-
det vorzuͤglich von der Pedanterie ihrer Mut-
ter. Es iſt ein liebes, frohes Geſchoͤpf von
Deinem Alter, eine bildſchoͤne Blonde Na-
mens Philippine. Sie freut ſich am meiſten
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[6/0014] daß ſie in ihrer Taſche No. 9 ein Schnupf- tuch No. 10 trug. Sogleich wurde eine Re- viſion ihrer Waͤſche verhaͤngt, es fand ſich nun daß auch die Struͤmpfe mit No. 10. bezeichnet waren, Sturm und ſtarker Unwille brachen aus. Die arme Verbrecherinn vertheidigte ſich verge- bens damit, daß ſie unverſehenes in eine Pfuͤtze getreten, und dabei vor Schreck ihr Tuch habe fallen laſſen. Sie haͤtte ſogleich auch das erſt vor zwei Stunden angezogene Hemde wechſeln, und Taſche, Halstuch, Schlafhaube u. ſ. w. unge- braucht in die Waͤſche liefern ſollen. Bei Ge- legenheit des Beſchmutzens, erfolgte eine neue Predigt uͤber die geziemende Ehrbarkeit, da es nicht wohl denkbar ſey, daß, wenn man den Blick immer feſt auf den Boden hefte, man eine Pfuͤtze uͤberſehen ſollte. Das gute Maͤd- chen, die einzige Tochter des Hauſes, lei- det vorzuͤglich von der Pedanterie ihrer Mut- ter. Es iſt ein liebes, frohes Geſchoͤpf von Deinem Alter, eine bildſchoͤne Blonde Na- mens Philippine. Sie freut ſich am meiſten uͤber meine Anweſenheit, welche ihr manche Er- leichterung verſchafft. Elliſon, der Sohn, hat

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/14>, abgerufen am 29.04.2024.